Ulrike Smirek über ihr Leben und ihren Glauben

"Ohne meine Familie wäre ich nichts"

Veröffentlicht am 06.01.2015 um 23:55 Uhr – Von Gabriele Höfling – Lesedauer: 
Serie: 30-50-70

Borken ‐ OP-Krankenschwester Ulrike Smirek erzählt von Umwegen in ihrem Leben und von Entwicklungen in der katholischen Kirche, die ihr Angst machen.

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Frage: Wie alt fühlen Sie sich?

Ulrike Smirek: Wenn ich darüber nachdenke, dass ich bald schon 30 bin, ist das eine komische Vorstellung. Ich fühle mich noch jünger. Am liebsten wäre ich nochmal 27. Da war die stressige Zeit der Ausbildung vorbei, ich stand schon im Arbeitsleben, verdiente mein eigenes Geld und auch privat waren die Grundsteine gelegt. Mit 27 kann man stolz sein auf das, was man schon erreicht hat, aber zugleich noch mit großer Leichtigkeit in die Zukunft blicken.

Frage: Sind Sie im Reinen damit, wie sie Ihr Leben bisher gelebt haben?

Smirek: Ich hatte ein paar verrückte Sprünge in meinen Lebenslauf, was meine Arbeit betrifft. Ein paar Knackpunkte, die nicht so einfach waren in der jeweiligen Situation. Aber ich bin zufrieden damit, wo ich jetzt angekommen bin. Es war so: Ich habe schon früh gewusst, dass ich gerne im Operationssaal arbeiten will und habe direkt nach der Schule eine Ausbildung als Operationstechnische Assistentin angefangen. Aber ich musste feststellen, dass man dort mit 17, 18 Jahren nicht gut aufgehoben ist. Im OP herrschen andere Töne. Man muss das Zepter in die Hand nehmen und sich gegen andere durchsetzen. Das konnte ich damals noch nicht. Ich war völlig überfordert. Mein Chef hat dann gesagt: Ulli, mach erst mal etwas anderes. Damals war das sehr schlimm für mich. Aber am Ende hatte mein Chef Recht. Ich bin dann erstmal Krankenschwester geworden, war drei Jahre nicht im OP. Jetzt arbeite ich wieder dort. Im Nachhinein war es die beste Entscheidung.

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30 - 50 - 70 - Ulrike Smirek

Audio: © katholisch.de

Frage: Was war der größte Fehler oder die schwierigste Situation Ihres Lebens?

Smirek: Es war sehr schwierig für mich, nach zwei Jahren eine Ausbildung abzubrechen und noch dazu zu wissen, dass ich die nächste nicht direkt anfangen kann. Da war mir mulmig zumute. Ich stand zwischen den Stühlen und wusste nicht: Falle ich in ein Loch, weil ich ein Jahr lang nichts zu tun habe? Das war eine schwere Phase, aber letztendlich habe ich sie doch gemeistert. Ich habe dann noch mein Fachabi nachgeholt. Aber es hat eineinhalb Jahre gebraucht um sicher zu sein: Ja, so war das richtig, da hast Du nichts falsch gemacht.

Frage: Was ist das größte Glück?

Smirek: Im Moment, dass ich in drei Wochen zusammen mit meinem Freund in ein Haus ziehe. Das macht mich ziemlich glücklich. Wir wollen uns da unsere gemeinsame Zukunft aufbauen. Darauf freue ich mich sehr. Ansonsten ist das größte Glück meine Familie, meine beiden Brüder, mein Vater und meine Mutter. Die sind immer für mich da. Wenn wir zusammen am Tisch sitzen, essen, oder einfach nur reden, dann fühle ich mich einfach wohl. Das ist unheimlich viel Glück, finde ich.

Frage: Was war eine Weiche in Ihrem Leben, die Sie heute gern anders stellen würden?

Smirek: Es gibt keine große falsch gestellte Weiche, aber manchmal gibt es natürlich schon Situationen, in denen ich denke, dass ich das hätte anders machen können. Das sind meist Kleinigkeiten. Ich überreagiere manchmal. Wenn ich dann eine Stunde später darüber nachdenke, was ich gemacht habe, merke ich, das war ja Quatsch. Ich sollte nicht nur meinen Dickkopf durchsetzen, sondern auch darauf hören, was die anderen sagen. Mein Freund hat das mittlerweile raus. Der weiß, dass ich auch wieder ruhiger werde und man sich dann besser mit mir unterhalten kann.

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Frage: Was erwarten Sie von Ihrer Zukunft?

Smirek: Vor allem hoffe ich, dass mein Freund und ich in unserem Haus glücklich werden. Wir haben in den Hausbau soviel Zeit investiert. Ein Jahr lang haben wir malocht, jeden Tag – da habe ich manchmal schon Angst, ob wirklich alles so klappt, wie wir uns das vorstellen. Dann hoffe ich, dass ich irgendwann heirate. Und ich hätte auch gern zwei Kinder. Wir haben im neuen Haus ja schon Kinderzimmer eingebaut. Außerdem wünsche ich mir, dass meine Eltern lange leben. Ich selbst hatte Großeltern und glaube, dass das Miteinander von drei Generationen unheimlich Spaß macht. Meinen Job finde ich toll, aber ich hoffe, dass sich etwas im Gesundheitswesen ändert. Man kann gute Qualität nicht aufrechterhalten, wenn es zu wenig Personal gibt und zu wenig Zeit für die Patienten bleibt. Ich werde das Gefühl nicht los, dass dieser Berufszweig an den obersten Stellen der Politik nicht so richtig ernst genommen wird.

Frage: Was sind für Sie in ihrem Alltag die drei wichtigsten Dinge, ohne die sie nicht auskommen würden?

Smirek: (Überlegt…) Auf jeden Fall meine Familie - ohne die wäre ich nichts. Und mein Freund Andre, definitiv. Und drittens brauche ich Zeit für mich, um Sachen zu genießen. Ich bin zum Beispiel sehr gerne draußen. Wenn ich den ganzen Tag im OP stehe, dann brauche ich danach Luft um die Nase. Ich bin gern mit dem Fahrrad unterwegs, rieche den Wald, das Heu, die Jahreszeiten.

Frage: Welche Bedeutung hat der Glaube für Sie?

Smirek: Als ich ein Kind war, fand ich die Geschichten aus der Bibel spannend. In der Kindermesse standen wir Kleinen vorne, nach der Predigt durften wir Fragen stellen. Das fand ich toll. Später war ich dann Messdienerleiterin. Danach gab es dann so etwa drei, vier Jahre, da konnte ich mit der Kirche nicht mehr viel anfangen. Das hat sich 2011 geändert. In diesem Jahr sind bei einem Ski- und bei einem Autounfall zwei enge Freunde gestorben. Das hat mich zurückgeholt. Ich habe ganz stark gemerkt, dass der Glaube mich festhält.

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Frage: Welche Rolle spielt die Kirche in Ihrem Leben?

Smirek: Nach meinem Gefühl macht die Kirche als Institution es sich selbst schwer, die Leute zu halten, weil sie ihnen sehr viel abverlangt. Es gibt zwar sehr viele gute Dinge in der Kirche - die Werte, nach denen wir leben, die Gemeinschaft, die man erfährt. Aber wenn zum Beispiel im Bereich der Sexualmoral Verbote ausgesprochen werden, ist das schwer zu vermitteln, gerade den jungen Leuten. Viele meiner Freunde waren früher engagiert in der Kirche, aber jetzt haben sie andere Ansichten. Aber wenn wir schon diese Leute verlieren, die eigentlich zum Kern gehören, wie soll es dann weitergehen? Das macht mir Angst. Deswegen engagiere ich mich auch weiter im Pfarreirat, im Kirchenchor, in der Kirchenband – weil ich hoffe, dass ich damit was verändern kann.

Zur Person

Ulrike Smirek lebt in Borken, einer 40.000-Einwohner-Stadt in Westfalen. Am 30. Mai 2015 feiert sie ihren 30. Geburtstag. Die OP-Fachkrankenschwester will Anfang Dezember mit ihrem Freund André in ein gemeinsames Haus einziehen. Schon in ihrer Kindheit und Jugend hat sich Ulrike Smirek ehrenamtlich in der Propsteigemeinde St. Remigius engagiert- erst als Messdienerin, später als Leiterin. Heute ist sie Mitglied im Vorstand des Pfarreirats, singt im Kirchenchor und ist Sängerin der Kirchenband. Auch ihre Eltern und ihre beiden Brüder leben in Borken.
Von Gabriele Höfling