Benediktiner Werlen: Olympia-"Abendmahl" war prophetisch
Der Benediktiner Martin Werlen hat die mutmaßliche Abendmahlsdarstellung bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele als "prophetisch" bezeichnet. Die Welt der Dragqueens sei nicht seine Welt, die Reaktionen auf die ungewohnte Präsentation bei den Olympischen Spielen hätten ihn aber ermutigt, bewusst auf diese Welt zuzugehen, schreibt Werlen in einem Kommentar für das Schweizer Internetportal "kath.ch" (Montag). "Darum wage ich die Darstellung prophetisch zu nennen – zumindest für uns Christinnen und Christen."
Es sei offensichtlich, dass die Darstellerinnen und Darsteller damit einigen auf die Füße träten, so Werlen weiter. "Und genau das ist der Kern der Kritik: Wir stören uns daran, dass die Menschen am Rande der Gesellschaft beim Abendmahl um Jesus versammelt sind. Das war über viele Jahrhunderte ein Skandal unseres Glaubenslebens, offenbar bis heute." Menschen würden auch mit kirchlicher Unterstützung aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verachtet. "Die Künstlerinnen und Künstler wecken uns auf und zeigen in aller Deutlichkeit, dass wir in der Nachfolge Jesu nicht gegeneinander, aber auch nicht nebeneinander, sondern miteinander auf dem Weg sind."
"Wir sind ihnen – Gott sei Dank! – nicht gleichgültig"
Er empfinde die Darstellung nicht als Angriff auf Jesus Christus oder das Abendmahl, wohl aber als "eine starke Kritik an der Art und Weise, wie wir dieses Geheimnis unseres Glaubens feiern", schreibt Werlen. "Noch drastischer und wirklich peinlich wäre das zum Bewusstsein gekommen, wenn die Jünger barocke Prunkgewänder wie die Fürsten getragen hätten, so wie das heute noch in Kirchengebäuden zu 'bewundern' ist." Solche Gebäude, die Herrscherwohnungen in nichts nachstünden, würden von Christen heute ohne Zögern "Kirche" genannt, so der ehemalige Abt der Benediktiner-Abtei Einsiedeln. Künstlerinnen und Künstler würden uns auch heute einen Spiegel vor Augen halten, "wenn wir nicht den Weg des Evangeliums wagen, das wir verkünden", schreibt Werlen weiter. "Wir sind ihnen – Gott sei Dank! – nicht gleichgültig." Die Show sei bunt und respektvoll gewesen und nicht geprägt vom Prunk vergangener Jahrhunderte, "an den wir uns gewöhnt haben und mit dem wir das Abendmahl feiern".
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"Wer damit große Mühe hat, ist wohl weniger in seinen religiösen Gefühlen verletzt, als vielmehr in seinem Mangel an Glauben an den, der Mensch geworden ist", kritisierte der Ordensmann. In den Sozialen Netzwerken würden die Kreise, die jetzt entsetzt die Eröffnungsszene kommentieren, zu Festtagen immer wieder Werke von Leonarda da Vinci oder Caravaggio posten. "Aber: Caravaggio, Leonardo da Vinci und ihre Kollegen waren nicht einfach 'fromme' Künstler", so der Ordensmann. Caravaggio habe einen Mord auf dem Gewissen gehabt und die Frommen seiner Zeit entsetzt, als er eine Prostituierte als Modell für Maria genommen habe. Da Vinci habe einen Engel mit einem erigierten Penis dargestellt und damit vermutlich ursprünglich sogar Johannes den Täufer oder Jesus gemeint. "Darf man das? Selbstverständlich!"
Travestiekünstlerinnen und -künstler hatten am vorvergangenen Freitag bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Paris auf einer Brücke über der Seine eine Szene dargestellt, die vielfach als das letzte Abendmahl Christi mit seinen Jüngern interpretiert wurde. Die Darbietung sorgt seit mehr als einer Woche für Diskussionen und hat vor allem bei Kirchenvertretern Kritik ausgelöst. Der Regisseur der Eröffnungszeremonie, Thomas Jolly, erklärte in der Folge, er habe weder das Christentum verhöhnen wollen noch das Abendmahl gemeint. Es sei viel ihm mehr um die Darstellung des griechischen Gottes Dionysos gegangen. Diese Interpretation wurde von zahlreichen Kirchenvertretern in Zweifel gezogen. Auch einige der teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler bestätigten, dass durchaus das Gemälde "Das Letzte Abendmahl" von Leonardo da Vinci parodiert werden sollte.
Zuletzt zeigte sich auch der Heilige Stuhl betrübt über die Szenen. Am Samstagabend teilte er mit, dass er sich den Stimmen anschließe, die in den vergangenen Tagen die Beleidigung vieler Christen und Gläubiger anderer Religionen beklagt hätten. "Bei einem prestigeträchtigen Ereignis, bei dem sich die ganze Welt um gemeinsame Werte versammelt, sollte es keine Anspielungen geben, die die religiösen Überzeugungen vieler Menschen lächerlich machen." 24 Bischöfe und drei Kardinäle forderten in einem Offenen Brief eine Entschuldigung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Die deutschen Bischöfe hatten zuvor einen versöhnlicheren Ton angeschlagen. Das IOC habe inzwischen klargestellt, "dass aufseiten der Veranstalter keine Absicht bestanden habe, religiöse Menschen vor den Kopf zu stoßen", erklärte der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp. Nun sollten der Sport und die Leistungen der Athletinnen und Athleten im Mittelpunkt stehen. (cbr)