Wunsch nach solchem Ritus sei begrüßenswert, aber…

Liturgiker: Papst hat mit Bußakt "heikles Fass" aufgemacht

Veröffentlicht am 23.09.2024 um 11:35 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ Vor dem Beginn der finalen Weltsynoden-Phase soll es einen Bußakt geben, bei dem unter anderem Missbrauchsbetroffene in den Blick genommen werden sollen. Der Liturgiewissenschaftler Andreas Odenthal begrüßt das – sieht aber auch manche Fallstricke.

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Der Bonner Liturgiewissenschaftler Andreas Odenthal hat mit Blick auf den geplanten Bußakt vor der finalen Phase der Weltsynode vor falschen Signalen gewarnt. "Der Papst hat mit seinem Wunsch nach einem solchen Ritus, den ich nur begrüßen kann, ein heikles Fass aufgemacht", sagte Odenthal am Montag im Interview mit dem Portal "domradio.de". "Ich wünsche unserer Kirche, dass ein glaubwürdiger und für die Betroffenen und viele andere heilsamer Ritus daraus hervorgeht, der nicht auf Kosten notwendiger Veränderungen unserer Kirche im Geiste Jesu geht." Der Vatikan hatte vergangene Woche angekündigt, dass es nach dem Willen von Papst Franziskus einen großen öffentlichen Bußakt wegen der Verfehlungen der Kirche, insbesondere im Umgang mit sexuellem Missbrauch, geben soll. Weitere Themen sollen das Versagen gegenüber Kriegsopfern sowie Migranten und Flüchtlingen sein.

Die Synode mit einem Bußakt zu beginnen, bei dem ausdrücklich die Verfehlungen der Kirche bei sexualisierter Gewalt einbezogen werden, sei ein positives Zeichen, so Odenthal weiter. Allerdings müsse es bei Bußriten um die Frage gehen, ob sie authentisch seien und in den konkreten Beziehungskontext passten. "Das ist ein heikles Unterfangen: Liturgie muss zumindest teilweise gedeckt sein durch Beziehungsstrukturen und gelebte christliche Praxis." Auch Liturgie könne missbraucht werden, um sich selbst zu beruhigen und notwendige Veränderungen, etwa von Machtstrukturen, abzuwehren.

Unbewusst Teil einer Abwehrstrategie?

"Ich persönlich würde einen solchen Ritus nie ohne die Mitwirkung und Beteiligung von Betroffenen sexualisierter Gewalt planen", betonte der Theologe. Um sie müsse es in erster Linie gehen, nicht nur um die Kirche und ihre eigene Schuld. "Und hier ist vieles selbstkritisch und aufrichtig zu bedenken: Ist ein solches Ritual, sofern es – und mag es unbewusst geschehen – als Teil einer Abwehrstrategie begangen wird, nicht in seiner ursprünglich heilsamen Dimension gefährdet?" Zudem dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass die Bitte an Gott um Vergebung zu einer impliziten moralischen Forderung auch an die Betroffenen werden könne. "So finden diese sich schnell in der Rolle wieder, selber unbedingt vergeben zu sollen." Ein solcher Bußritus dürfe nicht dazu führen, dass die Verantwortung für sexualisierte Gewalt auf alle Mitglieder der Kirche gleichermaßen verteilt werde.

Ein Bußritus zu Beginn der Weltsynode, der das Versagen der Kirche in den Blick nimmt, müsste laut Odenthal auch konflikthafte innerkirchliche Themen in den Blick nehmen. "Da wäre meines Erachtens dann auch die Grundentscheidung zu bedenken, dass ein in meinen Augen wichtiges Thema der kirchlichen Gegenwart, die Frauenfrage bis hin zur Partizipation an den Ämtern, auf der Synode wohl gar nicht diskutiert werden soll." Dabei gehe es um die Frage nach der Glaubwürdigkeit des Gottesdienstes. (mal)