Katharina Ganz über die Synodalversammlung und die Unruhe in den Orden

Generaloberin: Abstimmungen spiegeln Machtverhältnisse in Kirche wider

Veröffentlicht am 10.03.2023 um 15:59 Uhr – Von Benedikt Heider – Lesedauer: 

Frankfurt ‐ Die Synodalversammlung hat abgestimmt: Frauen sollen künftig in Eucharistiefeiern predigen dürfen. Schwester Katharina Ganz ist froh über den Beschluss. Gleichzeitig übt sie im Interview mit katholisch.de Kritik – auch, weil die Laienbeichte aus dem Dokument gestrichen wurde.

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Nach langem Ringen hat die Synodalversammlung in Frankfurt den Handlungstext "Verkündigung des Evangeliums durch Lai*innen in Wort und Sakrament" verabschiedet. Die Franziskanerin Katharina Ganz hat daran mitgearbeitet. Im Interview mit katholisch.de erzählt sie, warum sie dennoch nicht zufrieden ist und was die Konsequenzen in den Orden sein könnten, wenn sich weiterhin nur so langsam etwas ändert.

Frage: Schwester Ganz, der Text "Verkündigung des Evangeliums durch Lai*innen in Wort und Sakrament" wurde gerade angenommen. Wie fühlen Sie sich jetzt?

Ganz: Ich bin einerseits froh, dass der Text überhaupt noch angenommen und nicht abgelehnt wurde. Gleichzeitig bin ich zwiegespalten, denn es ist eine verweichlichte Fassung. Viele Themen, die uns im Frauenforum wichtig waren, sind doch wieder rausgeflogen, weil sich die Bischöfe einfach nicht durchringen konnten. Letztlich sind wir weit hinter dem zurückgeblieben, was wir eigentlich erreichen wollten. Zum Schluss gab es noch einmal bischöfliche Drohungen, dass der Text abgelehnt würde, wenn wir nicht bestimmte Themen herausnehmen. Hier werden die Machtverhältnisse in unserer Kirche eklatant widergespiegelt und man fühlt sich als Frau wie ein Wesen zweiter Klasse und als Handlanger für die Bischöfe.

Frage: Sie sprechen die kirchlichen Machtverhältnisse an. Das, was jetzt durchgegangen ist, besagt ja unter anderem, dass es bei der Taufe zum Beispiel Unterschiede in den Riten gibt. Wenn Laien taufen, sollen ausdeutende Riten wie die Chrisamsalbung entfallen. Weihbischof Puff warnte eben vor einer Zwei-Klassen-Taufe. Wie schätzen Sie die Unterscheidung ein, die der Text trifft?

Ganz: Ich glaube, die Frage ist noch nicht geklärt, ob bei der Taufe durch Laien die sogenannten ausdeutenden Riten, also eben die Salbung mit Chrisam, mit dazu gehören oder nicht. Das größere Problem ist für mich aber, dass die Taufe durch Laien eine Krücke ist, weil sie ein Ersatz zur Zulassung zu den Weiheämtern ist. Aber dieser Weg müsste eben über Rom führen. Eigentlich wünschen wir uns den freien Gang in der Kirche.

Frage: Wie bewerten Sie die Unterscheidung in den Riten?

Ganz: Ich finde das natürlich nicht gut. Die Taufe ist das grundlegende Sakrament in unserer Kirche. Aber wir kommen anders nicht weiter, weil wir immer an den Zulassungsbedingungen zum Amt scheitern.

Frage: Sie sagten im Statement in der Aula, dass sie die Diskussionen über die Rolle von Laien in der Kirche schmerzen. Was schmerzt Sie genau?

Ganz: Mich schmerzt, wie langsam es vorangeht. Die Erkenntnisse liegen doch schon seit Jahren auf dem Tisch und sie werden einfach nicht vom kirchlichen Lehramt rezipiert. Die Geschlechterdiskriminierung in unserer Kirche ist unerträglich und sie wird von den meisten Menschen nicht mehr verstanden. Gleichzeitig hören wir hier in der Aula bischöfliche Wortmeldungen, dass es bei den Reformtexten eigentlich um die Zurückdrängung von Klerikern gehe. Hier werden Tatsachen verdreht. Und mich schmerzt auch der Eindruck, es gehe letztlich immer wieder um Befindlichkeiten Kleriker, um ihre eigenen Privilegien und eben nicht um die Verantwortung als Amtsträger für das gesamte Volk Gottes. Die Bischöfe müssten dafür einstehen, eine streitbare Kirche zu sein, auch auf der Ebene der Weltkirche. Sie müssten auch hier theologisch die Dinge voranzubringen. Es schmerzt mich und macht mich traurig, dass wir immer wieder angewiesen sind, dass sich Bischöfe zu Anwälten für uns machen – für die Anliegen von Frauen oder von Queeren.

Fünfte Synodalversammlung
Bild: ©Synodaler Weg/Maximilian von Lachner

Am Freitagvormittag wurde der Handlungstext "Verkündigung des Evangeliums durch Lai*innen in Wort und Sakrament" in Zweiter Lesung nach langem Ringen mit einer Mehrheit von rund 90 Prozent verabschiedet.

Frage: Besonders wichtig war Ihnen die Laienbeichte, die die Bischöfe mit ihrem Antrag nun aus dem Text gekickt haben. Warum?

Ganz: Es gab die Laienbeichte schon im Mittelalter. Man hätte also einfach zu etwas zurückkehren können, was es in der Kirchengeschichte schon gab. Die Laienbeichte wäre insofern auch wichtig, weil wir missbrauchssensible Liturgien und Sakramente brauchen. Es gibt Betroffene sexualisierter Gewalt, die gerne beichten möchten, also das besondere Sakrament der Lossprechung und Vergebung empfangen möchten, die sich aber schwertun, sich bei einem geweihten Kleriker, einem Mann, auszusprechen. Ich selber habe schon geistliche Gespräche geführt mit Frauen, die sich eine Lossprechung wünschen, und die muss ich dann im Anschluss nochmal zu einem Priester schicken. Das sind unhaltbare Zustände. Es gibt aber natürlich auch Grauzonen, das haben viele Ordensfrauen ja vorhin auch im Plenum geäußert. Natürlich sind geistliche Begleiterinnen und Seelsorgerinnen auch Gesprächspartnerinnen, bei denen es um Versöhnung, Aussöhnung mit der eigenen Lebensgeschichte, mit Wunden und so weiter geht. Aber am Ende brauchen wir immer wieder noch mal einen Priester, der das Sakrament spendet.

Frage: Wie sieht das explizit in ihrem Kloster aus? Gibt es auch Situationen, wo Sie sagen, es ist egal, wer losspricht?

Ganz: Unseren älteren Mitschwestern, das muss ich ehrlich sagen, ist es sehr wichtig, dass der Priester kommt. Sie sind das auch so gewohnt. Bei den jüngeren Schwestern wird diese Lehre zunehmend hinterfragt. "Ja, warum brauchen wir immer den Hausgeistlichen und können nicht selber unsere Eucharistie feiern oder uns selber noch stärker sakramental beteiligen?", fragen sie mich.

Frage: Und dann?

Ganz: Es ist nicht einfach. Ich respektiere, dass es unterschiedliche Geschwindigkeiten gibt, auch in unserer Gemeinschaft. Und ich möchte nicht, dass es zu Spaltungen kommt. Aber ich nehme gerade bei Jüngeren eine Ungeduld wahr. Sie suchen und finden eigene Formen. Wir sehnen uns danach, als geistliche Gemeinschaft die Gegenwart Jesu Christi in Wort und Zeichen zu feiern. Und ob das dann Agapefeiern sind oder was auch immer, ist zweitrangig. Die Not wird uns herausfordern, neue Formen zu finden. Wenn sich auf dem offiziellen Weg nichts Entscheidendes verändert auf absehbare Zeit, wird sich bei uns und in anderen Gemeinschaften etwas verändern.

Von Benedikt Heider