"Der Superbischof"
In besonderer Weise gehen die Artikel auf die Persönlichkeit des neuen Vorsitzenden ein, die mit seiner Statur in Einklang stehe. So verortet nicht nur Tagesschau.de Marx zwischen belastbarem Machtmenschen und nahbarem Kirchenmann. Er bringe Dinge klar auf den Punkt und mache sich damit an der Spitze nicht nur Freunde. "Wenn er nicht Kirchenmann geworden wäre, hätte er sich auch eine Karriere als Politiker vorstellen können, sagte Marx vor einigen Jahren. Mit seinem neuen Amt muss er beides sein."
Auch die Vielzahl an Posten, die der Kardinal bekleidet, sind ein wiederkehrendes Thema. "Reinhard Marx wird Europas Superbischof", titelt die Welt . Die Bischöfe hätten mit Marx ihren stärksten Mann zu Vorsitzenden gewählt, der "vor lauter Ämtern eigentlich schon vorher kaum noch laufen konnte." Für den Autor ein Zeichen dafür, "dass sie nach Jahren der Krisen und des kleinlauten Umgangs mit Rom nun wieder international mitspielen" wollten. Marx Auftreten scheine auf den ersten Blick nicht zu dem neuen Stil der Armut und Bescheidenheit zu passen, den Papst Franziskus im Vatikan eingeführt hat. Aber ausgerechnet der Pontifex aus Argentinien habe den Münchner Kardinal in den vergangenen zwölf Monaten besonders kräftig gefördert.
Theologisch konservativ - politisch eher links
Spiegel Online versucht unterdessen eine politische Einordnung des Sozialethikers. Als Kind aus einfachen Verhältnissen stehe der Autor der "Streitschrift für soziale Marktwirtschaft mit dem Titel 'Das Kapital'" eher links. So habe er sich für die 6.000 Beschäftigten des insolventen katholischen Weltbild-Verlags eingesetzt. Theologisch stehe Marx dem Papst nahe. Er habe betont, dass dessen Apostolisches Schreiben "Evangelii gaudium" als Orientierungsrahmen auch für die katholische Kirche in Deutschland gelten müsse.
Wie viele andere Medien auch sieht Spiegel Online zahlreiche Aufgaben auf den neuen Vorsitzenden zukommen: "Er muss Vertrauen zurückgewinnen, den Mitgliederschwund in der Kirche stoppen, die Kirchenfinanzen transparenter machen, den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen klären und sich irgendwann einmal auch zu dem Skandal um den Limburger Bischof Tebartz-van Elst äußern, über dessen Schicksal zeitnah entschieden werden soll."
"Das neue Gesicht der Deutschen Bischofskonferenz hat in vielen kirchenpolitischen Fragen bella figura gemacht", lobt die Frankfurter Allgemeine Zeitung den neuen Vorsitzenden der Bischofskonferenz. Es gebe nicht viele Bischöfe in Deutschland, die es an Statur mit dem Münchner Kardinal Reinhard Marx aufnehmen könnten, und das nicht nur in körperlicher Hinsicht.
„Das neue Gesicht der Deutschen Bischofskonferenz hat in vielen kirchenpolitischen Fragen bella figura gemacht.“
Beim Missbrauchsskandal etwa sei Marx der erste (und bislang einzige) gewesen, der sich durch eine akribische Sichtung der Akten einen Überblick über das sexuelle Fehlverhalten der Geistlichkeit und anderer kirchlicher Mitarbeiter Überblick verschafft habe, so die FAZ. Zudem habe er die Autoren des Abschlussberichts aufgefordert, kein Blatt vor den Mund zu nehmen.
Umstrittener Gewinner
Durchaus kritischer sieht die Süddeutsche Zeitung in Marx einen "umstrittenen Gewinner" und vor allem im Erzbistum München und Freising Bedenken, dass der Kardinal als "Multifunktionär", neben der Leitung des Erzbistums "mit seinen vielen offenen Baustellen", seinem Engagement auf Europaebene, im Kardinalsrat des Papstes und in seinem Wirtschaftsrat das Amt des Bischofskonferenzvorsitzenden nur nebenbei machen könne.
Anderen sei er zu vorwärtsdrängend, zu sehr Politiker, zu mächtig und machtbewusst. Er sei nachdenklicher geworden, weniger drängend und fordernd, wird dagegen Marx selbst zitiert. Der Auftrag des Papstes, an die Ränder der Existenzen zu gehen, barmherzig statt doktrinär zu sein, sei bei ihm angekommen, so die Schlussfolgerung der Süddeutschen. "Wie viel Handlung daraus wird, werden die kommenden sechs Jahre zeigen."
Auch Karin Wendlinger von Bayerischen Rundfunk stellt in ihrem Kommentar die Frage nach der Handlungsfähigkeit bzw. -bereitschaft Marx und ob der Kardinal in seinem neuen Amt eine Glaubensvision anbieten könne. Er wolle "die katholische Kirche aus ihrer ewigen Verbotszone herausholen". Dafür biete er an, sich mit allen Gläubigen auf den Weg zu machen und nach neuen Antworten zu suchen. Mit wirklich mutigen Schritten, wie Offenheit für das Diakonat der Frau oder ein freiwilliges Zölibat sei in seiner Amtszeit nicht zu rechnen, so ihre Prognose.
Eine Zerrissenheit des deutschen Episkopats diagnostiziert derweil der Stern angesichts der vier Wahlgänge, die es brauchte, um Marx zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz zu machen. Die Reihen der Bischofskonferenz seien nicht geschlossen, wenn es um die Zukunft der Kirche gehe. Für die Frage nach der Dialogfähigkeit und der Glaubwürdigkeit der Kirche werde Kardinal Marx auf mindestens zwei Ebenen Antworten suchen müssen: in Rom an der Seite von Papst Franziskus und in Deutschland als Mittler und Sprecher einer Bischofskonferenz, die selbst noch auf der Suche sei.