Gewerkschafts-Bundeskongress fasst mehrere Beschlüsse zum "Dritten Weg"

Ver.di fordert erneut Abschaffung des kirchlichen Arbeitsrechts

Veröffentlicht am 21.09.2023 um 11:29 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Die Gewerkschaften sehen das kirchliche Arbeitsrecht schon lange kritisch. Auf ihrem Bundeskongress erneuerte ver.di nun ihre Forderungen, alle Sonderregelungen für kirchliche Arbeitgeber abzuschaffen – gleich mehrere Anträge haben das zum Ziel.

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Die Gewerkschaft ver.di hat auf ihrem Bundeskongress ihre Forderungen nach einem Ende des kircheneigenen Arbeitsrechts bekräftigt. Neben dem Leitantrag, der unter anderem entsprechende Forderungen enthält, beschlossen die Delegierten in Berlin zwei weitere Anträge zum Thema, teilte die Gewerkschaft am Mittwoch mit. Der Bundeskongress tagt noch bis Freitag. Im Leitantrag "Mit vereinter Kraft für Gute Arbeit" forderte die Gewerkschaft eine Überwindung des "Dritten Wegs": "Löhne und Arbeitsbedingungen dürfen nicht länger ohne Transparenz und ohne Beteiligungsmöglichkeiten der Beschäftigten in kircheninternen Arbeitsrechtlichen Kommissionen festgelegt werden." Versuchen, das Streikrecht mit Hilfe kirchenrechtlicher Regelungen auszuschließen, müsse ein Ende gesetzt werden. Bereits am Dienstag hatte der wiedergewählte ver.di-Vorsitzende Frank Werneke in seiner Grundsatzrede das kirchliche Arbeitsrecht erwähnt. Unter Beifall der Delegierten sagte er: "Wir brauchen mehr allgemeinverbindliche Tarifverträge, als Erstes im Handel, und auch der 'Dritte Weg' der Kirchen muss weg, weil auch er Tarifschutz blockiert."

In ihren Anträgen sprach sich die Gewerkschaft für eine Abschaffung des Tendenzschutzes aus, der Religionsgemeinschaften derzeit von einer Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes ausnimmt. Abgesehen von verkündigungsnahen Tätigkeiten seien Kirchen Arbeitgeber wie jeder andere auch: "Die Mitbestimmung muss daher uneingeschränkt für alle kirchlichen Einrichtungen und Betriebe gelten", so ver.di. In weiteren Anträgen mit dem Titel "Kirchliches Arbeitsrecht ist kein Muss!" und "Tarife für alle" führt die Gewerkschaft ihre Position noch weiter aus. Ver.di sieht durch das kirchliche Arbeitsrecht Wettbewerbsvorteile auf Kosten der Rechte und Lohn- und Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Konkret fordert die Gewerkschaft die Abschaffung der Ausnahmen für Religionsgemeinschaften im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, im Betriebsverfassungsgesetz, im Mitbestimmungsgesetz und im Arbeitnehmerentsendegesetz.

Auch die rechtliche Gleichstellung kirchlicher Arbeitsvertragsrichtlinien mit Tarifverträgen müsse abgeschafft werden. Ver.di hofft darauf, dass eine Einbeziehung kirchlicher Arbeitnehmer in von ihr verhandelte Tarifverträge die Verhandlungsposition der Gewerkschaft verbessern würde: "Wenn sich beschäftigungsstarke Verbände wie die Caritas und die Diakonie mit ihren Mitgliedsunternehmen dem Geltungsbereich des Flächentarifvertrags TVöD unterwerfen würden, wäre das ordnungspolitisch für das Gesundheits- und Sozialwesen und für den TVöD insgesamt eine enorme Stärkung."

Dialogprozess des Arbeitsministeriums begonnen

Die Gewerkschaften kritisieren seit Jahren den kirchlichen "Dritten Weg" im Arbeitsrecht. Im Mai hatte ver.di eine Kampagne zur Abschaffung des kirchlichen Arbeitsrechts begonnen. Bei der Neufassung der "Grundordnung des kirchlichen Dienstes" durch die deutschen Bischöfe wurde im vergangenen Herbst das kirchliche Kollektivarbeitsrecht nicht angetastet: Regelungen zur betrieblichen Mitbestimmung wurden nicht reformiert. Von ver.di wurde die Grundordnungsreform als "verpasste Chance" bewertet. Im Juni nahm eine Arbeitsgruppe zur Überarbeitung der Rahmen-Mitarbeitervertretung die Arbeit auf. Dabei wird unter anderem über die Möglichkeit einer unternehmerischen Mitbestimmung beraten, die es im kirchlichen Arbeitsrecht bislang nicht gibt.

Befürworter des "Dritten Wegs" verweisen auf die fast flächendeckende Anwendung der kirchlichen Tarifwerke und den im Vergleich zum Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes deutlich höheren Anteil von Einrichtungen mit Mitarbeitervertretung. Die Koalitionsparteien SPD, Grüne und FDP kündigten in ihrem Koalitionsvertrag an, gemeinsam mit den Kirchen eine Angleichung des kirchlichen an das staatliche Arbeitsrecht zu prüfen. Das Bundesarbeitsministerium hatte ursprünglich geplant, das Thema im ersten Quartal dieses Jahres anzugehen. Anfang der Woche begannen die Beratungen des Ministeriums mit Vertretern von Kirchen, Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Rahmen eines Dialogprozesses zum kirchlichen Arbeitsrecht. (fxn)