Margret Schäfer-Krebs ist Referentin für bischöfliche Liturgien in Rottenburg

Wenn eine Frau bischöfliche Zeremoniarin wird

Veröffentlicht am 18.06.2024 um 00:01 Uhr – Von Madeleine Spendier – Lesedauer: 

Rottenburg ‐ In der Diözese Rottenburg-Stuttgart plant und gestaltet eine Theologin die bischöflichen Gottesdienste. Normalerweise übernehmen diese Aufgabe Priester, also Bischofssekretäre. Im Interview mit katholisch.de erklärt Margret Schäfer-Krebs, wie es dazu kam, dass sie diese Stelle innehat.

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Ein Bischofssekretär, meist ein Priester oder Vikar, ist in einer Diözese verantwortlich für die bischöflichen Gottesdienste, also die Pontifikalämter. Weil im Bistum Rottenburg-Stuttgart ein Priester fehlte, der diese Aufgabe hätte übernehmen können, wurde die Stelle neu strukturiert und an eine Frau vergeben. Damit ist die studierte Theologin Margret Schäfer-Krebs die erste Referentin für die bischöfliche Liturgie in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Ihre Stelle ist einzigartig in Deutschland. 

Frage: Frau Schäfer-Krebs, Sie sind seit 2021 mit einer halben Stelle die bischöfliche Zeremoniarin in Rottenburg. Was genau sind Ihre Aufgaben dort?

Schäfer-Krebs: Ich stimme die liturgischen Texte, die musikalische Gestaltung und den Ablaufplan der einzelnen Pontifikalämter und Gottesdienste mit den anderen Mitwirkenden und Verantwortlichen vor Ort ab und bin dort als Zeremoniarin für deren reibungslosen Ablauf zuständig. Seitdem Bischof Gebhard Fürst im Ruhestand ist, wurde meine Aufgabe nochmals geändert. Nun bin ich für die Abläufe der Pontifikalämter unserer drei Weihbischöfe im Rottenburger Dom und in der Konkathedrale St. Eberhard in Stuttgart zuständig sowie für die Weiheliturgien und die größeren Gottesdienste unseres Diözesanadministrators und Generalvikars Clemens Stroppel, wie etwa die Fronleichnamsliturgie in Rottenburg.

Frage: Normalerweise übt diese Funktion ein Bischofssekretär aus, also ein Kleriker. Warum haben Sie diese nun übernommen?

Schäfer-Krebs: Als der letzte Bischofssekretär aus dem Dienst ausgeschieden ist, wurde ich von Bischof Gebhard Fürst kurz vor Weihnachten 2020 angefragt, aushilfsweise über die Feiertage die Vorbereitung der bischöflichen Liturgien zu übernehmen. Die Aushilfstätigkeit ging in die Verlängerung und wurde am 1. Juni 2021 zur regulären Übernahme der Aufgaben eines Bischofssekretärs für den liturgischen Bereich. Durch die traditionelle Besetzung der Stelle eines bischöflichen Sekretärs durch einen jungen Priester, wäre ich auch nie auf die Idee gekommen, mich für diese Aufgabe zu interessieren. Bischof Fürst hat nach dem Rückzug des ursprünglich als Bischofssekretär vorgesehenen Priesters den Aufgabenbereich neu geordnet und mir den liturgischen Bereich mit einer halben Stelle übertragen. Da ich ohnehin schon lange als Fachreferentin für Liturgie und Ökumene im Ordinariat tätig und bei ökumenischen Gottesdiensten auf Bischofsebene des Öfteren in der Vorbereitung beteiligt war, war mir die Arbeit nicht ganz fremd.

Frage: Sie kamen also aufgrund des Priestermangels, aus einer Notsituation heraus, an diese Stelle?

Schäfer-Krebs: Ja, so ist es. Ich wäre nicht in dieser Funktion, wenn es dafür einen Diakon oder Priester gegeben hätte. Weil für den Posten niemand gefunden wurde, bin ich für die längerfristige Besetzung angefragt worden. Aber das war in meiner beruflichen Laufbahn immer wieder so. Immer wieder habe ich Aufgaben übernommen, weil "Not am Mann" war. 1991 wurde ich vom damaligen Liturgiereferenten der Diözese, Dr. Werner Groß, angefragt, Leitungsverantwortung im von ihm aufgebauten Pastoralliturgischen Institut zu übernehmen. Als Pastoralreferentin hatte ich zuvor einiges an liturgischer Erfahrung gesammelt. Auch ihm fehlte ein Priester, der diese Aufgabe übernehmen wollte. So wurde ich Referentin für liturgische Dienste und bildete jahrelang viele Wortgottesfeierleitende, Kommunionhelfer und weitere liturgisch tätige Personen aus. Ähnlich war es auch mit der Übernahme der Bestellung zur Diözesanpräses des Mesnerverbandes der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Anfang Januar 2020. Die Erfahrung, die sich aber genauso durchzieht, ist die, dass ich nicht der Notnagel geblieben bin, sondern durch das Tun merkte man und merkte ich, dass "es geht". Die Arbeit für und rund um die Liturgie wurde beruflich mein Lebensthema.

Bild: ©katholisch.de/ msp

Die Theologin und Pastoralreferentin Margret Schäfer-Krebs ist Referentin für bischöfliche Liturgien und mit einer halben Stelle auch noch Referentin für Ökumene in der Diözese Rottenburg-Stuttgart.

Frage: Sie waren bei vielen Pontifikalämtern mit dem inzwischen zurückgetretenen Bischof Gebhard Fürst dabei. Was war Ihnen bei der Gestaltung dieser Gottesdienste wichtig?

Schäfer-Krebs: Was mir bei der Gestaltung der Gottesdienste wichtig ist, gilt nicht nur für bischöfliche Gottesdienste. Das sind viele Dinge und Aspekte. Liturgie ist ein Gesamtkunstwerk und ein Zusammenspiel von Raum und Choreographie, Wort und Musik, Symbolhandlungen und Stille. Und das für die jeweilige Situation und den jeweiligen Anlass in eine "Stimmigkeit" für alle Akteure, die Gemeinde – zu bringen, das war mir immer wichtig. Aber nicht nur in dem Sinne, dass die Äußerlichkeiten stimmen, sondern dass dadurch das eigentliche Geschehen durchscheint. Eine gute Kommunikation mit und unter den Beteiligten im Vorfeld ist Voraussetzung dafür. Für die Gebete und Texte, Musikstücke und Lieder braucht es eine gute Auswahl. Und alle Beteiligten sollen sich wohl fühlen, wenn sie vor der Gemeinde stehen. Wenn im Altarraum eine Unruhe herrscht, dann überträgt sich das auf die Feiernden. Die Ruhe, Sorgfalt und Stimmigkeit übertragen sich auf eine gute Stimmung und Feierlichkeit. Das gilt umso mehr bei besonderen Gottesdiensten wie ich sie auf dem Katholikentag in Stuttgart oder bei der Seligsprechung von Pater Philipp Jeningen in Ellwangen 2022 erlebt habe. Mir hilft dabei sehr, dass ich bei der Vorbereitung eines Gottesdienstes ein klares Bild davon bekomme und den Ablauf geistig "durchexerziere" und dabei auf "Unstimmigkeiten" achte.

Frage: Hatten Sie einmal den Wunsch verspürt, am Altar mitzufeiern?

Schäfer-Krebs: Als Zeremoniarin selbst nicht, denn da bin auf meine Aufgabe konzentriert.

Frage: Wären Sie selbst gerne Priesterin geworden?

Schäfer-Krebs: Ja. Ich weiß, dass ich das Charisma dazu in mir trage. Aber weil ich eine Frau bin, ist mein beruflicher Weg anders verlaufen. Das ging nicht schmerzfrei. Es ist bei mir, wie bei vielen anderen Frauen, eine offene Wunde, dass die Kirche unsere Berufung zu einem Weiheamt nicht haben will, weil wir Frauen sind. Für mich war es immer wieder eine Frage, wie ich damit umgehe. Die Wunde ignorieren geht nicht, ständig darin herumbohren, schadet mir selbst am meisten. Ein befreiender Gedanke bis heute ist der, dass ich nicht glauben konnte und kann, dass Gott mich in einem kirchlichen Beruf haben wollte, um darin und dabei unglücklich zu werden. Ich wollte auf keinen Fall als eine verhinderte Priesterin herumlaufen und mir selbst und anderen das Leben dadurch schwer machen. Sich so auf einen kirchlichen Dienst einzulassen ist aber ein Balanceakt. Ich brauchte für mich immer wieder die Vergewisserung, warum ich das tue, was ich tue. Und ich habe mich auch immer wieder dazu entschieden, meine Energie und meine Talente nicht in das zu stecken, was mir verwehrt ist, sondern in die Arbeit, die vor mir lag. Dadurch konnte ich auch viele beglückende und schöne Erfahrungen machen.

„Vieles wurde nicht deshalb ermöglicht, weil Frauen das Zeug dazu haben, sondern aus Not am priesterlichen Manne. Immer wieder möchte ich meine Kirche fragen: Warum habt ihr solche Angst vor uns?“

—  Zitat: Margret Schäfer-Krebs

Frage: In der Diözese Rottenburg-Stuttgart sind Frauen und pastorale Mitarbeitende zum Predigtdienst zugelassen, taufen und beerdigen an ihren Dienstorten. Da ist doch schon viel möglich...

Schäfer-Krebs: Ja, ich freue mich sehr darüber, wenn Frauen mit großer Selbstverständlichkeit ihre Charismen einbringen und gestalten können. Und das tun sie in vielen Liturgien wunderbar. Da hat sich im Laufe der Jahre in unserer Diözese und auch andernorts viel getan, was zwei Generationen zuvor noch undenkbar war. Aber das, war ich persönlich erlebt habe, spiegelt sich auch darin: Vieles wurde nicht deshalb ermöglicht, weil Frauen das Zeug dazu haben, sondern aus Not am priesterlichen Manne. Immer wieder möchte ich meine Kirche fragen: Warum habt ihr solche Angst vor uns?

Frage: Was ist Ihnen neben und bei der Arbeit für die Liturgie wichtig?

Schäfer-Krebs: Das ist für mich die Freundschaft und Begegnung mit Christus, sie zu pflegen und zu gestalten, in Gemeinschaft mit anderen am Ort und über den eigenen Kirchturm hinaus. Je älter ich werde, wird mir auch die Verbindung mit der himmlischen Feiergemeinde wichtiger. Ich kann die Liturgie auch nicht isoliert sehen. Nach dem Schlusssegen geht es im Alltag weiter und in den Gottesdienst bringe ich einen Rucksack voll mit an Gedanken, Anliegen, Geschichten und Fragen - Leben eben. Und verschweigen möchte ich auch nicht, dass es für mich Störfaktoren der Liturgie gibt, und da meine ich nicht zuerst falsche Töne in der Musik, sondern das was dem eigentlichen Geschehen im Wege stehen kann. Wir sind von Christus eingeladen, um ihn versammelt, seine gute Botschaft zu hören, sein Mahl zu feiern und ihn selbst zu empfangen, mit seinem Frieden und Segen weiterzugehen, füreinander da zu sein. Wie geht das mit 20 Leuten, verteilt in 40 Bänken? Gibt das die Sprache und das Sprechen in der Liturgie wieder? Ist das, was die einzelnen Beteiligten und Mitwirkenden tun und wie sie es tun, auf Christus hin transparent? Sind sie da oder noch oder bereits wo anders? Ist Liturgie etwas Fertiges zum Abarbeiten beziehungsweise zum Abfeiern? Liturgie kann ich letztlich nicht machen, aber es gibt viele Faktoren und Momente, die die Tür zur Begegnung mit Christus öffnen oder eher versperren können. Was tue ich da und für wen? Das ist immer wieder die Frage, die der eigenen Ausrichtung verhelfen kann. Wenn ich es ernst nehme, dass Christus da und uns sein Geist gegeben ist, dann muss ich mit seinem Wirken rechnen und dafür offen sein – und da kann einem auch in der schlichtesten, aber liebevollen Liturgie das Herz aufgehen.

Von Madeleine Spendier