Nach dem "Nein" des Pontifex zur Weihe von Diakoninnen

Warum Papst Franziskus die Diakoninnen-Debatte bremst

Veröffentlicht am 15.06.2024 um 00:01 Uhr – Von Mario Trifunovic – Lesedauer: 

Bonn ‐ Erst soll Papst Franziskus sehr für das Frauendiakonat gewesen sein. Doch nun dämpfte der Pontifex in einem Fernsehinterview die Erwartungen. Kommissionen befassten sich mit dem Thema, die Weltsynode war ein Hoffnungsschimmer. Was aber ist das Problem? Und hat das Frauendiakonat noch eine Zukunft?

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Während der italienische Komiker Roberto Benigni am Weltkindertag im Beisein von Papst Franziskus davon sprach, dass es eines Tages eine Frau als Päpstin geben könnte, dämpfte der Pontifex kürzlich mit einem schlichten "Nein" alle Erwartungen an das Diakonat der Frau. In einem Interview mit dem US-Sender "CBS" hatte das Kirchenoberhaupt die Frage nach Diakoninnen verneint und eine Antwort gegeben, die für viel Kritik sorgte: "Wenn es um geweihte Diakone geht, dann nein. Aber Frauen haben schon immer, würde ich sagen, Aufgaben einer Diakonin übernommen, ohne Diakon zu sein. Frauen sind großartig im Dienst als Frauen, aber nicht im Dienst mit Weihe".

Das Grundproblem scheint demnach das dreigeteilte Weihesakrament zu sein. Mit Papst Benedikt XVI. wurde 2009 durch das Motu Proprio "Omnium in mentem" eine Unterscheidung zwischen Diakonen und Priestern in das Kirchenrecht eingeführt. Damit sollte klargestellt werden, dass nur Bischöfe und Priester "in persona Christi" handeln und dass es Unterschiede zwischen Diakonat und Priestertum gibt. Der eigentliche Unterschied besteht daher nach dem geltenden Kirchenrecht darin, dass die Bischofs- und Priesterweihe dem Geweihten Sendung und Vollmacht "in persona christi capitis" ("in der Person Christi, des Hauptes") verleihen, während die Diakonenweihe die Kraft verleiht, "dem Volk Gottes im Diakonat der Liturgie des Wortes und der Liebe zu dienen". Die Abkopplung der ersten Weihestufe vom kirchlichen Leitungsdienst stieß seinerzeit auf Kritik, besonders unter Ständigen Diakonen. Man habe Benedikts Ausführungen als Herabwürdigung verstanden.

Kommissionen erzielten kein eindeutiges Ergebnis

Bereits 1967 auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil kam es zu einer "Neuerung", der Einrichtung des Ständigen Diakonats. Papst Paul VI. genehmigte diese Neuerung, die jedoch weiterhin Männern vorbehalten war. Neu war nur, dass er nun auch verheirateten Männern offenstand. Die Ständigen Diakone und jene, die den Diakonat nur als Übergang zur Priesterweihe durchliefen, gehörten nach Paul VI. zu einer Ordnung und wurden nach demselben Ritus geweiht. Dennoch blieb die Frage der Zulassung von Frauen zum Diakonat offen. In den 1970er Jahren befasste sich die Internationale Theologenkommission, ein Beratungsgremium des Glaubensdikasteriums, mit dieser Frage, ohne jedoch zu einem Ergebnis zu kommen. In den 1990er Jahren unternahm dieselbe Kommission einen neuen Anlauf. Das Ergebnis: Einer Weihe von Frauen zu Diakoninnen stehe nichts im Wege, doch der damalige Glaubenspräfekt Kardinal Ratzinger promulgierte das Dokument nicht, sondern gab es an die Kommission zurück. Erst 2002 befasste sich die Internationale Theologenkommission erneut mit einer möglichen Zulassung. Die Kommission kam jedoch zu keinem eindeutigen Ergebnis.

Bild: ©privat

Die amerikanische Theologieprofessorin Phyllis Zagano von der Hofstra University in New York gilt als weltweit anerkannte Expertin zum Thema Frauendiakonat. Sie war Mitglied der ersten von Papst Franziskus eingesetzten Studienkommission.

Mit Papst Franziskus als Kirchenoberhaupt ist die Atmosphäre für Diskussionen rund um die "Frauenfrage" zunehmend entspannter geworden. Solche Diskussionen werden nicht mehr mit dem Totschlagargument der fehlenden Vollmacht aus dem Apostolischen Schreiben "Ordinatio Sacerdotalis" von Johannes Paul II. aus dem Jahr 1994 vom Tisch gewischt. Bei einer Audienz mit Ordensfrauen im Rahmen der Internationalen Generaloberinnenversammlung im Jahr 2016 wurde Franziskus gefragt, ob Frauen in den Ständigen Diakonat aufgenommen werden könnten und ob eine offizielle Studienkommission sich dieser Frage annehmen würde. Der Papst machte schon damals deutlich, dass nicht klar genug sei, welche Rolle Diakoninnen in der frühen Kirche gespielt hätten und ob sie überhaupt geweiht worden seien. Dennoch hielt er eine Kommission für sinnvoll und berief zwölf Theologinnen und Theologen in die neue Expertengruppe, die sich speziell mit der Rolle der Diakoninnen in der frühen Kirche befasste. Unter der Leitung des damaligen Glaubenspräfekten Luis Ladaria arbeiteten sechs Frauen und sechs Männer an der Untersuchung des Frauendiakonats. Zu den berufenen Theologen gehörten Karl-Heinz Menke, emeritierter Dogmatikprofessor der Universität Bonn, sowie Marianne Schlosser von der Universität Wien und die Theologin und Autorin Phyllis Zagano.

Dass die Kommission ihre Arbeit ohne endgültiges Ergebnis beendete, war angesichts der geteilten Meinungen fast zu erwarten. Zagano veröffentlichte in der Folge ein Buch, in dem sie für die Wiedereinführung des Frauendiakonats in der katholischen Kirche plädierte. Menke hingegen lehnte die Weihe von Frauen zu Diakoninnen mit dem Argument ab, dass sie keine Priesterinnen sein könnten. Die Studienkommission legte Papst Franziskus im Januar 2019 einen ersten Bericht vor, allerdings ohne "definitive Antwort". Obwohl der Bericht nie veröffentlicht wurde, ließ Franziskus verlauten, dass jedes der 12 Mitglieder der Kommission "anders gedacht" habe. Laut einem Bericht des "National Catholic Reporter" sagte er, man habe zwar zusammengearbeitet, aber nur bis zu einem gewissen Punkt Übereinstimmung erzielt, da jeder seine eigene Vision hatte. Schon damals sei die wichtigste Frage die nach der Weihe gewesen und ob sie sakramental sei oder nicht. Die von der Kommission ausgewerteten historischen Dokumente bezüglich der Weiheworte zeigten, dass diese nicht dieselben waren wie bei der Weihe der männlichen Diakone.

Vorsichtige Wende

Eine konkrete Antwort auf die Frage nach Diakoninnen lässt trotz Studienkommissionen weiter auf sich warten. Im Oktober 2019 befasste sich die Amazonas-Synode im Vatikan erneut mit diesem Thema. Deren Schlussdokument betonte, dass die Zulassung von Frauen zum Diakonat in den Beratungen mehrfach gefordert worden sei. Trotz der Forderungen nach dem Frauendiakonat und der Zulassung von "viri probati", bewährten Ehemännern, zum Priestertum, griff Papst Franziskus diese Anregungen in seinem nachsynodalen Schreiben "Querida Amazonia" nicht auf. Stattdessen versprach er, dass die vorherige Kommission ihre Arbeit fortsetzen werde, doch im April 2020 wurde eine völlig neue Kommission unter der Leitung von Kardinal Giuseppe Petrocchi eingesetzt, die 2021 ihre Arbeit aufnahm.  Zu den zehn Mitgliedern gehörten die in der Schweiz lehrenden deutschen Theologieprofessoren Barbara Hallensleben und der Dogmatiker Manfred Hauke. Auch von der zweiten Studienkommission liegt noch kein Abschlussbericht vor, aber die jüngsten Entwicklungen zeigen, dass die wichtigste Frage die der Ordination zu sein scheint.  

Papst Franziskus schaut zur Seite
Bild: ©picture alliance / Photoshot

Die für die Organisation des Treffens verantwortliche katholische Theologin und Ordensfrau Linda Pocher betonte in den Medien, dass der Papst das Diakonat der Frau sehr befürworte und man im Vatikan derzeit versuche zu verstehen, wie das Frauendiakonat in die Praxis umgesetzt werden könne.

Im Februar dieses Jahres kam es schließlich zu einer vorsichtigen Kehrtwende. Das Beratungsgremium des Papstes, der Kardinalsrat, auch K9 genannt – eine Gruppe von neun Kardinälen, die die Kirche auf verschiedenen Kontinenten repräsentieren – lud auf Wunsch des Pontifex die anglikanische Bischöfin Jo Bailey Wells ein. Man wollte die Erfahrungen der anglikanischen Kirche mit der Frauenordination hören. Bei dem Treffen ging es unter anderem um mögliche Ämter für Frauen in der katholischen Kirche und bereits mögliche Lösungen. Die für die Organisation des Treffens verantwortliche katholische Theologin und Ordensfrau Linda Pocher betonte in den Medien, dass der Papst das Diakonat der Frau sehr befürworte und man im Vatikan derzeit versuche zu verstehen, wie das Frauendiakonat in die Praxis umgesetzt werden könne.

Nach den immer wiederkehrenden ablehnenden Äußerungen von Papst Franziskus zum Frauenpriestertum und dem Beharren auf der geltenden kirchlichen Lehre waren diese Schritte für viele Befürworter des Frauendiakonats ein Hoffnungsschimmer. Große Hoffnungen wurden auch auf das große Finale der Weltsynode in diesem Herbst gesetzt. Mit der Erweiterung des Beratergremiums der Weltsynode um sechs weitere Mitglieder, darunter drei Frauen, die dem Frauendiakonat und sogar dem Frauenpriestertum nicht abgeneigt zu sein scheinen, schien alles in diese Richtung zu gehen. Noch Ende März hatten sich die italienische Theologin Maria Lucchetti Bingemer und die US-Soziologin Tricia Bruce gegenüber katholisch.de für eine Öffnung ausgesprochen. Doch dann fiel das fast fertige Kartenhaus halb in sich zusammen, als bekannt wurde, dass das Frauendiakonat von der zweiten Sitzungsperiode der Weltsynode abgekoppelt wurde. Zehn Expertengruppen wurden beauftragt, die zum Teil umstrittenen Themen, darunter auch das Frauendiakonat, zu vertiefen. Die Studiengruppe dazu soll sich nun bis Juni 2025 intensiver mit dem Thema beschäftigen, ein erster Kurzbericht mit Arbeitsplan und Erläuterungen soll aber noch vor der Weltsynode vorgelegt werden.

Ortskirchen sollen entscheiden

Wenn keine Weihe, was dann? Die Benediktinerin Philippa Rath kritisierte, viele Frauen seien nicht mehr bereit, lange zu warten. Sie lasse sich vom Veto des Papstes aber nicht beirren und werde weiter für das Frauendiakonat kämpfen. Kritik kam auch von der US-Theologin Phyllis Zagano, die 2016 selbst Mitglied einer päpstlichen Kommission zur Frage des Frauendiakonats war. In einem Interview mit dem "National Catholic Reporter" sagte sie wenige Tage nach dem "Nein" des Kirchenoberhaupts, es sei bedauerlich, dass Papst Franziskus sich als jemand darstellen lasse, der die Tradition geweihter Diakoninnen im Christentum leugne. Zwar könne man nicht beweisen, dass alle Frauen, die diakonische Arbeit geleistet hätten, auch geweiht gewesen seien, sagte die Theologin einen Monat vor Franziskus' CBS-Interview im Himmelklar-Podcast. Man könne aber auch nicht sagen, dass in der Urkirche keine Frauen ordiniert worden seien.

Der Vatikan scheint sich mit den unzähligen Anläufen der verschiedenen Kommissionen im Kreis zu drehen. Mit der Theologin Zagano lässt sich abschließend sagen, dass die Weihe von Frauen zu Diakoninnen nicht mehr eine Frage des Könnens ist, sondern ob es dazu kommt und wenn ja, wie. An der Diskussion und möglichen Schritten führe kein Weg mehr vorbei, Ideen gebe es bereits. Zum Beispiel die, dass die Bischofskonferenzen sich an Rom wenden, wenn sie Diakoninnen in ihren Diözesen einführen wollen – und Rom dem Vorhaben zustimmen müsste. Zagano betont die Autorität des einzelnen Bischofs und weist darauf hin, dass es in vielen Ländern noch keine ständigen männlichen Diakone gebe. Auch die Untersekretärin des römischen Synodensekretariats, die französische Ordensfrau Nathalie Becquart, hält es für denkbar, dass die einzelnen Ortskirchen über den Diakonat der Frau entscheiden. Wenn also der Papst auf die Einheit der Kirche Rücksicht nimmt und bisher keine Entscheidung treffen konnte oder wollte, dann scheint ein solcher Kompromiss denkbar – und vor allem machbar.

Von Mario Trifunovic