Papst könnte mit Weltsynode deutschen Prozess "universalkirchlich einhegen"

Tück: Synodaler Weg ist nicht Vorbild des synodalen Prozesses

Veröffentlicht am 08.06.2021 um 11:57 Uhr – Lesedauer: 

Wien ‐ Viele Kirchenvertreter in Deutschland haben den weltweiten synodalen Prozess des Papstes begrüßt und mit dem Synodalen Weg in Deutschland verglichen. Der Dogmatiker Jan-Heiner Tück glaubt nicht an diese Vorbildrolle – und sieht Spannungspotenzial.

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Der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück hat Aussagen kritisiert, nach denen der vom Vatikan initiierte weltweite synodale Prozess das übernehme, was beim Synodalen Weg in Deutschland bereits praktiziert werde. "Die Rede von der Vorreiterrolle klingt allerdings etwas vollmundig. Franziskus hat bereits von Synodalität gesprochen, als in Deutschland davon noch kaum die Rede war", schreibt Tück in einem Gastbeitrag für die "Neue Zürcher Zeitung" am Montag. Zudem gehe es bei dem Prozess um Erneuerung des Glaubens, gerade auch in den Missionsländern Westeuropas. "Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Franziskus die Taktik verfolgt, den Synodalen Weg der Kirche in Deutschland und seine Fokussierung auf Macht- und Strukturfragen universalkirchlich einzuhegen."

Warnungen aus anderen Ländern wie den USA oder Italien, die Kirche in Deutschland stehe am Rande eines Schismas, hält Tück für überzogen, "aber die Spannungen haben zugenommen, seitdem auch einzelne Bischöfe in Deutschland römische Vorgaben scharf kritisiert haben. Ob Aufrufe zum 'Ungehorsam' fruchtbare Reformen hervorbringen können, ist zweifelhaft", so Tück.

Auch der vom Vatikan angestoßene weltweite synodale Prozess werde Dynamik und Unruhe bringen. "Bei allem Zuspruch, den der römische Vorstoß gefunden hat, die offene Bearbeitung angestauter Probleme wird konfliktreich sein", schreibt der Theologieprofessor. Einige würden von einem "modernitätskompatiblen Update von Kirche" träumen und weitreichende Reformen fordern, andere vor Anpassungen warnen. "Der synodale Weg garantiert nicht schon harmonische Lösungen, zumal der Papst zwischen synodaler Beratung und bischöflicher Entscheidung klar unterscheidet. Das dürfte nicht allen gefallen." Wenn der synodale Prozess der Weltkirche über ein "unverbindliches Brainstorming von Reformwünschen" hinausgehen solle, brauche er daher eine kluge Navigation und klare Zielvorgaben.

Machtdelegation auf Zeit ist nicht angestrebt

Durch den synodalen Weg für die Weltkirche wolle Papst Franziskus die kollegiale Ausübung des päpstlichen Primates weiter ausbauen und über die Bischöfe hinaus alle Instanzen einbeziehen. Synodalität sei nach Franziskus aber nicht mit dem Parlamentarismus moderner Demokratien zu vergleichen, so Tück. "Die bischöfliche Verfassung der katholischen Kirche steht einer vorhaltlosen Übernahme des Parlamentarismus entgegen." Die katholische Kirche kenne zwar auch Wahlen, aber "geistliche Berufung und sakramentale Ordination gehen nicht auf Mehrheitsentscheide zurück. Die Ausübung bischöflicher Autorität soll durch synodale Verfahren besser abgestützt werden, politische Machtdelegation auf Zeit ist damit aber nicht angestrebt."

Der Vatikan hatte Ende Mai angekündigt, einen mehrjährigen weltweiten synodalen Prozess zur Vorbereitung auf die Bischofssynode im Oktober 2023 zu starten. Der Prozess soll bereits im Oktober dieses Jahres mit einer diözesanen Phase starten, der sich eine Beratung in den Bischofskonferenzen und auf kontinentaler Ebene anschließen wird. Die Ergebnisse dieses Beratungsprozesses sollen dann von den Bischöfen bei ihrer Synode beraten werden. (cbr)