Synodaler Weg werde nicht die Massen in die Kirchen zurückbringen

Bischof Genn nach Missbrauchsskandal: "Ich möchte Macht abgeben"

Veröffentlicht am 22.12.2022 um 09:14 Uhr – Lesedauer: 

Essen/Münster ‐ Strukturen verändern, die Missbrauch in der Kirche ermöglicht haben: Dazu will auch Bischof Genn Macht abgeben. Er spricht zudem über Auswirkungen des Synodalen Wegs und seine Sympathie für Klimaproteste.

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Der Münsteraner Bischof Felix Genn mahnt mit Blick auf den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche konsequentes Handeln und deutliche Veränderungen an. "Für mich ist das die erschütterndste Erfahrung: dass Priester zu sowas fähig sind und Menschen dieses unsagbare Leid zufügen", sagte Genn der "Neuen Ruhr/Neuen Rhein Zeitung" (Donnerstag) im Hinblick auf ein im Sommer vorgelegtes Gutachten, das fast 600 Missbrauchsfälle und etwa 200 Täter seit 1945 für das Bistum Münster nennt.

Die Kirche habe aber Konsequenzen gezogen und "begonnen, Strukturen zu verändern, die sexuellen Missbrauch in der Vergangenheit mit ermöglicht haben". Dazu gehöre vor allem eine neue Verteilung von Macht und Verantwortung. Genn betonte: "Ich möchte Macht abgeben."

Auch der Krieg in der Ukraine habe ihn zutiefst erschüttert: "Ich kann mich an ein Zitat von Königin Elizabeth erinnern, die mal von einem Annus horribilis gesprochen hat", sagte Genn. "Wenn mitten in Europa ein Krieg ausbricht, dann ist das ein Schreckensjahr."

"Da sehe ich meine Aufgabe als Bischof..."

Derzeit seien viele Menschen in Sorge um Inflation und steigende Energiepreise, andere wiederum seien froh über wieder geöffnete Weihnachtsmärkte. "Aber ich erlebe in Begegnungen auch immer wieder Leute, die sich sehr ernsthaft Gedanken machen über den Krieg und die sich um den Zusammenhalt in der Gesellschaft sorgen. Da sehe ich meine Aufgabe als Bischof: Wenigstens für das, was uns an Verwerfungen noch drohen kann, zu sensibilisieren."

Gerade an diesem Weihnachten sei es eine besondere Herausforderung, die Botschaft vom "Frieden auf Erden" mit der Realität zu verknüpfen, so der Bischof. "Da bin ich immer noch von der Hoffnung getragen, dass Krieg nicht von Dauer sein wird, weil er nur zerstört und nur Leiden bringt. Der Krieg hat nicht das letzte Wort, sondern die Liebe wird siegen!" Deshalb werde er den Menschen an Weihnachten empfehlen, "der Botschaft der Weihnacht zu trauen und im Kleinen zu beginnen". In der Bibel werde der Freudenbote, der Frieden ankündigt, willkommen geheißen. "Das muss nicht immer ein Prophet sein, der da kommt. Das kann jeder von uns sein", sagte Genn.

Vierte Synodalversammlung
Bild: ©Synodaler Weg/Maximilian von Lachner (Archivbild)

Der Synodale Weg werde nicht die Massen in die Kirchen zurückbringen, sagt Bischof Genn, aber...

Auch wenn die Kirche Mitglieder verliere, wolle er die Menschen weiterhin einladen. "Es bleibt wichtig, sich für das Gute mit aller Kraft einzusetzen, aber auch mit dem Bewusstsein, dass unsere Kräfte begrenzt sind", so der Bischof. "Es gibt für die Kirche keinen Weg zurück, aber einen Weg nach vorne. Wir haben durchaus noch Potenzial und werden am Ziel festhalten, Menschen für die befreiende Botschaft Jesu Christi zu begeistern."

Der seit 2019 laufende Synodale Weg der katholischen Kirche in Deutschland werde nicht die Massen in die Kirchen zurückbringen, was auch nie das Ziel gewesen sei. "Es ist aber alternativlos, einander zuzuhören und Kirche dann neu zu gestalten", gab Genn zu bedenken. "Da ist im Rahmen des Synodalen Wegs schon sehr viel mehr bewegt und erreicht worden, als die Schlagzeilen es vermuten lassen." Im Synodalen Weg beraten deutsche Bischöfe und Laienvertreter über Themen wie Macht, Priestertum und Sexualmoral sowie die Rolle der Frauen in der Kirche.

Viel Sympathie für Klimaprotest – aber ohne Kleber

nn Verständnis für das Anliegen der Protestgruppe "Letzte Generation". "Ich sehe es mit großer Sympathie, dass junge Menschen für einen radikalen Wandel auf die Straße gehen, weil sie sich fragen, wie kommende Generationen auf dieser Welt leben werden", sagte der Bischof. "Ob es sein muss, dass man Kunstwerke beschmutzt und sich auf Straßen klebt – das würde ich eher nicht gutheißen."

Fest stehe jedoch: "Es braucht noch eine große innere Umwandlung. Es wird viel gesprochen, aber es wird noch zu wenig getan", betonte Genn. "Wir müssen die Bedrohung durch den Klimawandel noch sehr viel ernster nehmen", so der Bischof.

Mitglieder der Protestgruppe "Letzte Generation" blockieren seit Wochen immer wieder Straßen oder öffentliche Einrichtungen, indem sie sich dort festklebten. Ebenso bewarfen sie Kunstwerke mit Tomatensuppe oder Kartoffelbrei, um auf ihre Forderungen nach einer radikaleren Klimapolitik der Bundesregierung aufmerksam zu machen. (tmg/KNA)