Erzbischof Koch: AfD-Ziele passen nicht zu christlichen Werten
Kein Kreuzchen bei der AfD: Der Berliner Erzbischof Heiner Koch hält die Ziele der Partei für nicht vereinbar mit christlichen Werten. "Die AfD will ein fremdenfeindliches, ein antieuropäisches, ein nationalistisch aufgestelltes Deutschland. Das will ich nicht und sage das auch jedem", betonte er im Interview mit dem "Handelsblatt" (Montag). Koch wurde auch gefragt, wie er als Bischof mit AfD-Wählern umgehe. Er müsse an Weihachten ja alle segnen. Seine Antwort: "Ich segne alle Menschen, die gesegnet werden wollen. Da mache ich keine Unterschiede. In der Sache teile ich aber die Ansichten der AfD in keiner Weise."
Zu den aktuellen Debatten über die Asylpolitik sagte der Hauptstadtbischof: "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht – so steht es im Grundgesetz, und dabei muss es auch bleiben." Allerdings werde man eine Willkommenskultur in Deutschland nur bewahren, wenn man die Menschen im Land nicht überfordere: "Es geht mir dabei weniger darum, ob wir das finanziell und materiell schaffen, wir müssen mehr für ein gutes, herzliches Miteinander tun. Sonst erodiert das Vertrauen in diesen Staat immer weiter, und rechtsextreme und populistische Parteien wie die AfD bekommen immer mehr Zulauf."
Viele Proteste seien Ausdruck einer Angst vor dem Fremden und dem Verlust von Heimat und der eigenen Identität, so Koch weiter. Er habe da auch "keine gute und schon gar keine einfache Antwort". Die großen gesellschaftlichen Fragen seien inzwischen so komplex, dass es keine einfachen Lösungen gebe: "Populisten versuchen das den Menschen einzureden, dem müssen wir beharrlich widersprechen." Auch wenn die Kirche selbst unter einem massiven Vertrauensverlust leide, müsse sie "weiterhin versuchen zu deeskalieren, wo immer das möglich ist". Die großen gesellschaftlichen Institutionen hätten es immer schwerer, Gehör zu finden: "Aber auf der nachbarschaftlichen Ebene gibt es viele Entwicklungen, die mir Hoffnung machen. Es gibt sie noch, die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die sich für Obdachlose und Geflüchtete einsetzen, sie sind nur nicht so laut."
Kritik an Greta Thunberg
Zudem kritisierte der Erzbischof Klima-Aktivistin Greta Thunberg für deren jüngste Äußerungen zum Gaza-Krieg. Ihre Aussagen – etwa über einen palästinensischen Kampf gegen Unterdrückung und für Gerechtigkeit – teile er "in keinster Weise", sagte Koch. Auf die Frage, ob er Thunberg nochmals mit der Vorbild-Wirkung von Jesus Christus vergleichen würde wie im Jahr 2019, antwortete der Bischof, er habe damals lediglich "das Prophetische an 'Fridays for Future' herausgestellt. Weil ich gesehen habe, wie Menschen weltweit auf die von Greta Thunberg ausgelöste Klimabewegung reagiert haben. Sie hat uns wachgerüttelt."
Das drängende Anliegen der jungen Menschen, die Welt vor der Klimaerwärmung zu schützen, teile er weiter, und "die Sorge um die Bewahrung der Schöpfung treibt auch mich um". Koch hatte schon 2019 von "massiven Verurteilungen und Beschimpfungen" berichtet nach seinem Lob für die "Fridays for Future"-Demonstrationen. Er hatte erklärt, die Schülerproteste erinnerten ihn "ein wenig an die biblische Szene vom Einzug Jesu in Jerusalem". Vorwürfe, dass er Greta Thunberg mit der Bezeichnung "Prophetin" zu einer "Heilsfigur" erhoben habe, wies der Erzbischof aber schon damals zurück. "Propheten sind keine Heilsfiguren", sagte er. Die biblischen Propheten seien "unbequeme Mahner, die aus einer tiefen Glaubensüberzeugung mit ihrem Leben für ihre Konsequenz und ihre Widerständigkeit bezahlt haben". Thunberg sei "keine Prophetin in diesem Sinn, aber sie steht für eine Botschaft, die ich für prophetisch halte, sie lautet: 'Wenn wir so weiterleben wie bisher, wird es mit der Bewahrung der Schöpfung schwierig werden.'"
Im rbb-Radio hatte Koch damals auch erklärt, er wolle Thunberg nicht zu einem weiblichen Messias machen, "indem ich sie mit Jesus von Nazareth vergleiche". Gesellschaft und Kirchen bräuchten aber auch heute echte Propheten, "die auf Missstände und Fehlentwicklungen hinweisen und die Lösungswege vorschlagen – auch wenn diese nicht auf ungeteilte Zustimmung aller stoßen, oder wenn die beschrittenen Wege, etwa das Schuleschwänzen, höchst zwiespältig zu bewerten sind".
Mehr Engagement gegen Antisemitismus
Weiter forderte der Erzbischof im aktuellen Interview mehr Engagement gegen Antisemitismus in Deutschland. Das derzeitige Ausmaß von Judenfeindlichkeit schockiere ihn, sagte Koch: "Dass Davidsterne an Haustüren geschmiert und in Berlin Molotow-Cocktails auf eine Synagoge geworfen werden, damit habe ich nicht gerechnet. Ich habe immer gedacht, wir hätten die Lehren aus unserer Geschichte gezogen." Erschütternd nannte er auch, dass es aus seiner Sicht viel zu wenig Widerspruch gebe, wenn Demonstranten zum Beispiel "Tod Israel" oder "Tod den Juden" skandierten: "Auch das Schweigen ist ein Hinweis, wie es um die emotionale Verbundenheit mit Israel in Teilen der Gesellschaft steht. Nichts sagen ist auch eine Meinung."
Der Bischof nannte es "weitgehend überzeugend, wie die Regierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz uneingeschränkt an der Seite Israels steht". Aber die Gesellschaft und auch die Kirchen dürften ihre Verantwortung nicht an die Regierung abgeben: "Wer beim Schicksal der ermordeten Jüdinnen und Juden keine Empathie verspürt und den Extremisten die Straße überlässt, der soll sich einfach die fürchterlichen Bilder des eiskalt kalkulierten Massenmords der Hamas-Terroristen an unschuldigen Zivilisten ansehen."
Als Bischof habe er unter anderem zum 9. November zu einem "Gedenkweg" eingeladen, Synagogen besucht und zu Chanukka gratuliert, berichtete der Hauptstadtbischof weiter: "Unser Platz als Kirche ist an der Seite unserer jüdischen Nachbarinnen und Nachbarn. Aber selbst bei der 'Nie wieder ist jetzt'-Demonstration vor dem Brandenburger Tor war zahlenmäßig noch deutlich Luft nach oben." Mit Blick auf Christen, die in der NS-Zeit ihr Leben riskierten, wenn sie Jüdinnen und Juden vor der Deportation versteckten, riskiere man heute allenfalls, "dass mir kalt wird, wenn ich mich bei einer Demonstration gegen Antisemitismus engagiere", fügte Koch hinzu: "Da ist entweder Gleichgültigkeit oder Faulheit im Spiel. Es geht um unser Zusammenleben hier in Deutschland." (tmg/KNA)