Interview mit dem BDKJ-Bundesvorsitzenden zur Kirchenversammlung

Podschun: Meine Erwartungen an die Weltsynode sind sehr gering

Veröffentlicht am 05.10.2023 um 00:01 Uhr – Von Christoph Brüwer – Lesedauer: 

Düsseldorf ‐ Der Bundesvorsitzende des Bunds der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), Gregor Podschun, blickt nicht sonderlich hoffnungsvoll auf die Weltsynode. Im katholisch.de-Interview erklärt er, warum. Er spricht auch darüber, was ihn persönlich noch in der katholischen Kirche hält.

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Seit Mittwoch tagen die über 450 Vertreterinnen und Vertreter der Weltsynode in Rom hinter verschlossenen Türen. Der Bundesvorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), Gregor Podschun, sieht die fehlende Offenheit kritisch. Im katholisch.de-Interview erklärt er, warum seiner Meinung nach nicht die Amtsträger in der katholischen Kirche den größten Druck verspüren. 

Frage: Herr Podschun, am Mittwoch hat die Weltsynode in Rom begonnen. Wie verfolgen Sie die Beratungen dort?

Podschun: Das ist eine schwierige Frage, weil die Beratungen selbst ja nicht öffentlich sind. Ich weiß also gar nicht so genau, was an die Öffentlichkeit gelangen wird. Der einzige Weg zur Information ist daher der, über die Berichte der deutschen Delegation, was die Debatten aber natürlich nur aus einem bestimmten Blickwinkel zeigt, je nachdem, wie die Vertreter zu den Beratungen in Rom stehen. Das ist ein Punkt, den ich kritisiere: Wenn ich bei einer Synode das Volk Gottes einbeziehen möchte – was Papst Franziskus explizit wollte –, kann ich die Gläubigen nicht bei den eigentlichen Beratungen ausschließen.

Frage: Der Papst selbst begründet den Ausschluss der Öffentlichkeit mit mehr Freiheit für die Debattenbeiträge vor Ort.

Podschun: Das halte ich für eine seltsame Begründung, weil es darum geht, als Volk Gottes gemeinsam zu beraten und in der Unterscheidung der Geister – was auch immer das sein soll – eine Entscheidung zu treffen. Ich glaube, dass es sehr hilfreich ist, so viele Stimmen wie möglich dazu einzusammeln und sich von der Öffentlichkeit auch auf Fehler hinweisen zu lassen. Insbesondere bei sexualisierter Gewalt in der Kirche haben die Öffentlichkeit und auch die Medien eine enorm große Rolle dabei gespielt, die Aufarbeitung in Gang zu bringen. Und ich glaube nicht, dass es hilft, wenn alles im Geheimen bleibt. Letztlich beraten bei der Weltsynode zum Großteil Amtsträger der katholischen Kirche, die öffentlich zu ihrer Meinung stehen müssten.

Frage: Das Volk Gottes wurde aber doch in dem zweijährigen Vorlauf zu diesem Treffen beteiligt. Nun tagen "ausgewählte" Synodale zu den Ergebnissen, die zusammengetragen wurden.

Podschun: Das ist die zweite Problematik: Diejenigen, die beraten, sind hauptsächlich Bischöfe, abgesehen von den paar anderen Menschen, die neuerdings dazukommen dürfen. Aber die Entscheidungsträger sind im Wesentlichen die Bischöfe – am Ende sogar ein einziger Bischof, nämlich der Bischof von Rom. Ich halte das Synodalitätsverständnis von Papst Franziskus für schwierig: Wir hören mal alle an und das muss in irgendeiner Form ein echtes Hören sein – ohne, dass dafür Kriterien festgelegt wurden – eine weitere Beteiligung im Prozess gibt es aber nicht. Natürlich können nicht alle Gläubigen jetzt in Rom beraten. Aber zumindest sollten alle an der öffentlichen Debatte darüber teilnehmen können. Das gehört zu einem demokratischen Prozess und Synodalität muss in meinen Augen auch demokratisch verstanden werden.

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Frage: Der Passauer Bischof Stefan Oster hat kürzlich in einem katholisch.de-Interview kritisiert, dass Interessenvertreter beim Synodalen Weg der Kirche in Deutschland bewusst mit medialem und öffentlichem Druck gearbeitet hätten und dass der Papst genau das eben nicht wolle. Wie sehen Sie das?

Podschun: Ich halte das ehrlich gesagt für Schwachsinn. Den Druck verspüren eher die Menschen, die dringend Reformen in der katholischen Kirche brauchen: Menschen, die verletzt sind, die Leid und Gewalt erfahren haben oder durch die Kirche diskriminiert werden. Diese Menschen haben ein Recht mitzubekommen, was die Kirche dazu berät. Ein Amtsträger, der Bischof ist und eine ganze Diözese leitet, muss in der Lage sein, den öffentlichen Druck auszuhalten. Jeder Amtsträger muss sich für die Handlungen, die er vollzieht, rechtfertigen. Das betrifft mich als BDKJ-Bundesvorsitzenden genauso. Das ist für mich eine Frage von Transparenz und Machtabbau. Wir wollen die geheimen Beratungen von Männerbünden hinter verschlossenen Türen abbauen.

Frage: Der weltweite synodale Prozess des Papstes ist ziemlich langwierig und irgendwie auch schwer zu greifen. Wie vermitteln Sie den Jugendlichen im BDKJ so einen Prozess?

Podschun: Die Frage ist, was genau man vermitteln möchte. Nochmal: Ich halte das Synodalitätsverständnis des Papstes für schwierig und glaube nicht, dass durch die Weltsynode große Reformen der Kirche angegangen werden. Die Problematik ist, dass andere Menschen sehr große Hoffnungen in die Synode legen und sogar Bischöfe als Amtsträger auf die Weltsynode verweisen, wenn es um die Umsetzung der Beschlüsse des Synodalen Wegs geht – ohne zu berücksichtigen, dass diese Themen bei der Weltsynode gar nicht beraten werden. Unser Weg ist es, darüber Transparenz herzustellen und deutlich zu benennen, wer dort berät, warum beraten wird, was entschieden werden kann und welche Tragweite das haben wird. Wir wollen transparent machen, dass das kein Prozess ist, der unseren Kriterien von einer demokratisch-freiheitlichen Beratung entspricht.

Frage: Verfolgen Jugendliche grundsätzlich solche Prozesse, oder interessieren sie sich am Ende gar nicht dafür, was weit weg in Rom beraten wird?

Podschun: Es gibt natürlich viele Jugendliche, die sich dafür nicht interessieren werden. Ich nehme aber wahr, dass die jungen Menschen, die noch in der Kirche sind, verfolgen, was in dieser Kirche passiert. Ob jetzt jedes Detail bei den Jugendlichen an der Basis ankommt, ist dabei gar nicht so relevant, sondern die Frage, ob die Themen beraten und entschieden werden, die die jungen Menschen beschäftigen. Bei der Jugendsynode 2018 haben wir gesehen, dass das durch die vielen Ebenen irgendwann verloren gegangen ist. Wenn man fragt, was die Jugendsynode tatsächlich an der Situation von Jugendlichen vor Ort verbessert hat, gibt es da nicht allzu viel. Wahrscheinlich wurde auch die Stimme der Jugend nicht so laut wahrgenommen, wie sich das der Papst und andere Menschen gewünscht hätten. Wir als BDKJ werden das Interesse der jungen Menschen an der Weltsynode aber auf jeden Fall unterstützen, indem wir Transparenz herstellen. Daher werden wir zwischendurch auch mit einer Delegation in Rom vor Ort sein.

„Ich glaube nicht, dass eine große Reform vor der Tür steht.“

—  Zitat: Gregor Podschun, BDKJ-Bundesvorsitzender

Frage: Sie haben es bereits angedeutet: Was erwarten Sie selbst von der Weltsynode?

Podschun: Meine Erwartungen sind sehr gering. Ich glaube nicht, dass eine große Reform vor der Tür steht. Die Themen des Synodalen Wegs werden dort nicht verhandelt, sondern es geht um das Thema Synodalität an sich und die Frage, wie die Kirche Entscheidungen treffen kann. Ich gehe nicht davon aus, dass vom bisherigen System abgewichen wird, dass der Papst Allein-Entscheider ist. Ich denke, dass die Machtsysteme der katholischen Kirche aufrechterhalten werden. So sehr die Menschen Papst Franziskus auch als Reformpapst stilisieren möchten, sehe ich diese Reformen ehrlich gesagt nicht kommen.

Frage: Das klingt nicht besonders hoffnungsvoll …

Podschun: Nein, tatsächlich nicht. Die BDKJ-Hauptversammlung hat im Mai 2023 einen Beschluss zur Synodalität gefasst, in dem wir sehr deutlich sagen, dass junge Menschen macht- und ratlos vor diesen Prozessen in der Kirche stehen. Wir wissen nicht genau, wie wir etwas verändern können, wenn Rom nicht mitmacht. Ich glaube, dass wir die Ergebnisse der MHG-Studie und aller anderen Gutachten und Studien zum sexualisierten Missbrauch in der Kirche ernstnehmen müssen. Die deutschen Bischöfe müssen einen Weg finden, eine Antwort auf die systemische Gewalt zu geben, auch wenn Rom nicht mitmacht. Das klingt immer so, als wenn wir spalten wollten. Das wollen wir verhindern! Aber wenn ich abwägen muss zwischen dem bisherigen Weg und einem deutschen Sonderweg, der Leid und Gewalt in der Kirche verhindert, dann muss ich mich doch für letzteren Weg entscheiden. Alles andere wäre ethisch äußerst fragwürdig. Ich glaube, dass sich die Kirche in Deutschland damit zu wenig beschäftigt. Was sind denn die Konsequenzen, wenn aus Rom eine Blockade zu diesen Themen kommt?

Frage: Sie sprechen das Thema Spaltung an: Nicht nur der Papst macht Scherze über eine zweite evangelische Kirche in Deutschland. Auch im Internet müssen sich Reformbefürworter immer wieder den Vorwurf anhören, sie sollten doch evangelisch werden. Was hält Sie persönlich noch in der katholischen Kirche?

Podschun: Ehrlich gesagt ist es nicht so, als würde ich mich persönlich nicht auch damit auseinandersetzen, was der Verbleib in der Kirche für mich bedeutet und wie lange ich noch bleiben kann. Vielen anderen jungen Menschen geht es genauso, dass sie sich die Frage stellen: Warum bin ich eigentlich noch in dieser Kirche und wann ist für mich eine Grenze erreicht? Ich persönlich bin noch Teil der Kirche, weil ich Teil der Jugendverbände bin. Die Jugendverbände sind ein Teil der Kirche, der demokratisch strukturiert ist, der Geschlechtergerechtigkeit zulässt, der Machtsysteme aufbricht. Wir sind diese Kirche und wir setzen uns dafür ein, dass die Menschen, die Leid und Gewalt in der Kirche erfahren, gehört und unterstützt werden.

Von Christoph Brüwer