Appell an Papst Franziskus: Frauenpriestertum muss diskutiert werden
In einem Offenen Brief an Papst Franziskus haben sich mehrere Initiativen, darunter "Wir sind Kirche", "Maria 2.0" und "Frauenweihe.Jetzt", für eine offene Debatte über die Zulassung von Frauen zum Priesteramt ausgesprochen. In dem Schreiben vom 21. Juni betonen die Verfasser, dass das Thema bei der nächsten Weltsynode im Herbst diskutiert werden müsse. Die Frage der Frauenordination werde "nicht im Geist der Feindschaft, sondern aus Liebe zum Glauben und aus Liebe zur Kirche" gestellt. Das Ignorieren dieser Frage untergrabe die Artikulationsfähigkeit des "sensus fidei" des Klerus und der Gläubigen.
Die Kirche stehe vor großen Herausforderungen und müsse sich den Veränderungen in der Welt stellen, ohne den Kern ihres Glaubens zu verlieren, so der Text weiter. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil stehe das Thema Frauenpriestertum auf der Tagesordnung. Trotz des 1994 von Papst Johannes Paul II. im Apostolischen Schreiben "Ordinatio sacerdotalis" ausgesprochenen (Ausschluss)Verbots der Frauenordination werde die Notwendigkeit einer offenen Diskussion betont. Das "Nein" des polnischen Papstes gelte nur so lange, bis sich die Lehrmeinung ändere. Solche Veränderungen seien nicht nur real, sondern auch wichtig, weil sie die Zeichen der Zeit in die Lehre der Kirche und in einen lebendigen Glauben transformieren, betonen die Autoren. Und weiter: "Auch die derzeitige Lehre ist Ergebnis solcher Änderungen. Vorher ist es für jeden Christen nicht nur erlaubt, sondern auch erwünscht, an diesen Änderungen mitzuwirken. Das kann durch eigene Reflexion, aber auch durch öffentliche Diskussion geschehen. Wer loyal auf eine Änderung der Lehre hinwirkt, beachtet die kirchliche Lehre und handelt ihr nicht zuwider."
Keine eindeutige Absage
In dem Brief an das Kirchenoberhaupt wird unter anderem darauf hingewiesen, dass die Bibel keine eindeutige Absage an die Frauenordination enthalte und die Päpstliche Bibelkommission bereits 1976 festgestellt habe, dass das Neue Testament in dieser Frage keine Entscheidung treffe. "Folglich könne kein Verbot von Priesterinnen aus neutestamentlichen Aussagen herausgelesen werden; auch werde der Heilsplan Christi durch die Zulassung der Frauenordination nicht überschritten oder verfälscht", betonen die Verfasser des Briefes. Sie rufen dazu auf, die Weltsynode 2024 für eine offene Debatte über das Frauenpriestertum zu nutzen. Diese Debatte müsse für alle – Laien und Geistliche – offen sein und alle Inhalte und Ergebnisse zulassen.
Die Kirche müsse heute den Mut haben, die Zeichen der Zeit zu erkennen und in den Austausch zu treten, um wirklich synodal zu sein, was in der katholischen Kirche nicht selbstverständlich zu sein scheine. "Vielerorts ist es nicht möglich, weil die Freiheit dazu innerkirchlich unterdrückt wird. In den europäischen Ländern ist die freie Meinungsäußerung in jüngerer Zeit viel leichter geworden", heißt es. Und: "Wer heute beispielsweise die Debatte über die Frauenweihe normativ für beendet erklärt, gehört innerkirchlich zu einer Minderheit. Wer sie zu unterbinden versucht, trifft auf wirkmächtige innerkirchliche, gesellschaftliche und rechtliche Widerstände." Außerhalb Europas, so die Autoren, sei die Situation anders: Wer dort offen über das Frauenpriestertum spreche, müsse mit Sanktionen rechnen. Deshalb betonen die Autoren in ihrem Appell an den Papst, dass solche innerkirchlichen Sanktionen über die zukünftige Lehre der Kirche absolut inakzeptabel seien und "unbedingt aufhören" müssten. Dazu müsse die Weltsynode mit gutem Beispiel vorangehen und die Debatte über das Frauenpriestertum offen führen. "Damit würde die Kirche aktiv christliche Werte verteidigen, die in vielen Ländern unverändert von einigen Bischöfen grob missachtet werden", heißt es abschließend.
Zu den weiteren Unterzeichnern gehören die Initiativen "Priester ohne Amt", "OrdensFrauen für MenschenWürde", die "Pfarrer-Initiative Deutschland und Österreich", "Spirit Unbounded", die "Allianz Gleichwürdig Katholisch", die "Herbert-Haag-Stiftung für Freiheit in der Kirche", die "Laieninitiative" sowie der "Schweizerische Katholische Frauenbund SKF". Vom 2. bis 27. Oktober 2024 werden die rund 400 Teilnehmer der 16. Generalversammlung der Bischofssynode zu ihrem zweiten und abschließenden Teil in Rom zusammenkommen. Damit endet die Weltsynode, die 2021 eröffnet wurde. Da die neuen Studiengruppen auf Weisung des Papstes bis Ende Juni 2025 Zeit haben, ihm ihre Ergebnisse vorzulegen, wird davon ausgegangen, dass ihre Themen bei der Synodenversammlung nicht zur Abstimmung kommen. Papst Franziskus hatte im März die Einrichtung von zehn Studiengruppen zu Reformthemen angekündigt. Neben der Priesterausbildung, der Rolle der Bischöfe und grundsätzlichen Ämterfragen gehört dazu auch das Thema Frauenordination und die Möglichkeit eines Diakonats für Frauen. (mtr)