Kardinal Kasper sieht Synodalen Weg nicht in der Tradition des Konzils
Kardinal Walter Kasper sieht den deutschen Synodalen Weg nicht in der Tradition der Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils. In einem Interview mit der Zeitschrift "Communio" sagte der ehemalige Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, dass die katholische Kirche nur dann Zukunft haben könne, "wenn sie auf dem vom II. Vatikanum eingeschlagenen Weg weitergeht, nicht buchhalterisch, sondern in schöpferischer Treue und in synodaler Weggemeinschaft, im gemeinsamen Hören auf Gottes Wort und im Hören aufeinander." Das sei dem Synodalen Weg aber misslungen: "Er hat bei mir und vielen anderen den Eindruck erweckt, er könne und müsse die Kirche sozusagen neu erfinden und dabei seine eigene Agenda durchdrücken." Kasper hofft stattdessen auf den von Papst Franziskus angestoßenen weltweiten synodalen Prozess.
Der Kardinal betonte, dass sich die Kirche nicht in erster Linie mit sich selbst und ihren eigenen Problemen beschäftigen "und sich in inneren Auseinandersetzungen auseinanderdividieren" dürfe. Es geht letztlich um mehr als nur um eine Vertrauenskrise angesichts des Missbrauchs: "Das Grundproblem, vor dem wir stehen, ist eine Gotteskrise", ist Kasper überzeugt. Die Kirche müsse "die unverkürzte Botschaft des ein für alle Mal ergangenen Evangeliums von Gott und seinem alle und alles umfassenden Heilsplan in Jesus Christus in die Mitte stellen und ins Heute übersetzen". Dazu müsse sie danach streben, ihre Katholizität in Einheit und Vielfalt zu realisieren. Eine große Herausforderung sei dabei, dass es in der westlichen Welt nicht mehr um atheistischen Protest gegen Gott gehe, sondern um eine weit verbreitete Gleichgültigkeit gegenüber der Gottesfrage: "Die Erneuerung der kirchlichen Strukturen interessiert dann nur noch Kirchenfunktionäre, für die Mehrheit ist sie irrelevant", so Kasper weiter.
Für die Kirche in Europa geht der Kardinal davon aus, dass sie als Diasporakirche kleiner und bescheidener dastehen werde. "Ihre äußere Schwäche kann neue Stärke sein, wenn sie selbst arm, sich solidarisch der wachsenden Zahl der Armen zuwendet und in den Wunden der Welt die Wunden Gottes entdeckt", sagte der ehemalige Bischof von Rottenburg-Stuttgart.
Konzil im Grunde konservativ
Die Theologie des Zweiten Vatikanums sei für Kasper ein bleibender Bezugspunkt seiner Theologie und seines Wirkens als Bischof. Das Konzil habe eine Erneuerung und eine Reform der Kirche eingeleitet, wie sie im 20. Jahrhundert keine andere Kirche aufweisen könne. Dieser Neuaufbruch sei aber nicht als Bruch mit der Tradition der Kirche gedacht gewesen, "vielmehr als ein Aufbruch zu einem umfassenderen lebendigen Verständnis der Tradition und Katholizität". Die damals als progressiv bezeichneten Kräfte waren nach Ansicht des Kardinals im Grunde konservativ, "weil sie auf die biblische und die patristische Tradition zurückgriffen, um damit Verengungen der jüngeren nachtridentinischen und der neuscholastischen Tradition" aufzubrechen.
Kasper wandte sich auch gegen eine allzu einfache Gegenüberstellung von konservativ und progressiv: Bewahren und Erneuern seien zwei Seiten einer Medaille. Tradition müsse in einem Prozess verstanden werden, so der Kardinal: "Was die Kirche einmal als endgültig verkündet und geglaubt hat, kann später nicht auf der Schutthalde der Geschichte landen, kann aber auch nicht im Gefrierfach eines Kühlschranks aufbewahrt werden."
Kasper gehört zu den deutlichen Kritikern des Synodalen Wegs. Bereits häufiger hatte er betont, dass Reformen zwar nötig seien, die Kirche aber nicht beliebig veränderbar sei. Anlässlich des 60. Jahrestags der Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962–1965) bezogen sich die beiden Präsidenten des Synodalen Wegs positiv auf das Konzil. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing, sah das Zweite Vatikanum prägend für den Weg der Umkehr und Erneuerung. So wie beim Konzil gelte es auch beim Synodalen Weg, "die Zeichen der Zeit im Licht des Evangeliums zu deuten, Erstarrungen aufzubrechen." Ähnlich äußerte sich auch die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp. Sie mahnte an, sich nicht auf den Visionen vergangener Jahrzehnte auszuruhen: "Die Welt dreht sich weiter, und eine Kirche, die das nicht spürt, kommt nicht mehr mit. Heute ist die Gleichberechtigung von Frauen, ist die Akzeptanz geschlechtlicher Vielfalt in der Gesellschaft und das Verlangen nach Macht- und Gewaltenteilung bei Entscheidungsprozessen in der Kirche drängend." (fxn)