In Sachen AfD sind die Kirchen einig – nicht wählbar für Christen

Bei der AfD sind die Kirchen so eindeutig und einig wie sonst bei kaum einem anderen politischen Thema. Mit öffentlichkeitswirksamen Stellungnahmen beziehen sie klar Position. Große Aufmerksamkeit erregte diese Woche ein Brandbrief der Leiter der Hauptstadt-Büros der katholischen und der evangelischen Kirche an die Abgeordneten des Bundestags. Darin kritisieren sie den Kurs der Union, die mit ihren Vorstößen für eine strengere Migrationspolitik die Zustimmung der AfD in Kauf nimmt.
Am Mittwoch war das bereits einmal der Fall mit zwei Anträgen, am Freitag sogar mit einem Gesetzentwurf. Von den Anträgen erhielt einer die Mehrheit, der Gesetzentwurf wurde im Bundestag mit 350 zu 338 Stimmen abgelehnt. Doch unabhängig vom Ausgang der Debatten hieß es dazu im Kirchenschreiben: "Die Fraktionen haben sich mit der Auflösung der Ampelkoalition darauf verständigt, keine Abstimmungen herbeizuführen, in der die Stimmen der AfD ausschlaggebend sind. Wir befürchten, dass die deutsche Demokratie massiven Schaden nimmt, wenn dieses politische Versprechen aufgegeben wird."
Deutliche Warnung schon vor einem Jahr
Die in Teilen als gesichert rechtsextrem eingestufte AfD ist die einzige im Bundestag vertretene Partei, die von den Kirchen offiziell als für Christen nicht wählbar bezeichnet wird. Bereits zu Beginn des Superwahljahrs 2024 hatten sich zunächst die katholischen Bischöfe in Ostdeutschland und wenig später die gesamte Deutsche Bischofskonferenz diesbezüglich positioniert und Ende Februar einstimmig eine Erklärung beschlossen mit dem Titel "Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar". Darin grenzen sich die Bischöfe ausdrücklich von der AfD ab und bezeichnen sie als für Christen nicht wählbar.

Bei der AfD sind die Kirchen so eindeutig und einig wie sonst bei kaum einem anderen politischen Thema. Mit öffentlichkeitswirksamen Stellungnahmen beziehen sie klar Position gegen die Partei.
Kurz darauf schloss sich die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) an. In Zeiten, in denen Rechtsextremisten die "Grundwerte unseres Zusammenlebens" infrage stellten, sei eine klare und gemeinsame Haltung der Kirchen wichtig, erklärte die EKD-Ratsvorsitzende, Kirsten Fehrs: "Wir ziehen die gemeinsame Konsequenz, vor der Wahl rechtsextremer Parteien einschließlich der AfD zu warnen, weil sie Minderheiten ausgrenzen und die Demokratie gefährden."
In der Folge hatten die Kirchen Leitlinien zum Umgang mit Extremisten unter kirchlichen Mitarbeitern und Ehrenamtlichen formuliert und Gremienordnungen angepasst, um Menschen, die ein Amt in der AfD innehaben oder erkennbar mit extremistischen Positionen sympathisieren, aus ihren Gremien ausschließen zu können. Im Engagement für AfD ist laut einer Orientierungshilfe der katholischen Bischöfe eine kirchenfeindliche Betätigung zu sehen, die im gravierendsten Fall eine Kündigung oder den Ausschluss von einem Ehrenamt nach sich ziehen kann.
"Davor muss ich Christinnen und Christen warnen"
Vor den Landtagswahlen im September in Thüringen, Sachsen und Brandenburg fanden mehrere Bischöfe deutliche Worte. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, sagte: "Diese Partei will unser demokratisches, freiheitliches System umstürzen. Davor muss ich Christinnen und Christen warnen." Wer sich mit öffentlichen Aussagen von Repräsentanten der AfD und ihren Programmen befasse, "kommt zu dem Schluss, dass sie fundamentalen christlichen Grundsätzen, der Menschenwürde, dem Gebot christlicher Nächstenliebe und Solidarität widersprechen".

Marianne Heimbach-Steins ist Professorin für Christliche Sozialwissenschaften und sozialethische Genderforschung an der Universität Münster. Sie hat mehrere Studien zur AfD veröffentlicht.
Ähnlich äußerte sich der stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende und sächsische Landesbischof Tobias Bilz. Er hatte schon früh ein mögliches AfD-Verbot als "starkes Signal" bezeichnet. Ein solches Verbot war am Donnerstagabend Thema im Bundestag. Nach kontroverser Debatte wurde es an die Ausschüsse verwiesen.
Zwar zeigen Statistiken, dass Christen etwas weniger häufig als der Bundesdurchschnitt die AfD wählen. Bei den jüngsten Landtagswahlen zeigte sich aber auch, dass allen Warnungen der Kirchen zum Trotz sich in Sachsen jeder fünfte Katholik (20 Prozent) und fast jeder vierte Protestant (23 Prozent) für die AfD entschied. In Thüringen erreichte die Partei bei den Katholiken 32 Prozent und bei den Protestanten 29 Prozent. In beiden Ländern stuft der Verfassungsschutz die AfD als gesichert rechtsextrem ein.
Nur oberflächliche Nähe zu Kirchenpositionen
Die katholische Theologin und Sozialwissenschaftlerin Marianne Heimbach-Steins von der Universität Münster, die inzwischen mehrere Studien zur AfD veröffentlicht hat, warnt immer wieder davor, Positionen der Partei für vereinbar mit der Lehre der Kirche zu halten. Bei oberflächlicher Betrachtung könne dieser Eindruck etwa bei Themen wie Abtreibung oder Familie entstehen: "Zum Beispiel tritt die Partei für ein traditionelles Familienbild ein und möchte Frauen darin bestärken, der Erziehung ihrer Kinder den Vorrang vor Erwerbstätigkeit zu geben." Bei näherem Hinsehen zeige sich aber, dass sie damit etwas ganz Anderes anstrebe als die katholische Kirche: "Es geht ihr um den Erhalt des 'deutschen Staatsvolks'. Familienpolitik der AfD ist Bevölkerungspolitik für deutsche Mittelschichtfamilien."