Theobald zu Weltsynode: Neues Testament kennt Mehrheitsentscheidungen
Der emeritierte Tübinger Neutestamentler Michael Theobald meint mit Blick auf die bevorstehende Weltsynode, das Neue Testament kenne kein Problem mit Mehrheitsentscheidungen. In einem Beitrag für die "Herder Korrespondenz" (September-Ausgabe) fragt er deshalb, warum der Vatikan einen "Gegensatz zwischen 'geist-geleiteter' Konsensfindung und demokratischen Spielregeln" konstruiere und woher die Angst vor anerkannten Wegen komme. Dabei kenne das Neue Testament Mehrheitsentscheidungen. Als Beispiele nennt er Paulus im Korintherbrief (2 Kor 2,6-8), der einen Mehrheitsbeschluss zwar respektiert, aber zugleich als Ratgeber auftritt, und den Evangelisten Matthäus, der in seiner Gemeinderede (Mt 18,15-17) der Gemeinde "höchste Binde- und Lösekraft" zuspricht.
Kalte Entscheidungen seien dem Evangelium fremd, so Theobald. Vor allem der Evangelist Matthäus habe das Ringen um einen synodalen Konsens in das Gebet der Kirche eingebunden. In der bereits zitierten Evangelienstelle heißt es: "Wiederum, amen, sage ich euch: Wenn zwei von euch auf der Erde einig sind über jede beliebige Sache, um welche sie bitten, wird es ihnen von meinem Vater in den Himmeln zuteil". Diese Aussage, so der emeritierte Neutestamentler, dürfe nicht auf kleine Gebetsgruppen reduziert werden. "Es geht um den Wert des 'Zusammenklingens' schon von Zweien in der Gemeinde – erst recht, wenn ein Mehrheitsentscheid oder ein Konsens hergestellt wird", so Theobald weiter. Die im Kontext der Weltsynode verwendete Metapher der Architektur dürfe deshalb nicht vergessen werden. "Weiterbauen, umbauen, renovieren heißen die Maximen - nicht Totalabriss", heißt es.
Autorität im Dienst der Gemeinschaft
In diesem Zusammenhang wirft der Neutestamentler die Frage auf, wie sich der Bischof von Rom angesichts der als Zumutung empfundenen monarchischen Überhöhung seines Amtes" in die synodale Kirche einbringen könne. Theobald würdigte dabei das jüngst erschienene Studiendokument des Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen über den Primat des Papstes und unterstrich den darin enthaltenen Gedanken, dass der römische Primat weniger als universale Gewalt in einer universalen Kirche zu verstehen sei, sondern vielmehr als Autorität im Dienst der Gemeinschaft zwischen den Kirchen. Dazu Theobald: "Zwischen der Funktion des Papstes als Oberhaupt der katholischen Kirche und seiner angedachten Rolle als Zeuge und Mediator (nicht: Garant!) der Einheit christlicher Kirchen sollte unterschieden werden". Ob damit die "unglückselige Rede von den 'kirchlichen Gemeinschaften' außerhalb der römisch-katholischen Kirche aus den Zeiten von Benedikt XVI. etwa obsolet geworden" sei, fragt er.
Angesichts der Notwendigkeit, theologische und pastorale Kompetenzen in eine künftige Kirchenversammlung zu integrieren, sei daher ein Konzil der römischen Kirche notwendig, schreibt er. Und zwar nicht mehr im Vatikan, sondern im Lateran – unter dem Vorsitz des Bischofs von Rom, in der Erkenntnis, dass der Platz des Petrusamtes in der universalen communio Ecclesiarum erst noch gefunden werden muss. (mtr)