Politologe: Kirche in Australien zögerlicher als in Deutschland
"Hören auf das, was der Geist sagt" – das war das Motto des australischen Plenarkonzils (2018-2022). Nahezu zeitgleich mit dem Synodalen Weg wurde dort um die Zukunft der Kirche in Australien gerungen. Einer der Mitglieder der Versammlung war der emeritierte Politikwissenschaftler John Warhurst. Er war Vorsitzender der Reformgruppe "Concerned Catholics" und hat bei der Tagung "Synode als Chance" in Würzburg von seinen Erfahrungen berichtet. Im katholisch.de-Interview erklärt er, was der Synodale Weg vom Plenarkonzil hätte lernen können – und umgekehrt.
Frage: Herr Warhurst, Sie waren Mitglied im Plenarkonzil der Kirche in Australien. Inwieweit ähneln die Grundannahmen dort denen des Synodalen Wegs in Deutschland?
Warhurst: Das Plenarkonzil war wie der Synodale Weg eine Synode, bei der sich eine Vielzahl von geweihten und Laienkatholiken getroffen hat, um über die Zukunft der Kirche zu entscheiden. Beide Prozesse waren im Geiste der Synodalität von Papst Franziskus und folgten auf eine Krise des sexuellen Missbrauchs an Kindern in der Kirche. Zu den Unterschieden gehört die Zusammensetzung und die Struktur der Kirche in jedem Land: In Australien gibt es zum Beispiel kein offizielles Laiengremium der Katholiken. Aber die Reformthemen sind ähnlich.
Frage: Welchen Unterschied macht es für die Reformbemühungen und die synodalen Prozesse, wenn es kein offizielles Laiengremium gibt?
Warhurst: Dadurch müssen Reformgruppen in Australien um ihre Anerkennung kämpfen. Wir haben keine offizielle Stimme und trotz unserer Bemühungen während des Plenarkonzils, als wir öffentliche Foren veranstaltet, Eingaben gemacht und Bücher veröffentlicht haben, waren wir immer Außenseiter. Wir hatten keinen Anspruch darauf, von den Bischöfen gehört zu werden. Ich war das einzige Mitglied einer Reformgruppe, das als Mitglied des Plenarkonzils ausgewählt wurde. In Deutschland wurde das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken beim Synodalen Weg von den Bischöfen gleichberechtigt anerkannt. Das war in Australien ganz anders.
Plenarkonzil
Ein Plenarkonzil ist die höchste Form einer Versammlung aller Ortskirchen eines Landes, das Entscheidungen im Hinblick auf die pastoralen Erfordernisse einer bestimmen Region treffen kann – sofern diese kompatibel mit der kirchlichen Lehre sind. Um ein Plenarkonzil einzuberufen, müssen sich die Bischöfe einer Bischofskonferenz darauf verständigen, der Apostolische Stuhl muss dem Vorhaben zustimmen. Auch die Durchführung eines Plenarkonzils ist Sache der Bischofskonferenz. Sie allein entscheidet über Beginn und Abschluss des Konzils, Konzilsordnung, Geschäftsordnung, das außerordentliche Teilnahmerecht und das Gastrecht. Ein Plenarkonzil ist in erster Linie eine Bischofsversammlung. Weitere Experten oder Beobachter können hinzugezogen werden, diese dürfen allerdings lediglich über ein "beratendes Stimmrecht" verfügen. Nach Abschluss eines Plenarkonzils gehen die Akten an den Apostolischen Stuhl, der sie seinerseits approbieren muss.
Den beiden Sitzungen des australischen Plenarkonzils im Oktober 2021 sowie im Juli 2022 ging ein dreijähriger Prozess der Befragung der Ortskirchen voraus. Es handelte sich um das fünfte Plenarkonzil in der Geschichte Australiens und um das erste seit 1937.
Frage: Wie unterscheidet die Kirchenleitung in Australien Ihrer Meinung nach von der in Deutschland?
Warhurst: Die Kirchenleitung in Australien scheint eher konservativ zu sein. Es fehlt an Führungspersönlichkeiten, die bereit sind, Reformen in Angriff zu nehmen, selbst wenn dies bedeutet, dass sie ihr persönliches Ansehen innerhalb der Weltkirche aufs Spiel setzen. Natürlich hat der Vatikan gegenüber einigen fortschrittlichen australischen Bischöfen eine harte Linie verfolgt und einen von ihnen sogar seines Amtes enthoben, was die übrigen verängstigt hat. Der Weg von reformorientierten Bischöfen ist nicht einfach, und oft werden sie von ihren Kollegen nicht unterstützt. Die jüngsten Einwanderungswellen haben auch die Kultur der australischen Kirche im Vergleich zum traditionellen "australischen" Weg eher in eine konservative Richtung gelenkt. So wachsen die neueren Kirchen des östlichen Ritus und ihre Kultur ist oft konservativer. Die Generation des Zweiten Vatikanischen Konzils verliert immer mehr an Einfluss.
Frage: Zurück zum Plenarkonzil: Was waren die wichtigsten Ergebnisse?
Warhurst: Die wichtigsten positiven Ergebnisse waren aus meiner Sicht die Einbeziehung der indigenen Spiritualität, die starke Unterstützung für integrale Ökologie und Papst Franziskus' Enzyklika "Laudato si", der Ruf nach einer neuen englischen Übersetzung der Liturgie, der Ruf nach einer Gleichberechtigung von Frauen und Männern – einschließlich Diakoninnen, wenn diese vom Papst erlaubt werden, mitverantwortliche Leitungsformen und regelmäßige synodale Treffen in jeder Diözese und Gemeinde.
Die größte Enttäuschung war dagegen die Weigerung, diese neuen Ausrichtungen auch vorzuschreiben, statt sich nur auf den guten Willen und das Urteilsvermögen einzelner Bischöfe und Priester zu verlassen. Es fehlte auch die Bereitschaft, die von Papst Franziskus angesprochenen Gefahren des Klerikalismus in vollem Umfang anzuerkennen, und die Weigerung, jene Minderheiten zu feiern und einzubeziehen, die von der offiziellen Kirche ausgeschlossen werden, darunter LGBTQIA*-Katholiken sowie Geschiedene und Wiederverheiratete. Der Wandel vollzieht sich nur langsam, und die erforderliche Zweidrittelmehrheit sowohl der Bischöfe als auch der gesamten Plenarkonzil-Versammlung verzögerte progressive Reformen.
Frage: In Deutschland ist noch nicht klar, ob zentrale Reformforderungen des Synodalen Wegs überhaupt umgesetzt werden können oder ob der Vatikan eingreift. Ist das in Australien "einfacher", weil die Form und die Themen schon vorher kirchenrechtlich strenger geregelt waren?
Warhurst: Das größte Problem in Australien wird nicht die Akzeptanz der Ergebnisse durch den Vatikan sein – obwohl wir das noch nicht wissen –, sondern die Bereitschaft der australischen Bischöfe, die Schlussfolgerungen des Plenarkonzils umzusetzen. Die Bischöfe sind, wie in Deutschland, gespalten, und einige Bischöfe werden sicherlich nicht dem Geist des Plenarkonzils folgen. Die Umsetzung wird daher lückenhaft sein. Australien war zögerlicher als Deutschland. Das ist wichtiger als die Unterschiede im Blick auf das Format der Synode.
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Frage: Scheitern die Reformen also gar nicht am Vatikan, sondern an den Ortsbischöfen?
Warhurst: Es gibt viele Reformen, die die Bischöfe bereits jetzt ohne die Zustimmung des Vatikan durchführen können. Sie mögen sich zwar davor fürchten, aber sie haben das Recht, dies in ihren eigenen Diözesen zu tun, denn die Bischöfe haben innerhalb ihrer Diözesen sehr viel Macht. Natürlich gibt es einige Fragen etwa zur Ordination von Frauen und verheirateten Männern, zu LGBTQIA+-Katholiken oder zur Laienpredigt, die vom Vatikan kontrolliert werden. Aber selbst in einigen dieser Fragen, wie zum Beispiel bei der Verkündigung, können unabhängig denkende Bischöfe auch unabhängig handeln. Manchmal ist die Ehrfurcht vor dem Vatikan nur eine Ausrede.
Frage: Wenn man beide Prozesse miteinander vergleicht: Was hätte der Synodale Weg vom Plenarkonzil lernen können – und was das Plenarkonzil vom Synodalen Weg?
Warhurst: Das Plenarkonzil hätte vom Synodalen Weg lernen können, gegenüber dem Vatikan mutiger zu sein. Der Synodale Weg hätte vom Plenarkonzil lernen können, die katholische Gemeinschaft umfassender zu konsultieren – wobei das Plenarkonzil dazu neigte, das, was bei diesen Konsultationen gesagt wurde, zu vernachlässigen.
Frage: Wie sollten synodale Prozesse in der Kirche Ihrer Meinung nach strukturiert sein?
Warhurst: Synodale Prozesse sollten auf regelmäßige Versammlungen und Synoden auf nationaler, diözesaner und Pfarreiebene aufgebaut werden. Zudem sollten einige der Teilnehmer gewählt und nicht ernannt werden. Die Synodalität sollte von einem demokratischen Geist geprägt sein, weil die Kirche die Demokratie nicht vernachlässigen darf. Die Synodalität sollte auch die praktischen Ergebnisse nicht vergessen. Das ist es, was sich die katholische Gemeinschaft verzweifelt wünscht.
Zur Person
John Warhurst ist emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der Australian National University (ANU) in Canberra. Er war Vorsitzender der "Concerned Catholics Canberra Goulburn" und Mitglied des Plenarkonzils. Über das Plenarkonzil und die Erneuerung der Kirche in Australien hat er zwei Bücher geschrieben.
Frage: Der Papst betont immer wieder, dass es bei synodalen Prozessen darum geht, auf den Heiligen Geist zu hören. Ist jemand, der sich verzweifelt nach Reformen in der Kirche sehnt, überhaupt offen für das Wirken des Heiligen Geistes?
Warhurst: Reformen zu wollen und eine Agenda für Veränderungen zu haben, bedeutet ja nicht, das Wirken des Heiligen Geistes auszuschließen. Jedes Kirchenmitglied – ob Bischof, Priester oder Laie – hat eine Agenda, wenn wir ehrlich sind. Ich bin offen für respektvolles Zuhören und Diskutieren, für den sensus fidei und für vernünftige Kompromisse. Für mich bedeutet das, offen für den Geist zu sein.
Frage: Derzeit läuft ein von Papst Franziskus initiierter weltweiter synodaler Prozess. Wie bewerten Sie das?
Warhurst: Ich bin enttäuscht, dass praktische Ergebnisse hinter einer allgemeinen Art, Kirche zu "machen", zurückstehen. Die Kirche entfernt sich von ihrer Mitverantwortung zugunsten einer schwächeren Form der Synodalität, die sich auf das gemeinsame Gehen beschränkt. Synodalität sollte die Entscheidungsfindung und Kirchenreformen nicht vernachlässigen.
Frage: Nach den Erfahrungen, die Sie auf dem Plenarkonzil in Australien gesammelt haben: Welche Erwartungen haben Sie an diesen synodalen Prozess – insbesondere im Hinblick auf konkrete Reformen?
Warhurst: Die Weltsynode ist ein hoffnungsvolles Zeichen für die Kirche. Die Gefahr besteht jedoch darin, dass sie aufgrund ihres riesigen thematischen Umfangs aus dem täglichen Leben der Katholiken verschwindet und stattdessen zu einem riesigen globalen Projekt wird. Sie darf sich auch nicht zu lange hinziehen: Unmittelbare Ergebnisse sind genauso wichtig wie Langzeitvisionen.