Revolutionärer Abtritt
Die "Bild"-Zeitung widmet dem Rücktritt die ersten fünf Seiten und zeigt auf dem Titelbild den Rücken des Papstes mit der Überschrift: "Keine Kraft mehr!". Das Blatt hebt auf die historische Dimension des freiwilligen Rücktritts ab. Für Kommentator Alfred Draxler zwingt der Rücktritt die katholische Kirche, "neue Wege zu gehen". "Noch nie war Benedikt XVI. so stark wie in seinem schwächsten Moment", so Draxler.
Für die "Süddeutsche Zeitung" sprengt der Rücktritt die "zweitausendjährige Tradition", ja "das Selbstverständnis des katholischen Papsttums. In dieser Größe liegt aber etwas sehr Bitteres, ja Tragisches - weil die Kraft sich eben erst im Abschied zeigt", so Heribert Prantl. "Nur mit seinem Rücktritt sprengt Benedikt die Ketten der Tradition, überall sonst hat er an den Ketten der Tradition nicht gerührt, da und dort hat er sie sogar verstärkt; nur dieses eine Mal wächst er über sich hinaus.(...) Wenn es zum Wesen der Kirche gehört, sich ständig zu erneuern, hat sie das Wesentliche vergessen. Die Kirche war selten so reformbedürftig wie am Ende des Pontifikats von Benedikt XVI."
Von Krisen bedrängter Gelehrter
Daniel Deckers hebt in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" auf den Papst als Gelehrten auf dem Stuhl Petri ab, der von großen inneren Krisen der Kirche bedrängt wurde. "Wie keiner seiner Vorgänger hat er das Unrecht beim Namen genannt und den Opfern (des Missbrauchs) in die Augen gesehen". Allerdings habe er ebenso wie sein Vorgänger wirkliche Veränderungen in der Zentrale der Weltkirche gescheut. "Der Nachfolger dürfte um eine Reform des Vatikan an Haupt und Gliedern nicht mehr herum kommen", so Deckers. "Mit guten Worten ist es auch in der Kirche nicht immer getan."
Auch "Die Welt" sieht im Rücktritt einen der "kühnsten Akte der Kirchengeschichte". Für Thomas Schmid ist der Papst dennoch "ein Mann der Schrift, ein Hüter der Tradition". Der Rückzug vom Amt hat für ihn "etwas Großes, Tragisches - und Schönes".
Respekt für "radikale Entscheidung"
Kordula Doerfler fordert in der "Frankfurter Rundschau" Respekt für "diese radikale Entscheidung". Allerdings ist es Ratzinger auch nach ihrer Ansicht nicht gelungen, "die Kirche zu reformieren oder gar zukunftsfähig zu machen".
Einen regelrechten Verriss bietet die in Berlin erscheinende "Tageszeitung" (taz) . Unter dem Titel "Gott sei Dank" stehen die roten Schuhe des Papstes einsam im Raum. Es folgt der Untertitel "Noch schlimmer als erwartet". Ihren Kommentar beginnt Chefredakteurin Ines Pohl mit den Zeilen "Gut, dass der Papst weg ist".
"Steuermann fast wider Willen"
Der Berliner "Tagesspiegel" geht auf das Verhältnis des Papstes zu den Deutschen ein, das "nie einfach" gewesen sei. "Spätestens seitdem Ratzinger Chef der römischen Glaubenskongregation geworden war, hagelte es regelmäßig Kritik aus Rom: zu kritisch, zu aufmüpfig, zu protestantisch waren ihm die Deutschen", meint Claudia Keller. Doch "trotz aller Entfremdung könnte es sein, dass die Deutschen Papst Benedikt bald vermissen werden".
Für die "Berliner Zeitung" war der Papst ein "Steuermann fast wider Willen", der als "Garant der Kontinuität" gewählt wurde. Doch dann spricht Kommentator Joachim Frank von einem "revolutionären Schritt". "Benedikt XVI., der Konservative, geht mit dem progressivsten, ja revolutionärsten Schritt in die Geschichte ein, den ein Papst im Bezug auf das eigene Amt vollzogen hat."