"Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar. Punkt"

Kardinal Marx warnt: Europäische Union kann wieder auseinanderfallen

Veröffentlicht am 01.07.2024 um 11:44 Uhr – Lesedauer: 

München ‐ Vor 90 Jahren ermordeten die Nationalsozialisten den Journalisten und Widerstandskämpfer Fritz Gerlich. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx ruft nun dazu auf, "hellwach" zu sein: Völkischer Nationalismus bedrohe Europa.

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Der Münchner Kardinal Reinhard Marx sorgt sich um die Europäische Union (EU). Dieses Friedensprojekt sei bedroht von einem "völkischen Nationalismus", warnte der Erzbischof von München und Freising am Sonntagabend bei einem Gottesdienst in der Münchner Basilika Sankt Bonifaz. Dieser fand im Gedenken an den vor 90 Jahren im Konzentrationslager Dachau ermordeten Publizisten Fritz Gerlich (1883-1934) statt.

Er selbst sei ein "begeisterter Europäer", bekannte der Kardinal. Als sein Vater ihn während des Studiums in Paris besucht habe, sei das für ihn "eine Freude" gewesen, was Europa nach dem Krieg in Gang gebracht habe. Er fügte hinzu, es sei nicht sicher, "ob das gelingt, ob das nicht doch wieder auseinanderfällt", wenn "völkischer Nationalismus" etwa von Parteien wie der AfD propagiert werde.

"Völkischer Nationalismus und Christentum unvereinbar"

Marx betonte, "noch" sei das nicht die Mehrheitsmeinung des Volkes. Man müsse aber hellwach sein: "Fritz Gerlich würde heute auch hellwach Artikel schreiben, aber deutlich! Und das müssen wir jetzt tun", rief Marx auf. Er erinnerte an das jeweils einstimmige Urteil der Freisinger und der Deutschen Bischofskonferenz (DBK): "Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar. Punkt."

Noch vor der Machtergreifung Hitlers "gab es genug Menschen, Fritz Gerlich gehörte dazu, die glasklar deutlich gemacht haben: Hitler heißt Krieg, Unterdrückung und Terror", sagte der Kardinal. Gerlich, für den ein Seligsprechungsverfahren läuft, sei zunächst "ein Protestant, Calvinist, auch ein ziemlich heftiger Nationalist" gewesen. Die Begegnung mit Therese Neumann, als katholische Mystikerin unter dem Namen Resl von Konnersreuth bekannt, und dem Kreis um sie habe dazu geführt, "dass seine Bekehrung" nicht etwa "weg von den Problemen der Welt" geführt habe, "sondern ganz im Gegenteil".

Christliche Mystik öffne die Augen

Marx erklärte: "Die christliche Mystik öffnet uns die Augen für die Not und die Herausforderung der Welt." Für Gerlich sei klar gewesen, "dass mit einem christlichen Menschenbild das, was das NS-Regime anstellte, überhaupt nicht vereinbar ist". Nicht umsonst habe sich Hitler jede Ausgabe der von Gerlich verantworteten Zeitschrift "Der Gerade Weg" vorlegen lassen. Ab März 1933 war der Journalist Gerlich ohne Prozess inhaftiert. Er wurde immer wieder schwer gefoltert, in der Nacht auf den 1. Juli 1934 nach Dachau überführt und dort erschossen.

"Wir müssen den Anfängen wehren. Das fängt im Denken an, im Reden", betonte der Kardinal. Er glaube nicht, dass sich Geschichte einfach wiederhole, "aber es gibt immer wieder Tendenzen, falsche Wege zu gehen, Menschen in verschiedene Klassen einzuteilen", warnte Marx. Immer wieder drohe die Versuchung, Herrschaft auszuüben über einen anderen und damit das Recht zu ersetzen durch die Macht. (KNA)