Diese schaurigen Dämonen haben die Christianisierung überlebt

Blutiger Thomas, Knecht Ruprecht und Luzi: Perchtengestalten im Advent

Veröffentlicht am 17.12.2022 um 12:00 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Viele heilige Männer und Frauen werden in der Adventszeit verehrt. Doch vor der Christianisierung war der Dezember eine Zeit, in der Geister und Dämonen ihr Unwesen trieben. Manche sind mit den Heiligen verschmolzen und treiben bis heute ihr Unwesen.

  • Teilen:

Sankt Martin und Nikolaus, Barbara und Luzia: Manche Namen sind fest mit der Adventszeit verbunden. Und es sind Namen, die Freude auslösen, weil mit ihnen ein besonderes Brauchtum verbunden ist, das viele Menschen fröhlich stimmt. Daher passen sich diese Bräuche gut in den Advent ein. Denn der Advent ist eine besinnliche Zeit, eine fröhliche Zeit, die Zeit der Vorfreude auf die Wiederkunft Christi und auf das Weihnachtsfest.

Doch neben diesen Heiligen, die aufgrund ihrer Güte und Liebe zu den Menschen verehrt werden, gehören auch schaurige Schreckensgestalten fest zu den Wochen vor Weihnachten dazu. Zumindest in vielen Gegenden wird in diesen adventlichen Tagen noch das Andenken an solche furchteinflößenden Gestalten bewahrt. Das ist eine Vorstellung, die uns heutigen Menschen etwas fremd erscheint: Der Advent wird als "stille Zeit" begangen, es sind die heiligen Wochen der Vorbereitungszeit auf Weihnachten.

Die Geister der Weihnacht

Doch in vorchristlicher Zeit waren diese Tage rund um die Wintersonnenwende vor allem dadurch geprägt, dass man glaubte, das Tor zur Geisterwelt stehe in dieser Zeit offen. Dämonen kehren auf die Erde zurück, um die Menschen heimzusuchen und ihnen so manchen Schrecken einzujagen. Solche Gestalten bezeichnet man als "Berchten" oder "Perchten". Die Zeit um den 24. Dezember ist die dunkelste Zeit des Jahres. Und gerade in den Jahrhunderten, in denen es noch kein elektrisches Licht gab und die Menschen noch vom Geister- und Dämonenglauben erfüllt waren, ist dieser Zeitraum als besonders gefährlich angesehen worden. Kein Wunder eigentlich: Man muss nur heute einmal nachts einen Spaziergang über die Felder oder durch den Wald machen. So Manches wird auch heute noch unheimlich erscheinen und Furcht und Angst erregen. Die dunkle Zeit des Winters war für die Menschen damals ganz selbstverständlich mit solchen Dämonen und Geistern verbunden. Sie trieben in der Finsternis ihr Unwesen und suchten die Menschen heim, um sie zu erschrecken oder um sie in ihren Machtbereich hineinzuziehen.

Bild: ©stock.adobe.com/zatletic

Aus dem heiligen Martin ventwickelte sich die Schreckensgestalt des "Pelzmärtel". Er trieb vor allem in Franken und Schwaben sein Unwesen.

Nachdem man in unseren Breiten den christlichen Glauben angenommen hatte, verschmolzen die heidnischen Vorstellungen mit dem Christentum. So wird deutlich, warum heilige Menschen plötzlich in ihr Gegenteil verkehrt wurden: Aus dem heiligen Martin von Tours zum Beispiel entwickelte sich die Schreckensgestalt des "Pelzmärtel", der vor allem in Franken und Schwaben sein Unwesen trieb. Viele dieser Perchtengestalten, die in den Adventswochen die Dörfer aufsuchen, sind besonders in Bayern und im Alpenraum bekannt. Und vielleicht gibt es manchen, der sich noch an seine Kindheit erinnert, in der die Altvorderen von Begegnungen mit diesen unheimlichen Geistern erzählten.

Eine solche Perchtengestalt ist die "eiserne Berta", die manchmal auch als "wilde Berta" bezeichnet wird. Aus manchen Dörfern wird berichtet, dass an Martini (11. November) ein schlecht angezogener junger Bursche einen völlig mit Stroh verhüllten Mann durch bei anbrechender Nacht durch den Ort führt und die Kinder erschreckt. Diese Gestalt nannte man "Martinsbär" oder "Märtesberta". In der Adventszeit erscheint die Berta in einigen Orten am Abend und blickt durch die Fenster in die Stuben, um zu kontrollieren, ob die Kinder auch brav sind. Als Strafmittel schneidet die Berta den unartigen Kindern den Bauch auf und stopft Heu hinein oder füllt diesen mit Steinen. Rute und Sack werden selten als Attribute der Berta angeführt, mehrfach erscheint sie dagegen als Gabenbringerin. Die Kinder erhalten von der "eisernen Berta" mancherorts Äpfel, Nüssen oder Lebkuchen als Geschenke. Wann die Berta im Advent auftritt, ist unterschiedlich: In manchen Gegenden kommt sie am Barbaratag (04. Dezember), andernorts am 23. Dezember oder gar erst am Neujahrstag.

Eine blutrünstige Frau Holle und die heilige Luzia

Etwas weniger bekannt als die Berta ist eine andere Perchtengestalt, nämlich die Holle. In der Gegend um Coburg wird sie auch "wilde Holle" genannt. Die Hollegestalt tritt als alte Frau in dunklen, meist schwarzen, Kleidern auf und hat einen schwarzen Schleier vor dem Gesicht. Meist besitzt sie auch einen Buckel, eiserne Ketten sind häufig das Kennzeichen der Hollegestalten. Aus einer fränkischen Stadt ist überliefert, dass die Holle als Geisterscheinung in den zwölf heiligen Nächten die Menschen heimsucht. Und andernorts ist zu hören, dass die "Holle" mit einer Sichel den Bauch ungehorsamer Kinder aufschneidet.

Am 13. Dezember ist der Festtag der heiligen Luzia, die besonders in den skandinavischen Ländern eine große Verehrung erfährt. Die "Luzi", "Luz" oder "blutige Luz" ist mit einem weißen Betttuch überworfen und macht unter dem Tuch mit einem oder zwei Armen Bewegungen wie mit einem Schnabel. Der Erscheinungstag der "Luz" ist der Luzia-Tag am 13. Dezember.

Sechs Frauen in weißen Gewändern und mit Kerzen, die erste in der Reihe trägt zudem einen Kerzenkranz auf dem Kopf.
Bild: ©dpa/Frank Rumpenhorst

Das Luciafest am 13. Dezember ist ein vorweihnachtlicher Brauch in Schweden in Gedenken an die heilige Lucia. Ein Mädchen oder eine Frau spielen die "Lucia" und werden dazu mit einem Kranz aus Kerzen geschmückt.

Vor der Reform des liturgischen Kalenders durch das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) war der 21. Dezember der Festtag des Apostels Thoma. Also solcher hatte er in früheren Zeiten eine große Bedeutung und wurde mit hoher Festlichkeit begangen. Thomas gehört damit zu jenen Perchtengestalten, für die ihr Auftrittstermin, nämlich der 21. Dezember, namensgebend war. In einigen Regionen Frankens heißt er "Buckelthomas", andernorts "blutiger Thomas" oder "haariger Thomas". Die Thomasgestalten tragen die übliche Verkleidung: Mantel, Kapuze, schwere Stiefel; außerdem haben sie Rute und Sack bei sich. In einem Dorf erzählte man, das der "blutige Thomas" der Anführer des wilden Heeres sei, das in den zwölf heiligen Nächten sein Unwesen treibt. Der "blutige Thomas" war vor allem als Kinderschreck bekannt, der mit einem Messer bewaffnet ist.

In ganz Franken und weit darüber hinaus verbreitet ist der Knecht Ruprecht, der häufig zusammen mit dem heiligen Bischof Nikolaus auftritt. Der Ruprecht ist ein wild aussehender Mann, der Ketten, Rute und Sack als Attribute bei sich trägt. In der Adventszeit beobachtet der Ruprecht die Kinder, ob sie auch artig sind. Meistens erscheint der Ruprecht am 06. Dezember als finsterer Begleiter des Nikolaus.

Vorbilder ohne finstere Begleiter

Es ist eine ganz eigenartige Welt, die man mit den Perchtengestalten betritt. Eine Welt, die uns heutigen Menschen teils sehr befremdlich erscheint. Denn die Geschichten, die um diese schaurigen Gestalten erzählt werden, sind mehr als furchteinflößend und grausam. Es ist gut, dass wir in einer Zeit leben, in der immer mehr die Güte und Menschenfreundlichkeit dieser heiligen Männer und Frauen betont wird. Gerade der heilige Nikolaus entledigt sich immer mehr seiner finsteren Begleiter. Bischof Nikolaus war ja keiner, der den Menschen Angst machte, sondern einer, der wollte, dass sie glücklich, fröhlich und hoffnungsvoll sind. Deswegen verehren wir solche Menschen als Heilige, weil sie uns Vorbilder für ein gelingendes Leben sein können.

Trotzdem muss man auch die Vergangenheit ernst nehmen. Das Christentum war hier in Europa eben nicht immer heimisch. Es gab eine lange Zeitspanne, in der die Menschen an Geister und Dämonen als festen Bestandteil ihres Lebens glaubten. All das war mit der Christianisierung nicht plötzlich verschwunden. Manches wurde zwar transformiert, anderes hat sich mit dem christlichen Glauben vermischt und ist so weitertradiert worden. Denn auch die Furcht der Menschen, die gerade in diesen finsteren Dezembertagen so groß ist, war nicht verschwunden. Sie ist geblieben. Und damit sind auch die Perchtengestalten geblieben. So unheimlich sie uns heute erscheinen mögen, so selbstverständlich gehörten sie zu einer Welt dazu, in der sich die Menschen vieles noch nicht erklären konnten und in der vieles in den Bereich des Geister- und Dämonenglaubens abgeschoben wurde.

Von Fabian Brand