Obdachlose und Arme als Vorhut
Der päpstliche Almosenverwalter Erzbischof Konrad Krajewski händigte den Reisenden zudem je 30 Euro aus und sagte: "Wir dürfen Bedürftige nicht nur mit Brot ernähren, sondern müssen ihnen auch Gelegenheit geben, sich an schönen Dingen zu erfreuen." Die Obdachlosen und Armen bereiteten "die Straße für die Reise von Franziskus". Denn: Der Papst reist am Sonntag selbst nach Turin, um das Grabtuch zu besuchen.
Das Leinen, das von vielen Katholiken als Grabtuch Christi verehrt wird, ist seit 19. April erstmals seit fünf Jahren wieder öffentlich ausgestellt. Es ist noch bis Mittwoch im Turiner Dom zu sehen.
Wie immer bei seinen Reisen trifft Franziskus auch bei seiner zweitägigen Visite in der ligurischen Hauptstadt mit vielen Menschen zusammen - vorzugsweise denen "am Rande der Gesellschaft". Darunter ist auch eine Gruppe Flüchtlinge. Diese Begegnung ist innenpolitisch nicht ohne Brisanz: Denn die von Silvio Berlusconis Partei Forza Italia und der rechtspopulistischen Lega Nord regierte Region weigert sich, weitere Flüchtlinge aufzunehmen. Sie widersetzt sich damit dem neuen Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge, der von der Regierung von Ministerpräsident Matteo Renzi eingeführt wurde.
Mittagessen mit Flüchtlingen, Strafgefangenen, Migranten und Obdachlosen
Außer den Flüchtlingen sind bei einem Mittagessen am Sonntag auch junge Strafgefangene, Migranten, Obdachlose und eine Roma-Familie dabei. Am Abend ist ein Treffen mit Kindern und Jugendlichen der Region angesetzt. Die Nacht verbringt der Papst am Sitz des Turiner Erzbischofs Cesare Nosiglia.
Einen ökumenischen Akzent setzt am Montagmorgen der Besuch einer Waldenserkirche. Die protestantische Glaubensgemeinschaft der Waldenser wurde im Mittelalter von der katholischen Kirche als häretisch verfolgt. Dennoch leben in Italien heute noch rund 30.000 von ihnen.
Und ein persönliches Highlight abseits von Presse und Kameras dürfte die Begegnung von Franziskus mit seinen italienischen Verwandten am Montag sein. Gemeinsam mit ihnen feiert er in der Erzbischöflichen Residenz die Messe und isst mit ihnen zu Mittag.
Mittelpunkt und offizieller Anlass des Besuches aber ist das Gebet vor dem Turiner Grabtuch. Am Sonntagmorgen wird Franziskus zunächst von einem Arbeiter, einem Bauern und einem Unternehmer begrüßt. Nach seiner Entgegnung will der 78-Jährige dann zu Fuß zur Kathedrale hinübergehen.
Mehr als eine Million Menschen haben sich offiziell angemeldet, um das Turiner Grabtuch während der sechs Wochen zu besuchen. Anlass seiner Ausstellung ist der 200. Geburtstag des heiligen Johannes Bosco (1815-1888). Der Ordensgründer der Salesianer wirkte in Turin als Sozialarbeiter und Jugendseelsorger während der Industrialisierung.
Über die Echtheit des Turiner Grabtuchs wird bis heute gestritten
Über die Echtheit des Turiner Grabtuchs wird bis heute gestritten. Einig sind sich die Forscher, dass der "Mann des Grabtuchs" alle Merkmale der in der Bibel beschriebenen Kreuzigung aufweist. Über die Datierung herrscht jedoch Uneinigkeit. Manche Wissenschaftler halten es für eine mittelalterliche Fälschung, andere für 2.000 Jahre alt. Von der katholischen Kirche wird das 4,36 mal 1,10 Meter große Leinen, das den Doppelabdruck eines kräftig gebauten, 1,81 Meter großen Mannes mit Bart und langem Haar zeigt, offiziell nicht als Reliquie anerkannt.
Eine Datierung von Stoffpartikeln mit Hilfe der Radiokarbonmethode (C-14) hatte die Entstehung des Tuchs 1988 ins Mittelalter datiert. Andere Wissenschaftler hatten dem widersprochen; ein Bakterien- und Pilzbefall späterer Jahrhunderte habe das Ergebnis verfälscht. Zudem wurden das Abbild einer Münze aus römischer Zeit auf dem Grabtuch und andere Indizien als Belege für eine Herkunft aus der Zeit Jesu angeführt. Wissenschaftlicher Beweis hin oder her: Franziskus sagte im Vorfeld, er hoffe, dass das Tuch dabei helfen werde, in Jesus das "Antlitz des barmherzigen Gottes zu finden".
Der päpstliche Reiseplan im Detail
06.30 Uhr: Abfahrt im Auto vom Vatikan zum Flughafen Rom-Ciampino.
07.00 Uhr: Start im Flugzeug nach Turin.
08.00 Uhr: Ankunft auf dem Turiner Flughafen Caselle; Weiterfahrt im Auto zur Piazzetta Reale. An der Piazza Rebaudengo besteigt der Papst das offene Papamobil.
08.30 Uhr: Piazzetta Reale: Treffen mit Vertretern aus der Arbeitswelt; Begrüßung eines Arbeiters, eines Bauern und eines Unternehmers; Rede des Papstes, der sich danach zu Fuß in die Kathedrale begibt.
09.15 Uhr: In der Kathedrale Gebet vor dem Grabtuch und kurzes Verweilen vor dem Altar des seligen Pier Giorgio Frassati (1901-1925).
10.00 Uhr: Der Papst begibt sich auf die Piazza Vittorio.
10.45 Uhr: Piazza Vittorio: Messe mit Predigt und Angelus-Gebet des Papstes, anschließend Fahrt zum Sitz des Erzbischofs.
13.00 Uhr: Dort Mittagessen mit jungen Strafgefangenen aus der Haftanstalt "Ferrante Aporti", Migranten, Obdachlosen und einer Roma-Familie.
14.30 Uhr: Der Papst begibt sich zum Heiligtum der Consolata.
14.40 Uhr: Besuch und privates Gebet in dem Heiligtum.
14.45 Uhr: Franziskus begibt sich zur Basilika Maria Helferin.
15.00 Uhr: Treffen in der Basilika mit Salesianern. Vor dem Gotteshaus begrüßt Franziskus Vertreter aus dem Bildungssektor; Rede des Papstes.
16.00 Uhr: In der Cottolengo-Kirche Treffen mit Kranken und Behinderten; Rede des Papstes.
17.30 Uhr: Weiterfahrt zur Piazza Vittorio.
18.00 Uhr: Dort Treffen mit Kindern und Jugendlichen; Rede des Papstes.
19.30 Uhr: Abendessen und Ende des ersten Besuchstages im Sitz des Erzbischofs, wo der Papst übernachtet. (KNA)