"Auch beim Geld hat der Erzbischof das Sagen"

Kirchenrechtler: Woelki kann Kirchensteuerrat bei Hochschule aushebeln

Veröffentlicht am 29.11.2022 um 10:59 Uhr – Lesedauer: 

Mainz/Köln ‐ Wie soll die umstrittene Kölner Theologie-Hochschule künftig finanziert werden? Damit beschäftigt sich jetzt der Kirchensteuerrat des Erzbistums. Doch über dessen Votum könnte sich Kardinal Woelki hinwegsetzen, erklärt Kirchenrechtler Matthias Pulte im Interview.

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Mit einem höchst umstrittenen Projekt befasst sich der Kirchensteuer- und Wirtschaftsrat des Erzbistums Köln am kommenden Samstag: mit der von Kardinal Rainer Maria Woelki vorangetriebenen Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT). Das Finanzgremium beschließt den Wirtschaftsplan 2023 – und damit auch, ob und in welcher Höhe künftig Kirchensteuern zur Finanzierung der Hochschule fließen sollen. Kritiker halten die Millionenausgabe für unnötig, da es mit der Katholisch-Theologischen Fakultät in Bonn ein ausreichendes Angebot gebe. Über ein Nein des Rates könnte sich der Erzbischof aber letztlich hinwegsetzen, wie der Mainzer Kirchenrechtler Matthias Pulte am Dienstag im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erläutert.

Frage: Herr Professor Pulte, 2020 hat das Erzbistum die Hochschule der Steyler Missionare in Sankt Augustin übernommen und baut diese nun als KHKT in Köln neu auf. In mehreren Gremien des Erzbistums sagte Woelki zunächst zu, dass für die Einrichtung keine Kirchensteuermittel fließen sollen. Die Anschubfinanzierung aus einem Fonds des Erzbischofs geht aber jetzt zur Neige und die fest eingeplanten Zuwendungen von Sponsoren scheinen nicht auszureichen. Bleibt also nur die Kirchensteuer. Kann der Kirchensteuerrat dem Erzbischof diese verweigern?

Pulte: Die Rechtslage hinsichtlich des Kirchensteuer- und Wirtschaftsrates der Erzdiözese ist komplex. Maßgeblich ist eine 2016 erstellte Ordnung, die auf dem weltweit geltenden Kirchenrecht fußt. Danach hat der Erzbischof in der Finanzverwaltung eine sehr umfassende Vollmacht, die kaum wirklich effektiv eingehegt ist. Auch beim Geld hat der Erzbischof das Sagen.

Frage: Welche Kompetenz hat denn der Kirchensteuer- und Wirtschaftsrat?

Pulte: Im Grunde kommt ihm nur eine beratende Funktion zu. Nach Artikel 6 der Ordnung erstellt zunächst der Ökonom der Erzdiözese – in Köln der Finanzdirektor – den Haushaltsplan. Dabei ist er gehalten, die vom Erzbischof vorgegebenen Eckpunkte oder Richtlinien zu berücksichtigen, also die von ihm bestimmten inhaltlichen Schwerpunkte. Und die sind nicht verhandelbar. Der Rat kann sich zwar gegen bestimmte Vorhaben – etwa die Hochschule – aussprechen. Aber er ist nicht frei, die perspektivischen Vor-Entscheidungen des Erzbischofs auszuhebeln.

Bild: ©KNA/Julia Steinbrecht

Matthias Pulte ist Professor für Kirchenrecht, Kirchliche Rechtsgeschichte und Staatskirchenrecht an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Frage: Aber der Kirchensteuer- und Wirtschaftsrat – kurz Kiwi – muss dem Wirtschaftsplan doch zustimmen?

Pulte: Ja. Und die in dem Gremium vertretenen Finanzexperten haben darauf zu achten, ob für die vom Erzbischof vorgegebenen inhaltlichen Schwerpunkte auch die Mittel zur Verfügung stehen. Stimmt der Rat den Eckpunkten oder nur einem der inhaltlichen Schwerpunkte nicht zu, verweigert er also dem Jahreswirtschaftsplan seine Zustimmung, kommt es entsprechend der Ordnung zu einer Vermittlung. In einer Sondersitzung werden dann die strittigen Punkte erneut verhandelt, allerdings immer unter "Beachtung der Richtlinienkompetenz des Erzbischofs", wie es in Artikel 11 heißt. Vielleicht bewegt sich dann die eine oder die andere Seite. Vielleicht kommt es zu einem Kompromiss ...

Frage: ... oder es bleibt beim Dissens.

Pulte: In diesem Fall kann der Erzbischof den Rat per Dekret auflösen und den erarbeiteten Wirtschaftsplan in Kraft setzen. Das wäre natürlich ein Super-GAU. An dieser Norm zeigt sich aber die nahezu unumschränkte Vollmacht des Bischofs in seiner Diözese. Der Erzbischof hat nicht nur eine Richtlinienkompetenz, er kann seinen Willen auch gegen das Votum des Rates stets durchsetzen. Eine gerichtliche Überprüfung, wie etwa im staatlichen Recht, gibt es nicht. Das alles entspricht den Vorgaben des Kirchenrechts.

Frage: Die letzten Monate haben gezeigt, wie sehr der Erzbischof für das Projekt brennt. Dem Kiwi hat er erklärt, dass die KHKT für ihn einen "pastoralen Schwerpunkt" darstelle. Laut Erzbistum hat er die KHKT damit aber nicht als Eckpunkt für die Haushaltsplanung definiert. Wenn es gegen den Willen des Kiwi aber doch dazu käme, ...

Pulte: ... müsste das Erzbistum sehen, wie die Hochschule aus den zur Verfügung stehenden Mitteln finanziert wird. Eventuell muss es dann Einsparungen in anderen Bereichen geben. Die Verantwortung für die Gewichtung der Geschäftsfelder liegt beim Erzbischof.

Kölner Hochschule für Katholische Theologie
Bild: ©KNA/Annika Schmitz

Die Kölner Hochschule für Katholische Theologie (KHKT).

Frage: Aber eine solche Machtfülle wird in der gegenwärtigen kirchlichen Reformdebatte Synodaler Weg massiv infrage gestellt.

Pulte: Die katholische Kirche ist keine Demokratie. Und es bleibt einem Ortsbischof überlassen, wie er sein Amt versteht: ob er wie der Bischof von Münster sein Amt synodal auffasst und sich an das Votum seiner Gremien halten will. Oder aber ob er die Entscheidungen seiner Räte übergeht und das traditionelle Amtsverständnis eines absolutistischen Monarchen pflegt.

Frage: Das Erzbistum erwartet in den kommenden Jahren aufgrund der Austritte und der sinkenden Tauf-Quote einen deutlichen Rückgang der Einnahmen und strebt in der laufenden Dekade eine Absenkung des Haushalts um 12,5 Prozent an. Angesichts dessen halten Kritiker die KHKT für ein überflüssiges Projekt, zumal die theologische Fakultät an der Uni Bonn bereits staatlich finanziert ist. Welche Belastungen kämen auf die Erzdiözese zu?

Pulte: Aktuell verbraucht die Hochschule rund drei Millionen Euro pro Jahr. Angesichts des Finanz- und Vermögensvolumens der Erzdiözese ist das ein überschaubarer Betrag. Früher hätte man gesagt, das zahlt man aus der Portokasse. Doch der Kirchensteuer- und Wirtschaftsrat hat Folgendes zu beachten: Die Kosten für die Hochschule werden perspektivisch steigen – viele Lehrstühle sind noch gar nicht besetzt und die Pensionen auch künftiger Mitarbeitenden sind zu sichern. Mit einem einmaligen Ja zu der Hochschule würde der Kiwi einem "never ending process" zustimmen – also dauerhaften und von Preissteigerungen getriebenen Verbindlichkeiten. Es geht letztlich um hohe Summen.

Frage: Nach Ansicht von Woelki muss sich die Kirche wegen der stetig sinkenden Zahl an Christen darauf vorbereiten, dass die staatlich finanzierten theologischen Fakultäten verloren gehen könnten.

Pulte: Das Argument stimmt definitiv nicht. Seit Gründung der Bundesrepublik hat der Staat kein einziges Mal einseitig eine theologische Fakultät infrage gestellt.

Frage: Der Erzbischof verweist aber auf die 2007 erfolgte Herabstufung der theologischen Fakultäten in Bamberg und Passau auf Institute.

Pulte: Die vom bayerischen Rechnungshof eingeforderte Reduzierung war aber kein einseitiger Akt des Staates. Sie basierte auf einer Einigung zwischen Bayern und dem Vatikan. Die Sorge ist unberechtigt, dass der Staat ein unzuverlässiger Partner ist. Das gilt ganz besonders für Nordrhein-Westfalen. Das Land hat sich im Gerangel um die KHKT eindeutig zur Bonner Fakultät bekannt. Und es hält sogar an der Bochumer katholischen Fakultät fest, obwohl dort der Kernbereich Priesterausbildung gar nicht mehr existiert.

Von Andreas Otto (KNA)