Standpunkt

"Lehramtstreue" dispensiert nicht von selbstständigem Denken

Veröffentlicht am 10.02.2023 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 5 MINUTEN

Bonn ‐ Gewisse Kreise grenzen sich mit Begriffen wie "Lehramtstreue" oder "Romtreue" gerne von denen ab, die sich für Reformen in der Kirche einsetzen. Für Tobias Glenz ist das Ganze nicht nur traurig, sondern scheinheilig.

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Ob "Lehramtstreue" oder "Romtreue": Mit Schlagworten wie diesen grenzen sich gewisse Kreise gerne von denjenigen ab, die sich für Reformen in der katholischen Kirche einsetzen. Auf einschlägigen Internetportalen geht das Ganze einher mit einer massiven Herabwürdigung der Gegenseite. "Wir: die wahren Katholiken. Ihr: die sektiererischen Spalter." So stolz man in diesen Kreisen auf die eigene "Treue" auch sein mag, so traurig ist die Wahrheit: Hier wird blind geschluckt, was "von oben" kommt; hier wird das selbstständige Denken abgeschaltet.

Eine andere Richtung schlägt der deutsche Synodale Weg ein – das bevorzugte Angriffsziel der romtreuen Fraktion. Hier wurden die Zeichen der Zeit erkannt: Die katholische Kirche in ihrer derzeitigen Gestalt ist – mindestens in Europa – am Ende; die Mehrheit der Katholiken wünscht sich eine erneuerte, eine zukunftsfähige Kirche. Dass Deutschland hier voranschreitet und sich Gedanken über notwendige Reformen macht, hat jedoch nichts mit einer "Abspaltung von Rom" zu tun, wie dem Synodalen Weg immer wieder vorgeworfen wird. Es geht vielmehr darum, Rom zu zeigen: Da läuft etwas ganz gewaltig schief, da braucht es dringend Veränderungen – und die sollten wir gemeinsam angehen, um als Kirche überleben zu können. Ein solches Vorgehen ist nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht eines jeden Katholiken.

Solange nun der Vatikan gegen das deutsche Reformprojekt schießt, solange herrscht Zufriedenheit: Doch wie ist es mit der "Romtreue" bestellt, wenn auf einmal römische Entscheidungen der Vorstellung "Alles muss beim Alten bleiben" entgegenstehen? Beispielhaft sei auf die Reaktionen zur Einschränkung der vorkonziliaren Liturgie durch Papst Franziskus verwiesen: Da war in konservativen Kreisen auf einmal schärfste Kritik an Rom möglich. "Treue" also nur, wenn sie einem selbst gerade passt.

Dass der Vatikan auf die Wünsche des Gottesvolkes hören möchte, versucht er durch die laufende Weltsynode zu untermauern. Dass viele Länder ähnliche Vorstellungen von Kirche wie in Deutschland haben, wurde durch vorab geführte Umfragen deutlich. Wie ernst Rom es nun mit einer Beteiligung aller Katholiken wirklich meint oder ob es sich nur um eine Pseudo-Synode handelt, muss sich noch zeigen. Dokumente aus dem Vatikan lassen Skepsis aufkommen. Doch eine "Romtreue" kann keine Einbahnstraße sein: So wie der Vatikan Treue und Einheit von den Gläubigen einfordert, so muss auch er seinen Gläubigen treu sein und darf ihre Stimme nicht ignorieren.

Von Tobias Glenz

Der Autor

Tobias Glenz ist Redakteur bei katholisch.de.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.