Eine Chronologie der vatikanischen Briefe und Ordnungsrufe

Immer wieder Post aus Rom: Tadel und Stoppschilder für Deutschland

Veröffentlicht am 21.02.2024 um 00:01 Uhr – Von Gottfried Bohl (KNA) – Lesedauer: 

Bonn ‐ Roms Blick auf die katholische Kirche vor Ort ist kritisch. Schon mehrfach riefen Briefe aus der Kirchenzentrale die Bischöfe im unruhigen Deutschland zur Ordnung – und das nicht erst seit dem Beginn des Synodalen Wegs.

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Seit dem Beginn des Reformprojekts Synodaler Weg häufen sich Ermahnungen aus Rom an die Kirche in Deutschland. Aber auch früher, vor allem in der Spätphase des Pontifikats von Johannes Paul II., gab es schon vatikanische Ordnungsrufe. Einige markante Beispiele:

November 1997: Der Vatikan schreibt die fundamentalen Unterschiede von Priestern und Laien fest, die etwa in Deutschland durch neue Ämter wie "Pastoralreferenten" zu verschwimmen schienen. Unter anderem wird das Hinzuziehen von Kommunionhelfern auf Notfälle begrenzt, die Arbeit der pfarrlichen Räte dem Vorsitz des Pfarrers untergeordnet, und die Spendung der Krankensalbung den Priestern vorbehalten. Die Instruktion schreibt vor, dass Entscheidungen, die nicht unter dem Vorsitz des Pfarrers gefällt wurden, ungültig sind. Weiter heißt es, dass Laien zwar ausnahmsweise Teile des Predigtdienstes übernehmen, nicht aber die eigentliche Predigt in einer heiligen Messe halten dürfen.

Januar 1998: Papst Johannes Paul II. legt den deutschen Bischöfen einen Ausstieg aus dem nach der deutschen Wiedervereinigung verkürzten staatlichen Weg der Schwangerschaftskonfliktberatung nahe. Die Vergabe des Beratungsscheins bedeute eine Mitwirkung an der Abtreibung und verdunkle das Zeugnis der Kirche für den Lebensschutz. Nach langen Debatten und weiteren Briefen aus Rom geben die Bischöfe im November 1999 den Ausstieg aus der staatlichen Schwangerenkonfliktberatung bekannt.

März 2001: Papst Johannes Paul II. würdigt das Wirken der katholischen Kirche in Deutschland und beklagt zugleich "fehlerhafte Entwicklungen" in der Ökumene, in der Ausbildung von Theologen und in der Zusammenarbeit von Priestern und Laien. Er appelliert an die Bischöfe, die Einheit der Kirche in Deutschland mit Papst und Weltkirche zu wahren. Konkret kritisiert er zum Beispiel "Verwirrung und Missbräuche" durch die "nicht selten praktizierte Interkommunion".

Oktober 2002: Der Vatikan erteilt der Ausweitung der Mitwirkung von Laien in Pfarrgemeinden abermals eine Absage. In einer Instruktion der Kleruskongregation heißt es, Laien dürften nur in bestimmten Notlagen und vorübergehend mit einigen seelsorgerischen Aufgaben betraut werden. Dadurch dürften aber die wesensmäßigen Unterschiede zwischen Priestern und Laien nicht verwischt werden.

Bild: ©KNA (Archivbild)

Nicht nur Franziskus: Auch Papst Johannes Paul II. schrieb mehrfach nach Deutschland.

Juni 2018: In einem Brief der Glaubenskongregation heißt es, Papst Franziskus halte das Dokument der deutschen Bischöfe zur Kommunion für evangelische Ehepartner für nicht veröffentlichungsreif. Die Bischofskonferenz hatte sich zuvor mit Dreiviertel-Mehrheit auf eine Handreichung geeinigt, wonach evangelische Ehepartner im Einzelfall die Kommunion empfangen können. Sieben Bischöfe baten daraufhin den Vatikan um Klarstellung, ob eine solche Regelung von einer einzelnen Bischofskonferenz beschlossen werden kann. Die Deutsche Bischofskonferenz veröffentlichte die Handreichung dennoch – als Text ohne Autor und Absender.

Juni 2019: Nach der Ankündigung des Reformprojekts "Synodaler Weg" wendet sich erstmals in der jüngeren Geschichte ein Papst in einem Brief direkt an das "pilgernde Volk Gottes in Deutschland". In dem 19-seitigen Papier lobt Franziskus das Engagement und die Reformanstrengungen der deutschen Katholiken. Zugleich mahnt er die Einheit mit der Weltkirche an. Leitkriterium der Erneuerung müsse die Evangelisierung sein.

September 2019: Die vatikanische Bischofskongregation kritisiert schriftlich die Themen und die geplanten Beschlussfassungs-Modalitäten für den Reformdialog Synodaler Weg, die zu wenig das verbindliche Hirtenamt der Bischöfe berücksichtige. Der Päpstliche Rat für Gesetzestexte stellt die Frage, inwiefern der Synodale Weg überhaupt verbindliche Beschlüsse fällen kann.

Juli 2020: Eine Instruktion aus dem Vatikan dämpft Hoffnungen auf Reformen auf Pfarrei-Ebene. Das Schreiben setzt klare Grenzen für die Zusammenlegung von Pfarreien und für die Beteiligung von Nicht-Priestern an deren Leitung. Laien können demnach zwar mitwirken an der Gemeindeleitung, doch tatsächlich leiten, verwalten, moderieren und koordinieren dürfen nur Priester. Auch verbietet der Vatikan Nicht-Priestern, in Messfeiern zu predigen. Die Vorgaben der Kleruskongregation benennen zudem klar, dass Pfarreien nicht aus "Überlegungen allgemeiner, theoretischer und prinzipieller Art" zusammengelegt werden dürfen.

September 2020: Der Vatikan erteilt gegenseitigen Abendmahls-Einladungen von Katholiken und Protestanten eine theologisch begründete Absage. Die Unterschiede im Eucharistie- und Amtsverständnis seien "noch so gewichtig", dass sie eine Teilnahme katholischer und evangelischer Christen an der Feier der jeweils anderen Konfession derzeit ausschlössen. Auch für eine "individuelle Gewissensentscheidung" gebe es keine Grundlage, heißt es in einem Schreiben der Glaubenskongregation. Die oberste katholische Glaubensbehörde äußert damit Einwände gegen ein gemeinsames Votum des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen (ÖAK) zur wechselseitigen Teilnahme an Abendmahl und Eucharistie. Dieses Modell sollte auch beim Ökumenischen Kirchentag (ÖKT) in Frankfurt 2021 Anwendung finden.

Juli 2022: Mit einer ungewöhnlichen Erklärung äußert sich der Vatikan zum Synodalen Weg in Deutschland. In einer kurzen "Erklärung des Heiligen Stuhls" ermahnt dieser das kirchliche Reformprojekt, es könne die Gläubigen weder zu neuen kirchlichen Leitungsstrukturen noch zu neuen Ausrichtungen von Lehre und Moral verpflichten. Als Grund seiner Sorge nennt der Vatikan eine mögliche "Verletzung der kirchlichen Gemeinschaft und Bedrohung der Einheit der Kirche".

November 2022: Beim "Ad-Limina-Besuch" sprechen die deutschen Bischöfe mit Vatikan-Vertretern über die deutschen Reformvorhaben. Ein von vatikanischer Seite vorgeschlagenes Moratorium lehnen sie jedoch ab. Es wird vereinbart, weitere Gespräche zu führen.

Januar 2023: Kurz vor der fünften Versammlung des Synodalen Weges teilt der Vatikan den deutschen Bischöfen schriftlich mit, die katholische Kirche in Deutschland sei nicht befugt, einen Synodalen Rat einzurichten, in dem Bischöfe und Laien gemeinsam entscheiden.

Februar 2023: Der Vatikan schließt die Gründung sogenannter Synodaler Räte, also gemeinsamer Leitungsorgane von Laien und Klerikern, auch in Bistümern kategorisch aus. Zum Auftakt der Bischofsvollversammlung in Dresden erklärte der Papst-Botschafter in Deutschland, Nuntius Nikola Eterovic, er sei von Amts wegen beauftragt, das entsprechende Schreiben aus Rom vom Januar an die deutschen Bischöfe zu präzisieren.

März 2023: Der Vatikan wendet sich gegen eine deutliche Aufwertung von Laien bei Taufen und Predigten in der katholischen Kirche. In einem Brief erteilt das vatikanische Amt für Gottesdienste und Sakramente entsprechenden Reformforderungen eine Absage: Frauen und nicht zum Priester geweihten Männern sei es weiterhin nicht gestattet, in Gottesdiensten mit Eucharistiefeier zu predigen. Eine Predigt-Erlaubnis für Laien gehört zu den zentralen Forderungen des katholischen Reformprojekts Synodaler Weg in Deutschland.

Bild: ©KNA/Vatican Media/Romano Siciliani

Nach zahlreichen Briefen trafen die deutschen Bischöfe im November 2022 mit Leitern der vatikanischen Dikasterien zusammen. Ein Moratorium für den Synodalen Weg lehnten sie ab.

Juli 2023: Vertreter der deutschen Bischöfe und des Vatikan treffen sich zu Gesprächen über den Synodalen Weg. Die Begegnung am Mittwoch im Vatikan sei in einer positiven und konstruktiven Atmosphäre verlaufen, hieß es in einem gemeinsamen Kommuniquee. An dem Treffen nahmen von der Seiten des Heiligen Stuhl der scheidende Leiter der Glaubensbehörde, der Jesuitenkardinal Luis F. Ladaria Ferrer, der Leiter der Ökumenebehörde, Kardinal Kurt Koch, und Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin mit weiteren Vertretern der römischen Kurie teil. Von Seiten der Deutschen Bischofskonferenz nahmen die Bischöfe Georg Bätzing, Stephan Ackermann, Michael Gerber, Bertram Meier und Franz-Josef Overbeck teil, zusammen mit der Generalsekretärin Beate Gilles und dem Pressesprecher Matthias Kopp teil.

Oktober 2023: Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin teilt den deutschen Bischöfen in einer offiziellen Note vom 23. Oktober mit, dass die den Männern vorbehaltene Priesterweihe und die Lehre der Kirche zur Homosexualität nicht verhandelbar seien. Beides gehört mit zu den Forderungen des Reformprojekts Synodaler Weg.

November 2023: Papst Franziskus äußert sich erneut kritisch zu Reformen der katholischen Kirche in Deutschland. Er teile die "Sorge über die inzwischen zahlreichen konkreten Schritte, mit denen sich große Teile dieser Ortskirche immer weiter vom gemeinsamen Weg der Weltkirche zu entfernen drohen", schreibt Franziskus in einem persönlichen Brief an vier deutsche Katholikinnen, darunter zwei Theologieprofessorinnen.

Februar 2024: Der Vatikan stoppt vorerst die geplante Einrichtung eines Synodalen Ausschusses für die katholische Kirche in Deutschland. Vertreter der Römischen Kurie fordern in einem Brief an die deutschen Bischöfe, eine geplante Abstimmung während der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz zu dem Thema zu streichen.

Von Gottfried Bohl (KNA)