Standpunkt

Politische Unzufriedenheit: Liegt die Kirche bei den Ursachen richtig?

Veröffentlicht am 01.10.2024 um 00:01 Uhr – Von Albrecht von Croy – Lesedauer: 

Bonn ‐ Trotz deutlicher Warnungen der deutschen Bischöfe konnte die AfD bei den Wahlen im Osten viele Stimmen gewinnen. Doch woher kommt die politische Unzufriedenheit, fragt Albrecht von Croy – und kommentiert, was die Kirche eher vermitteln sollte.

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Und nun? Sieben Monate und drei Landtagswahlen im Osten später sollte Ernüchterung einziehen in die Reihen der Deutschen Bischofskonferenz. Im Februar veröffentlichten die Verantwortlichen der 27 Diözesen in Deutschland ihre Erklärung "Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar". In klarer Diktion wird der (vor allem im Osten Deutschlands) grassierende Hass und die Wut auf alles Politische beklagt und vor der Zunahme solchen Tendenzen gewarnt. Und? In allen drei Landtagswahlen hat die AfD massiv an Stimmen zugelegt, in Thüringen ist sie sogar stärkste Partei geworden und führte in der konstituierenden Sitzung des Landtags ihre antidemokratische Gesinnung regelrecht vor.

Wer weiß, vielleicht hatte die DBK-Erklärung trotz der Diaspora-Gebiete im Osten bei ihren wenigen Gläubigen sogar einen Effekt. Doch liegt sie und damit die katholische Kirche wirklich richtig bei der Suche nach den wahrhaftigen Ursachen für Wut und Hass? Ein Aufsatz aus der ZEIT kommt zu einer bemerkenswerten Interpretation: aus Sicht des Kognitionswissenschaftlers Alexander Batthyány geht es bei der aktuellen Unzufriedenheit nicht um das Erreichen bestimmter Ziele, sondern häufig um "Ablehnung als Lebenshaltung". Die politische Unzufriedenheit lasse sich nur mit Blick auf tiefliegende psychologische Mechanismen verstehen. Dazu zählten, so Batthyány, die verbreitete Angst vor Kontrollverlust ebenso wie das nagende Gefühl fehlender Sinnhaftigkeit, das viele Menschen umtreibe. Zu wissen, wohin man gehöre, wozu das eigene Leben gut sei. Das, sagt Batthyány, sei ein grundlegendes menschliches Anliegen. Bleibe es unerfüllt, sei das ein idealer Ausgangspunkt, um eine Wutstimmung anzuheizen.

Die Sehnsucht nach dem Sinn ist nicht neu, aber augenscheinlich aktueller denn je. Und vielleicht ist es eher die Aufgabe der Bischöfe, des ZdK, der katholischen Verbände und jedes einzelnen Katholiken, eben diesen Sinn zu zeigen, ihn zu vermitteln, ihn zu verbreiten und ihn durch eigenes Beispiel zu leben, als viele politische Papiere zu verfassen.   

Von Albrecht von Croy

Der Autor

Albrecht von Croy ist Mitherausgeber von "theo – das katholische Magazin" und Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.