"Aufgeräumt, entspannt und hellwach"
Benedikt XVI. hat sein Schweigen aus einem Anlass gebrochen, dem er sich nur schwer entziehen konnte: Der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Päpstlichen Universität Johannes Paul II. in Krakau sowie der Krakauer Musikhochschule in der päpstlichen Sommerresidenz in Castel Gandolfo. Einrichtungen also, die eng mit seinem Vorgänger und Freund, dem heiligen Johannes Paul II. (1978-2005) verbunden sind. Dessen einstiger Privatsekretär und heutige Krakauer Kardinal Stanislaw Dziwisz überreichte Benedikt XVI. die akademischen Ehrungen.
Er freue sich, dass damit seine Verbindung mit Polen, mit Krakau, mit "der Heimat unseres großen heiligen Johannes Paul II." noch tiefer geworden sei, sagte Benedikt XVI. in seiner Dankesrede. "Denn ohne ihn ist mein geistlicher und theologischer Weg nicht denkbar", so der emeritierte Papst, der 23 Jahre lang einer der engsten Mitarbeiter von Johannes Paul II. war.
Benedikt XVI. hielt seine Rede im Stehen
So "aufgeräumt, entspannt und hellwach" habe er Benedikt XVI. auch als Papst selten gesehen, berichtet ein Teilnehmer der Zeremonie am Samstag. Nur die Stimme sei etwas schwächer gewesen als früher. Der emeritierte Papst hielt seine Rede im Stehen und begrüßte auch die rund 80 anwesenden Gäste ohne sich zu setzen und ohne Stock. Gekommen war er mit einem Rollator in Begleitung seines Privatsekretärs Erzbischof Georg Gänswein.
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In seiner Dankesrede verband Benedikt XVI. zwei Themen, die ihn ein Leben und ein Pontifikat lang begleitet haben: das Zweite Vatikanische Konzil und die Musik. Und er gab zudem noch persönlichen Einblick in sein jetziges Leben. In letzter Zeit beschäftige ihn immer mehr der Gedanke, so der emeritierte Papst, dass es "Musik von der Größenordnung, wie sie im Raum des christlichen Glaubens entstanden ist - von Palestrina, Bach, Händel, zu Mozart, zu Beethoven und zu Bruckner" -, in keinem anderen Kulturraum gebe.
Rede über die abenländische Musik
"Dies muss uns zu denken geben". Die abendländische Musik sei für ihn "etwas Einzigartiges", ein "Wahrheitsbeweis des Christentums". Vor der Kulisse des jetzigen Pontifikats, von dem es heißt, es mache die Kirche lateinamerikanischer, fiel dieses Plädoyer für die abendländische Musik besonders auf.
Eines der zentralen theologischen Anliegen Benedikt XVI. war es zu zeigen, dass das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) nicht als Bruch mit der Tradition verstanden werden dürfe. Das bezog er in seiner Rede nun auf die Kirchenmusik. Er verwies darauf, dass manche die Forderung des Konzils nach einer aktiven Teilnahme der Gläubigen am Gottesdienst, so radikal interpretiert hätten, dass Chorwerke und Orchestermessen künftig in Konzertsäle verbannt werden müssten. Demgegenüber betont er, die Kirchenmusik dürfe nicht aus der Liturgie verschwinden. Das habe das Konzil ausdrücklich abgelehnt.
Diese öffentliche Rede wird ebenso wie der Sommerurlaub in Castel Gandolfo von Beobachtern als weiteres Zeichen einer schrittweisen Normalisierung rund zweieinhalb Jahre nach dem Rücktritt von Benedikt XVI. gewertet. Im November sah sich Benedikt XVI. noch genötigt, Behauptungen, er agiere als eine Art Gegenpapst, persönlich zurückzuweisen. Der Emeritus hat seine anfänglichen Skrupel offenbar überwunden und die Einladung von Franziskus nach Castel Gandolfo, die schon im vergangenen Jahr vorlag, diesmal angenommen. Und er hat die strikte Auslegung seiner Ankündigung "verborgen vor den Augen der Welt" zu leben, gelockert. Franziskus dürfte seinem Vorgänger, den er als "weisen Großvater" bezeichnete, dazu ermuntert haben.