Weltsynode: Neue Strategie ist ein Desaster
Es blieb erstaunlich ruhig, als in der vergangenen Woche das Synodensekretariat in Rom das weitere Vorgehen der von vielen dringlich erwarteten zweiten Hälfte der Weltsynode vorstellte. ZdK-Vize Söding sprach von einer "ambivalenten Wirkung für die Synode". Deutlicher wurde die ehemalige Vorsitzende der Deutschen Ordensobernkonferenz, Schwester Katharina Kluitmann: "enttäuschend" nannte sie die Entscheidung. Die Schweizer Synodale Helena Jeppesen-Spuhler findet das Vorgehen "irritierend".
"Arbeits-" und "Studiengruppen" sollen auf Wunsch des Papstes die zentralen Themen, die in den vergangenen zwei Jahren aus allen Teilen der Weltkirche nach Rom gemeldet wurden, weiter behandeln und bei der Synodalversammlung im Oktober dieses Jahres lediglich einen Bericht abgeben. Über die Themen der Gruppen wird allerdings durch die Synodalen nicht mehr abgestimmt werden. Im Juni 2025 läuft dann das Mandat der Gruppen aus. Bestellt und geleitet werden sie durch das jeweils inhaltlich verantwortliche Dikasterium und das Synodensekretariat, also die Vatikanbehörden. Wer den Gruppen angehören wird, ist also unklar. Unter den Themen, die nun im Oktober der Abstimmung entzogen werden, sind auch jene wie Frauenrechte, Partizipation und Inklusion der Laien – letztlich alle "heißen Eisen", bei denen für viele Ortskirchen großer Entscheidungsbedarf besteht.
Mögliche Erklärungen
Mindestens zwei mögliche Deutungen des päpstlichen Vorgehens drängen sich auf. Die eine liegt vor allem den reformfreudigen Kirchenmitgliedern in Europa und weiten Teilen Nordamerikas nahe: Der Papst spielt wieder mal auf Zeit oder versucht gar die zentralen Inhalte der Weltkirche gänzlich abzuräumen. Er will weiter über Synodalität sprechen und meint damit letztlich nur einen neuen, freundlicheren Modus des Miteinanders in den selben althergebrachten kirchlichen Strukturen. Nur eben freundlicher, in Ansätzen inklusiver und weiblicher – im Ganzen aber eine unveränderte Gestalt, in der lediglich mehr Raum zum Hören und gemeinsamen Nachspüren der Differenzen ist; ganz so wie es bisher auch die Methode der Synode, das "Gespräch im Geist" war.
Die andere Deutung geht davon aus, dass hinter der impulsiven, oft undiplomatischen Fassade des Papstes doch ein Stratege steckt, der schon jetzt absieht, dass bei der Synode in Rom keine Einigkeit in für viele Ortskirchen wichtigen Punkten zu erlangen ist. Die teils heftigen Reaktionen, etwa der Bischofskonferenz Afrikas auf die Vatikan-Erklärung "Fiducia supplicans" über die mögliche en-passant-Segnung homosexueller Paare, haben Franziskus nochmal deutlich vor Augen geführt, dass die Synode Gefahr läuft, trotz aller spirituellen Methodik im Streit zu enden und den Anfang eines Schismas zu markieren.
Gleich welcher Deutung man folgen mag, für den Fortgang der Weltsynode ist die neue und kurzfristig angesetzte Strategie des Papstes mehr als nur eine "Verzögerungstaktik" (Söding). Sie ist ein Desaster, weil sie im Ganzen zu einer Entkernung der Synode führt und Synodalität zu einem hohlen Begriff macht, der leidlich spiritualisiert gefüllt wird. Es gleicht dann einem Orchester, das gemeinsam eine Komposition erarbeiten will, dabei aber nicht über Harmonik, Melodie, Rhythmus und Besetzung in den Austausch kommen darf. Es kann und wird nicht gelingen, die Schönheit und Vielfalt der unterschiedlichen Ortskirchen in einer Universalkirche zum Klingen zu bringen, wenn die dafür zentralen Punkte nicht breiten Raum in einem offenen Austausch mit Abstimmungsmöglichkeiten haben.
Ringen um Einheit
Hilfreich wäre es gewesen, wenn Franziskus angesichts des aktuellen Synthese-Berichts, in dem ja die Buntheit der Ortskirchen in weiten Teilen gut zum Ausdruck kommt, ermutigt, im Oktober dieses Jahres in Rom die Räume zu weiten, in denen unterschiedliche Glaubenspraktiken möglich sind. Dezentralisierung, ein Topos den Franziskus immer mal wieder hervorholt, um ihn dann durch päpstliche Einzelentscheidungen mit universalkirchlicher Gültigkeit wieder zu konterkarieren, sollte der zentrale Beratungsgegenstand der Synode im Oktober sein. Das Ringen um die Einigkeit aller Ortskirchen über alle Kontinente hinweg wird weder in Arbeitsgruppen gelingen, noch ist sie in allen Fragen notwendig.
Wenn die Universalkirche nicht durch vatikanische Uniformitätsansprüche erdrückt werden soll, mag ein Wort des kroatischen Wissenschaftlers und Erzbischofs von Split Marko Gospodnetić aus dem 16. Jahrhundert hilfreich sein und gewissermaßen als Leitwort die Synodalversammlung prägen: "Einigkeit in dem Notwendigen, Freiheit in dem Unnötigen, Nächstenliebe in allem." Das Ringen um die Unterscheidung von Notwendigem und Unnötigem kann der Synode niemand abnehmen – genauso wenig wie jedem einzelnen Gläubigen, gleich wo auf der Welt.
Der Autor
Dr. Markus Demele ist seit 2012 Generalsekretär von Kolping International. Der Theologe arbeitete bis 2012 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Oswald von Nell-Breuning Institut für Wirtschaftsethik und als Seelsorger in der Katholischen Hochschulgemeinde der Universität Frankfurt. Er ist Vorstandsvorsitzender des katholischen Personaldienstleisters Agiamondo e. V. und Mitglied des Aufsichtsrates von Adveniat. Seit 2022 ist er Lehrbeauftragter für Internationale Soziale Arbeit an der Kolping Hochschule in Köln.