Restaurierung der Superlative: Bernini-Baldachin wird aufgefrischt
In neuem Glanz soll der Bernini-Baldachin im Petersdom erstrahlen. Das wohl bekannteste Bronzewerk aus der Barockzeit wird restauriert. Bis zu 50.000 Menschen besuchen die bedeutendste katholische Kirche der Welt täglich. Das sind aus Restauratoren-Sicht 50.000 Lebewesen, die ein- und ausatmen. Große Bereiche des Bronzewerks sind oxidiert. Schmutz und Staub tun ihr Übriges, zumal die letzte Restaurierung des Baldachins schon rund 250 Jahre zurückliegt. Mittlerweile hat sich eine Patina über die Teile aus Marmor und Holz gelegt.
Beginnen sollen die Arbeiten in der zweiten Februarwoche. Dann errichtet die Dombauhütte der Papstbasilika ein großes Gerüst rund um das Kunstwerk, das Bildhauer Gian Lorenzo Bernini zwischen 1624 und 1633 schuf. Das Gerüst werde den Baldachin "wie eine Art Matrjoschka-Puppe umschließen, ohne ihn zu berühren", sagte der Kulturgut-Leiter der Dombauhütte, Pietro Zander, am Donnerstag bei einer Pressekonferenz.
Weder das Gerüst noch die Arbeiten sollen die Gottesdienste im Petersdom beeinträchtigen. Das könnte durchaus eine Herausforderung werden, denn der Baldachin steht ausgerechnet über dem Hauptaltar – und markiert damit den Ort, an dem der erste Bischof von Rom begraben liegt: der Apostel Petrus. Die Restaurierung habe daher auch einen großen symbolischen Wert, sagte der Erzpriester des Petersdoms, Kardinal Mauro Gambetti.
So hoch wie ein zehnstöckiges Haus
In dem weiten Kirchenraum ist der massive Baldachin der optische Fixpunkt schlechthin. Rund 30 Meter hoch ragt das Werk von den Marmorsockeln am Boden bis zur Weltkugel mit Kreuz ganz oben auf der zwiebelförmigen Spitze. Das ist etwa so hoch wie ein zehnstöckiges Haus. Ganz in der Manier der Zeit sparte Bernini nicht mit prunkvollen Verzierungen: Die vier beinahe lebensgroßen Engel an den Ecken des Dachs sind in dramatischen Gesten eingefroren; an den spiralförmigen Säulen ranken goldene Oliven- und Lorbeerzweige empor.
Die Marmorsockel zeigen jeweils an den Außenseiten die päpstliche Krone sowie die Schlüssel Petri als Zeichen für das Papsttum. Darunter zu sehen ist ein Wappen mit Bienen, das für die italienische Adelsfamilie der Barberini steht. Papst Urban VIII., Auftraggeber des Baldachins, stammt aus diesem Geschlecht.
Rätsel gibt ein Frauenkopf auf, den Bernini zwischen Wappen und Petrus-Schlüssel platzierte. Wer den Baldachin umrundet, bemerkt, dass sich der Gesichtsausdruck der Frau von Säule zu Säule verändert. Schließlich ersetzt der Künstler den weiblichen Kopf mit dem eines Babys. Vermutlich soll die Abfolge den Prozess einer Geburt darstellen.
Über den Grund für die ungewöhnliche Darstellung ist viel spekuliert worden. Angeblich soll Urban VIII. geschworen haben, er werde einen Altar in Erinnerung an die schwere Geburt einer Verwandten errichten lassen, sollte die Frau überleben. Eine andere Geschichte besagt, Bernini habe sich am Papst rächen wollen, weil dieser das Kind seines Neffen als unrechtmäßig brandmarkte. Vielleicht nutzte der Künstler das Bild der Geburt aber einfach nur als Metapher für das irdische Wirken des Papstes und der Kirche.
Die berühmt-berüchtigten Barberini...
Legenden ranken sich zudem um die Frage, woher die vielen Tonnen Bronze für den Baldachin stammen. Bis heute hält sich die Erzählung, Papst Urban ließ dafür Material aus dem Pantheon einschmelzen. Ein bekannter Spruch in Rom lautete: "Quod non fecerunt barbari, fecerunt Barberini." – Was die Barbaren nicht fertigbrachten, taten die Barberini... – nämlich die teilweise Zerstörung antiker Denkmäler.
Im Petersdom geht es indes um den Erhalt eines Kunstwerks. Die Restaurierungsarbeiten kosten 700.000 Euro und werden vollständig von den Kolumbusrittern getragen, einer konservativen Laienorganisation aus den USA. Der Zeitplan ist eng gestrickt: Pünktlich vor der Eröffnung des Heiligen Jahres am 24. Dezember soll der Baldachin in altem Glanz erstrahlen. Zu diesem Pilgerereignis werden in zwölf Monaten mehrere Millionen Besucher im Vatikan und in Rom erwartet. "Alles ist groß im Petersdom", fasst der technische Leiter der Dombauhütte, Alberto Capitanucci, zusammen. "Und groß ist auch die Herausforderung."