Diese Abgeordneten sind im Bundestag für Kirche und Religion zuständig
Auch wenn der Einfluss der beiden großen Kirchen auf die Bundespolitik in den vergangenen Jahren zurückgegangen ist, spielen Kirche und Religion als politische Themen im Bundestag weiterhin eine wichtige Rolle. Ob die Zukunft des kirchlichen Arbeitsrechts und der Staatsleistungen an die Kirchen, der Umgang mit dem Islam oder der Kampf gegen Antisemitismus – viele aktuell diskutierte Fragen berühren das Verhältnis von Staat, Religionsgemeinschaften und Gesellschaft. Für den Umgang mit diesen Themen haben alle Fraktionen im Parlament – mit Ausnahme der AfD – auch in dieser Legislaturperiode eigene religionspolitische Sprecherinnen und Sprecher ernannt oder gewählt. Katholisch.de stellt die Sprecherinnen und Sprecher vor.
SPD: Lars Castellucci
Lars Castellucci ist neben dem Grünen Konstantin von Notz im Kreis der religionspolitischen Sprecher der Einzige, der dieses Amt auch schon in der vergangenen Legislaturperiode innehatte. Damit kann der 47-Jährige bereits auf parlamentarische Erfahrung mit dem Themenfeld Kirche und Religion verweisen. Castellucci ist evangelisch und war in seiner Kirche in der Vergangenheit unter anderem als Leiter eines Kirchenchors und als Vorsitzender der Bezirkssynode im Kirchenbezirk Wiesloch aktiv. Seit 2016 ist er zudem Mitglied in der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Deutlich positionierte sich Castellucci in den vergangenen Wochen wiederholt zur Missbrauchsaufarbeitung in der katholischen Kirche. Nach der Veröffentlichung des Münchner Missbrauchsgutachtens etwa erklärte er, dass Gutachten dieser Art im Rahmen der Kirchen nur die Spitze des Eisbergs ans Licht brächten. "Die Aufarbeitung funktioniert derzeit nicht und kann so, wie sie betrieben wird, auch überhaupt nicht funktionieren", so der SPD-Politiker wörtlich. Als Konsequenz sprach sich Castellucci unter anderem für eine Aufwertung der unabhängigen Aufarbeitungskommission des Bundes aus. Im Einklang mit dem Koalitionsvertrag der Ampel fordert er zudem eine Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen. Dies müsse in dieser Legislaturperiode eingeleitet werden.
CDU/CSU: Thomas Rachel
Bereits seit 1994 sitzt Thomas Rachel für die CDU im Bundestag, er ist damit einer der erfahrensten Abgeordneten seiner Fraktion. Der 59-jährige Protestant ist zudem umfangreich kirchlich engagiert. Unter anderem ist er Landessynodaler der Evangelischen Kirche im Rheinland, stellvertretendes Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und seit 2015 Mitglied im Rat der EKD, dem höchsten Leitungsgremium der evangelischen Kirche. In der Union ist er bereits seit 2003 Bundesvorsitzender des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU (EAK).
Als kirchenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion ist Rachel dem früheren Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe nachgefolgt, der das Amt in der vergangenen Legislaturperiode innegehabt hatte. Nach seiner Wahl erklärte Rachel: "Als Fraktion mit dem C ist das christliche Menschenbild die Grundlage, der Kompass und die gelebte Wertvorstellung, anhand der wir politische Fragen diskutieren und dann verantwortliche Entscheidungen treffen wollen." In der Diskussion um das "C" im Parteinamen erklärte er den Buchstaben und seine Bedeutung jüngst zum "wahren Schatz" der Union. Das "C" sei der wesentliche Garant dafür, dass „wir auch in Zukunft in der Breite und Mitte der Gesellschaft verwurzelt bleiben". Und weiter: "Schafft die CDU das C ab, schafft sie sich selbst ab."
Grüne: Konstantin von Notz, Lamya Kaddor und Marlene Schönberger
Bei der Zuständigkeit für die Themen Kirche und Religion gehen die Grünen in dieser Legislaturperiode einen neuen Weg. Statt nur eine Sprecherin oder einen Sprecher zu benennen, kümmert sich künftig ein Dreierteam um diesen Bereich. Begründet wird dies mit dem starken Wachstum der Fraktion nach der Bundestagswahl. Neben Konstantin von Notz, der bereits in den vergangenen vier Jahren das Amt des Sprechers für Religion und Weltanschauungen innehatte, bearbeiten künftig auch Lamya Kaddor und Marlene Schönberger diese Themen. Von Notz ist den Angaben zufolge dabei für den Bereich Christentum/Kirche zuständig, Kaddor für Islam und Schönberger für Judentum/Antisemitismus. Federführend koordiniert werde die Arbeit von Kaddor.
Von Notz sitzt seit 2009 im Bundestag und hat sich in den ersten Jahren unter anderem als Mitglied im NSU-Untersuchungsausschuss und als Experte für Netzpolitik einen Namen gemacht. In dieser Funktion rief er die beiden großen Kirchen in Deutschland 2015 dazu auf, sich stärker in die Debatte über die Digitalisierung einzuschalten; es gehe dabei um wichtige Weichenstellungen des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Deutlich bezog der 51-Jährige zudem wiederholt Stellung gegen religionspolitische Forderungen der AfD. Von Notz ist evangelisch und ist laut eigener Aussage durch die evangelische Jugendarbeit zum "frommen Protestanten" geworden, der selbst im säkularen Berlin mit seiner Familie eine Anbindung an eine kleine Gemeinde habe. Zugleich betonte er 2019 in einem Interview, dass er großes Verständnis für säkular bewegte Menschen habe. "In meinem persönlichen Umfeld bildet sich die Pluralität unseres Landes gut ab und das finde ich schön so", so von Notz.
Kaddor ist im Herbst neu in den Bundestag gewählt. Die 43-Jährige ist Tochter syrischer Einwanderer und wurde in Ahlen in Westfalen geboren. Sie studierte unter anderem Islamwissenschaft und Erziehungswissenschaft und hatte Lehraufträge an verschiedenen Hochschulen in Nordrhein-Westfalen. Nach dem Erteilen der islamischen Lehrerlaubnis unterrichtete sie seit 2013 das ordentliche Unterrichtsfach Islamische Religion. 2010 gründete sie in Köln zusammen mit einigen anderen Muslimen den Liberal-Islamischen Bund und ist dort erste Vorsitzende.
Schönberger ist ebenfalls neu im Bundestag. Die 31-Jährige kommt aus dem bayrischen Landshut, studierte Politikwissenschaften und schloss den Studiengang vor vier Jahren mit dem Master ab. Sie arbeitete vor ihrem Einzug in den Bundestag unter anderem als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bayerischen Landtag. Im Dezember erklärte sie bei einer Podiumsdiskussion des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks, der Koalitionsvertrag der Ampel biete eine gute Grundlage für die Förderung jüdischen Lebens in Deutschland. Er enthalte einen "klaren Fokus", der auf der Bekämpfung von Antisemitismus und Verschwörungsmythen liege. Zugleich müsse man aber auch mehr über die Vielfalt innerhalb der jüdischen Kultur sprechen sowie Kunst, Kultur und wissenschaftliche Projekte fördern.
FDP: Sandra Bubendorfer-Licht
Als Nachfolgerin von Benjamin Strasser hat bereits Mitte Dezember Sandra Bubendorfer-Licht das Amt der religionspolitischen Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion übernommen. Die 52-Jährige sitzt seit 2019 im Bundestag, damals rückte sie für den verstorbenen Abgeordneten Jimmy Schulz nach. Bei der Bundestagswahl im September zog Bubendorfer-Licht über die bayerische Landesliste der FDP erneut in das Parlament ein. Dort ist sie in dieser Legislaturperiode unter anderem Obfrau ihrer Partei im Ausschuss für Inneres und Heimat. Laut der Internetseite des Bundestags ist Bubendorfer-Licht katholisch.
Über ihre kirchen- und religionspolitischen Standpunkte ist bislang wenig bekannt. Seitdem sie das Amt der religionspolitischen Sprecherin übernommen hat, hat sie sich auf ihrer Facebook-Seite aber bereits ein paar Mal zu kirchlichen und religiösen Themen geäußert. Unmittelbar nach ihrer Amtsübernahme erklärte sie etwa: "Religionsgemeinschaften sind ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft und die Religionsfreiheit ist ein hohes Gut, das im Grundgesetz verankert ist. Diese Freiheit zu schützen und das tolerante und gute Zusammenleben aller Religionen in unserer Gesellschaft zu ermöglichen, treibt mich an."
Nach der Aktion #OutInChurch, bei der sich 125 queere Menschen aus dem Raum der katholischen Kirche geoutet und unter anderem eine Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts gefordert hatten, dankte die Politikerin den Protagonisten "für ihren Mut und ihre Courage" und äußerte die Hoffnung, dass dies "der erste Schritt für eine tolerantere Kirche" sei. Zudem bekräftigte sie das Ziel der Ampelkoalition, "Missstände" im kirchlichen Arbeitsrecht anzugehen. Unberechtigte kirchliche arbeitsrechtliche Privilegien müssten der Vergangenheit angehören, so Bubendorfer-Licht.
AfD: Beatrix von Storch
Die AfD, die von ihrer Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel einst als "einzige christliche Partei, die es noch gibt" bezeichnet wurde, hat als einzige Fraktion bislang noch keinen religionspolitischen Sprecher gewählt. Stattdessen wird das Themenfeld nach Angaben eines Sprechers derzeit von der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Beatrix von Storch abgedeckt. In der vergangenen Legislaturperiode hatte Volker Münz das Amt inne, er verpasste bei der Bundestagswahl im September jedoch den Wiedereinzug in das Parlament.
Von Storch ist eines der bekanntesten und umstrittensten Gesichter der AfD. Immer wieder meldet sich die 50-Jährige im Parlament oder den sozialen Netzwerken mit lautstarken und provozierenden Stellungnahmen zu Wort – auch zu Themen aus dem Bereich Kirche und Religion. Unter anderem positionierte sich die Protestantin, die bereits mehrfach am jährlichen "Marsch für das Leben" in Berlin teilgenommen hat und strikte Abtreibungsgegnerin ist, in den vergangenen Jahren in den Debatten zum Strafrechtsparagrafen 219a, der das Werbeverbot für Abtreibungen regelt, demnächst aber wohl von der Ampelkoalition abgeschafft wird.
Wiederholt geriet von Storch auch mit den Kirchen aneinander. Kritik von evangelischen und katholischen Amtsträgern an der AfD konterte sie wiederholt mit Vorwürfen gegen die Kirchen. Vorwürfe des Kolpingwerks an der Partei brandmarkte sie 2019 etwa als "unglaubliche Entgleisung". Außerdem forderte sie in der Vergangenheit ein Ende der Kirchensteuer.
Linke: Petra Pau
Petra Pau ist ein politisches Schwergewicht in der Linksfraktion: Sie ist die dienstälteste Abgeordnete ihrer Partei im Bundestag, war von 2000 bis 2002 und noch einmal von 2005 bis 2008 stellvertretende Fraktionsvorsitzende und ist seit 2006 für die Linke eine der Vizepräsidentinnen des Parlaments und damit inzwischen auch das dienstälteste Mitglied im Bundestagspräsidium. Das Amt der religionspolitischen Sprecherin ist allerdings neu für sie – hier folgte sie Mitte Januar auf die langjährige Sprecherin Christine Buchholz, die den Wiedereinzug in den Bundestag bei der Wahl im September verpasst hatte.
Das Themenfeld Religion ist Pau, die nach eigenen Angaben in der zehnten Klasse aus der evangelischen Kirche ausgetreten ist, jedoch nicht fremd. Unter anderem engagiert sie sich bereits seit vielen Jahren gegen Antisemitismus und stellt etwa im Bundestag regelmäßig Anfragen zu antisemitischen Straftaten. Außerhalb des Parlaments ist die gebürtige Berlinerin unter anderem Mitglied im Kuratorium des Deutschen Koordinierungsrates der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit sowie im Kuratorium der von der Jüdischen Gemeinde zu Berlin errichteten Heinz-Galinski-Stiftung, die sich der Förderung der Religion, der Toleranz, der Bildung und des Völkerverständigungsgedankens verschrieben hat.
Zu den Kirchen hat Pau ein ambivalentes Verhältnis. Einerseits forderte die Politikerin die Kirchen in der Vergangenheit zu einem stärkeren politischen Engagement auf ("Ich wünsche mir Kirchen, die sich ausgehend von ihren humanistischen Wurzeln viel mehr gesellschaftlich und vernehmbarer einmischen"). Andererseits geriet sie 2008/2009 in einen scharfen Konflikt mit Vertretern der katholischen Kirche, die sich im Rahmen der Initiative "Pro Reli" für eine Aufwertung des Religionsunterrichts an Berliner Schulen einsetzten. Pau warf Kirchenvertretern damals einen "Kreuzzug" und "Angriff statt Aufklärung" vor.