Deutschsprachige Gemeinden im Ausland – Teil 6

Pfarrer in Sydney: Gemeindezusammenlegung und bilinguale Messen

Veröffentlicht am 04.09.2021 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
Kirchen der deutschsprachigen Gemeinde in Sydney
Bild: © Privat

Sydney ‐ Seit neun Jahren wirkt Roland Maurer als Pfarrer der deutschsprachigen Gemeinde in Sydney – und genießt jeden Tag. Im katholisch.de-Interview spricht er auch darüber, wie der Fernsehmehrteiler "Die Dornenvögel" dazu beigetragen hat, dass er heute Pfarrer in Sydney ist.

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Wenn Pfarrer sich nicht gegen Covid-19 impfen lassen wollen, weiß Pfarrer Roland Maurer nicht, was er noch sagen soll. "Wir sind ja auch Beispielgeber", sagt er im katholisch.de-Interview. Und er erklärt auch, wieso er sich nur um "die Software" der Gemeinde kümmern muss – und wie bilinguale Messen aussehen. 

Frage: Herr Pfarrer Maurer, wie ist aktuell die Corona-Lage in Australien?

Maurer: Hier gelten andere Maßstäbe als in Deutschland. Hier geht es vor allem um Fallzahlen und da ist die Regierung immer sehr scharf. Im Prinzip ist ganz Australien im Lockdown – allerdings in unterschiedlichen Stufen. Das gilt auch für Sydney. Man muss sich Sydney in etwa wie das Ruhrgebiet vorstellen: Es gibt lauter Großstädte, die sich aneinanderreihen. Durch den Lockdown dürfen wir nur zum Einkaufen das Haus verlassen und uns nur in einem bestimmten Radius bewegen. Wer das Land verlassen will, braucht eine Ausnahmegenehmigung. Viele Deutsche fühlen sich deshalb an die DDR erinnert. Ich war deshalb auch seit 2019 nicht mehr in Deutschland.

Frage: Welche Auswirkungen hat die Pandemie auf Ihre Gemeinde?

Maurer: Alle Institutionen wie Schulen oder Gotteshäuser sind geschlossen. Im vergangenen Jahr war das auch schon so und hat uns auf dem falschen Fuß erwischt. Wir mussten dann von heute auf morgen umstellen und die Gottesdienste bei Facebook übertragen. Das wurde dann zunächst ein bisschen gelockert und zehn Leute durften wieder in die Kirche. Irgendwann wurde das angehoben, bis man wieder singen und die Kirche voll besetzen konnte. Jetzt ist aber wieder alles zurück auf null.

Frage: Vor einigen Wochen haben Sie bei Facebook einen Aufruf gepostet, in dem sie zu Corona-Impfungen aufrufen und erklären, wie das mit dem christlichen Glauben vereinbar ist. Haben Sie das aus eigenem Antrieb gemacht oder weil es in der Gemeinde Diskussionen gab?

Maurer: Beides. Obwohl Australien ein säkulares Land ist, weiß die Regierung durchaus, dass viele Menschen noch religiös geprägt sind und Geistliche als Multiplikatoren wirken können. Deswegen wird versucht, die Kirchen mit ins Boot zu holen, damit die Leute sich impfen lassen. Die meisten sind dafür, aber ich hatte auch schon Kontakt zu manchen Leuten per Telefon – teilweise sogar Pfarrer – die gesagt haben, dass sie das nicht brauchen oder wollen. Um dem Thema zu begegnen und die Leute zu animieren, sich impfen zu lassen, weil es nicht nur um die eigene Gesundheit, sondern auch um die Gesundheit der anderen geht, habe ich das Video aufgenommen. Wir hatten unlängst auch ein Gespräch mit dem Erzbischof, der sagte, dass wir bei möglichen Öffnungen nicht die "Covid-Polizei" machen werden. Wenn allerdings ein Pfarrer sagt, dass er sich nicht impfen lassen möchte, dann weiß ich auch nicht mehr, was ich sagen soll. Wir sind ja auch Beispielgeber.

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Frage: Wenn wir uns vom Thema Corona lösen: Wie sieht Ihr Gemeindeleben grundsätzlich aus, wenn man das mit einer Gemeinde in Deutschland vergleicht?

Maurer: Wir sind in vielen Punkten wie eine deutsche Gemeinde, die hier nach Sydney versetzt wurde – wobei wir langsam ein bisschen überaltern und es keine Jugendgruppen mehr gibt. Das liegt auch an unserem unheimlich großen Einzugsgebiet oder dem längeren Schultag vieler Kinder und Jugendlicher. Wir haben auch einen Pfarrgemeinderat. Hier gibt es allerdings einen Unterschied: Ich bin zwar Pfarrer, im rechtlichen Sinne allerdings Kaplan oder Rektor. Die Gemeinde hat einen gewählten Präsidenten. Ich bin Mitglied im Pfarrgemeinderat mit Sitz und Stimme, ich muss die Tagesordnung aber nicht erstellen und die Sitzungen nicht leiten. Das finde ich sehr entlastend. Und wenn ich etwas sage, hören die Mitglieder das auch anders an als in Deutschland.

Frage: Leitet bei Ihnen also ein Laie die Pfarrei?

Maurer: Jein. Die Gemeinde an sich wird schon von mir geleitet. Der andere Teil wird von einem Präsidenten geleitet. Wenn es also um kirchliche Dinge geht, ist das meine Aufgabe, in die dann auch niemand hineinreden will. Aber wenn es darum geht, wer beispielsweise den Bauunternehmer anruft, weil die Sandsteinmauer draußen repariert werden muss, muss ich das nicht verantworten. Die Hardware macht der Präsident, die Software mache ich.

Frage: Die katholische deutschsprachige Auslandsgemeinde in Sydney besteht eigentlich aus zwei Gemeinden, die zu einer zusammengeschlossen sind. Wie kam es dazu?

Maurer: In den 1950er Jahren gab es bereits mehrere deutsche Pfarrer hier. Einer stand dann unten am Hafen und hat die ankommenden Leute mit ersten Informationen versorgt. Das ganze Informationswesen war damals ja noch nicht so existent. Ein anderer Pfarrer hat dann das Gemeindeleben organisiert. Später gab es einen Pfarrer, der von sich aus hier geblieben ist, bis er gestorben ist, während die anderen Pfarrer gewechselt haben. Weil er sich sehr um Heimatvertriebene gekümmert hat, ist um ihn eine eigenständige Personalgemeinde entstanden. Als er dann aber in den Ruhestand gegangen ist, gab es nur noch einen Pfarrer, der für beide Gemeinden zuständig war. Es war ein langes Projekt, dann beide Gemeinden wieder zusammenzuführen, weil eine ganze Generation getrennt voneinander aufgewachsen ist.

Pfarrer Roland Maurer bei einem Gottesdienst
Bild: ©Privat

"Wir sind in vielen Punkten wie eine deutsche Gemeinde, die hier nach Sydney versetzt wurde", sagt Roland Maurer. Er ist Pfarrer der deutschsprachigen Gemeinde in Sydney.

Frage: Auf Ihrer Website steht, dass Sie die Messe auch bilingual auf Deutsch und Englisch feiern. Warum?

Maurer: Unsere Auswanderer sprechen noch hervorragend Deutsch und legen auch Wert darauf, dass alles auf Deutsch ist. Deren Kinder können nicht mehr so gut Deutsch und sind dann oft mit Menschen aus anderen Ländern verheiratet. Und die Enkel und Urenkel können oft noch weniger Deutsch. Im Gottesdienst habe ich dann oft Leute, die kein Wort Deutsch verstehen, aber mit dem Ehepartner oder den Eltern da sind. Denen wollen wir auch etwas bieten.

Frage: Wie sieht so ein Gottesdienst dann aus?

Maurer: Die Begrüßung mache ich gemischt, Deutsch und Englisch. Da wechsele ich dann beispielsweise hin und her. Die erste Lesung ist dann auf Deutsch, die zweite auf Englisch. Das Evangelium lese ich wieder in Deutsch. Die Predigt wird auch in Deutsch gehalten. Ich wiederhole sie dann anschließend noch einmal auf Englisch. Bei Hochzeiten oder Beerdigungen ist allerdings fast alles auf Englisch, weil ich dort dann meistens nur zehn Prozent deutschsprachige Teilnehmer habe.

Frage: Was war für Sie persönlich der Grund, als Pfarrer auf der anderen Seite der Erdkugel in Australien zu arbeiten?

Maurer: Ich wollte das schon immer machen. Als es an das Freijahr im Theologiestudium ging, war meine erste Überlegung, das an der nächsten Universität in Freiburg einfach schnell runterzureißen. Meine zweite Überlegung war, dass ich das Jahr für etwas nutze, das ich nie wieder machen kann. Etwa zur gleichen Zeit lief dieser legendäre Vierteiler "Die Dornenvögel" im Fernsehen, der vielen die Augen für Australien geöffnet hat. Das war damals ein Land, das man bloß aus dem Atlas kannte, zu dem man aber keinen emotionalen Bezug hatte. Ich habe dann beschlossen, dass ich mit Sydney das weitestmögliche Ziel nehme und habe mein Freijahr organisiert und 1989/1990 hier studiert. Als ich nach Deutschland zurückkam, war die Mauer gefallen und die Globalisierung ging los. Damit wurden die Flüge immer mehr erschwinglich und ich habe auch meinen Urlaub immer wieder in Australien verbracht. Als dann die Stelle hier ausgeschrieben wurde, habe ich mich beworben, war beim ersten Versuch aber zu spät dran. Weil die Stelle nach kurzer Zeit aber wieder frei wurde, hat das Auslandssekretariat der Bischofskonferenz mich angerufen und gefragt, ob ich noch interessiert sei. Ich habe sofort zugesagt und bin jetzt seit 2012 hier – und genieße jeden Tag.

Von Christoph Brüwer