Pontifex wurde auf dem Petersplatz verabschiedet

Voller Buntheit und Dank: Das war die Beerdigung von Papst Franziskus

Veröffentlicht am 26.04.2025 um 15:30 Uhr – Von Christoph Paul Hartmann – Lesedauer: 8 MINUTEN

Rom/Vatikanstadt  ‐ Rom platzt dieser Tage aus allen Nähten. Denn mit Papst Franziskus ist ein Menschenmagnet aus dem irdischen Leben gegangen. Beim Beerdigungsgottesdienst für ihn zeigt sich noch einmal, was sein Pontifikat ausgemacht hat.

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Wer auf dem Petersplatz an diesem Morgen um kurz nach sechs Uhr über dreißig Jahre alt ist, gehört zur absoluten Minderheit. Jugendliche und junge Erwachsene schieben sich durch die Straßen Roms, streng durch die zahlreich angebrachten Absperrbänder geführt. Der Borgo, das Viertel um den Vatikan, ist an diesem Morgen eine Art Sperrgebiet – die meisten Straßen sind tabu. Denn es steht ein Großereignis an – die Beerdigung von Papst Franziskus.

"Kann ich einen Kaffee haben?"

Ein paar spanische Jugendliche bauen eine Räuberleiter, um einen Überblick über die Massen zu bekommen: Wer in die Straße vor der porta castello und damit in Richtung Vatikan einbiegt, hat innerhalb von Minuten Hunderte Leute hinter sich. Genauso reguliert wie die Zugänge zum Petersplatz ist die Reihenfolge, wann wer weiter darf. Das sorgt für einigen Stau, der aber trotz der frühen Uhrzeit kaum zum Stressfaktor wird. Als eine Anwohnerin ihr Fenster öffnet und noch verschlafen aus dem Fenster schaut, ruft ihr ein Passant zu: "Kann ich einen Kaffee haben?"

Wer vor zwei Jahren auf dem gleichen Weg war – damals zur Beerdigung von Franziskus' Vorgänger Benedikt XVI. – bemerkt gravierende Unterschiede. Waren es im Januar 2023 vor allem Rosenkranz betende ältere Pilger, ist es nun ein Heer von jungen Leuten. Denn im Rahmen des Heiligen Jahres sind sie gerade besonders zur Wallfahrt nach Rom gerufen. Viele werden die Romfahrt also sowieso im Kalender gehabt haben. Doch wohl auch das schwule Paar, das sich beim Warten auf den Zugang zum Petersplatz mit einer Gruppe Ordensfrauen unterhält, hätte es vorher nicht gegeben. Momente wie diese sind ebenso neu wie symptomatisch für das Pontifikat des als Jorge Mario Bergoglio geborenen Argentiniers.

Trauerfeier für Papst Franziskus auf dem Petersplatz
Bild: ©Halil Sagirkaya/picture alliance/Anadolu

Trauerfeier für Papst Franziskus auf dem Petersplatz

Die Sonne geht gerade erst richtig auf, da ist die Via della Conciliazione, die vom Tiber zum Petersdom führt, schon voll. Auf dem Petersplatz angekommen, haben die zahlreichen Jugendgruppen bereits viele kleine Inseln gebildet, wo sie auf dem Boden sitzen. Es gibt Schokoplätzchen und andere Snacks, dabei wird Karten gespielt. Es sind noch zwei Stunden bis zur Messe. Daneben sitzen zwei junge Leute, die zwischendurch die Tageshore beten, bevor sie noch etwas Schlaf nachholen.

Ein schlichter Holzsarg

Mit den vom Chor gesungenen Worten "Requiem aeternam" beginnt der Einzug der Kardinäle, an deren Ende der schlichte Holzsarg des Papstes auf den Petersplatz getragen wird. Ein Evangeliar liegt auf dem unteren Ende, unter dem in das Holz eingearbeiteten Kreuz. Es ist windstill und der Himmel wolkenlos, ein paar Möwen ziehen über dem Petersplatz und der Kuppel der Basilika ihre Runden. Der Gottesdienst beginnt.

Es ist eine klassisch vatikanische Gottesdienstfeier, die liturgisch entfaltet, aber ohne großen Pomp ist: Die hauptsächliche Sprache ist Latein, dazwischen gibt es immer mal wieder italienisch, die Lesungen auf englisch und spanisch. Doch die eindrückliche Kulisse des Petersdoms, dessen Fassade an dem sich entwickelnden sommerlichen Tag hell erstrahlt, macht die Messe eindrucksvoll und besonders feierlich. Das kräftige Rot vor dem hellen Stein, daneben das Schwarz der Anzüge der zahlreichen geladenen Gäste aus der internationalen Politik ergeben ein vielfältiges Bild.

Der Sarg von Papst Franziskus Basilika Santa Maria Maggiore.
Bild: ©picture alliance/ASSOCIATED PRESS/Luca Bruno

Der Sarg von Papst Franziskus Basilika Santa Maria Maggiore.

Ebenso vielfältig ist die Gottesdienstgemeinde. Einige der Jugendliche davon auch mit dem Konterfei des seligen Carlo Acutis, der eigentlich am Sonntag hätte heiliggesprochen werden sollen. Dazwischen immer wieder einzelne Ordensleute, Menschen mittleren Alters bis hin zu Senioren. So verschieden wie die Altersstruktur ist auch das Verhalten im Gottesdienst – zwischen sehr fromm und sehr léger ist alles dabei. Wo der eine die ganze Zeit inbrünstig mitbetet, geben sich andere deutlich informeller.

Das Evangelium des Gottesdienstes besteht aus einem Gespräch zwischen Jesus uns Petrus, in dem Jesus seinen Jünger immer wieder fragt, ob er ihn liebt (Joh 21,15-19). Das gipfelt in der Aussage des Petrus: "Herr, du weißt alles; du weißt, dass ich dich liebe. Jesus sagte zu ihm: Weide meine Schafe!" (Joh 21,17)

Re wird unterbrochen von Applaus

Das nutzt der Zelebrant, der emeritierte Kurienkardinal und Kardinaldekan Giovanni Batista Re, in seiner Predigt, um von dort aus einen großen Bogen zum Leben und Wirken von Papst Franziskus zu schlagen. Dessen Eintreten für die Menschen an den Rändern, für den Interreligiösen Dialog, für die Brüderlichkeit aller Menschen und die Bewahrung der Schöpfung sind die Themen, die Re anschlägt. Unterbrochen wird er immer wieder vom Applaus der Gläubigen, etwa, als er sagt, dass Franziskus eine Kirche für alle wolle, "deren Türen immer geöffnet sind". Re hebt auch das außerordentliche Heilige Jahr der Barmherzigkeit hervor, denn Barmherzigkeit sei eines der Schlüsselworte für Franziskus gewesen. Er endet im Hier und Jetzt, im Heiligen Jahr der Barmherzigkeit. "Pilger der Hoffnung" hat es als Motto. Diese Hoffnung betont er am Ende besonders.

Bei der Kommunionausteilung zeigt sich dann, dass ob der vielen Menschen das vatikanische Organisationsschema aus dem Takt kommt. Denn es sind nicht genug Hostien für alle da. Da auf den Bildschirmen allerdings zu sehen ist, dass die Via della Conciliazione noch voller Menschen steht, kann allerdings froh sein, wer es überhaupt auf den Petersplatz geschafft hat. Manche gehen nun geradezu auf die Jagd nach einer Hostie, andere harren der Dinge, die da kommen. Wieder andere interessieren sich mehr für die Wasserflaschen – denn es ist immer wärmer geworden und der Petersplatz in der prallen Sonne.

Der verschlossene Sarg von Papst Franziskus
Bild: ©KNA/Vatican Media/Romano Siciliani

Ein Mitarbeiter des Vatikan stellt Nägel im Petersdom in die passenden Löcher auf, damit der äußere Sarg aus Holz mit dem Leichnam von Papst Franziskus verschlossen werden kann.

Zum Ende der Feier wird die Allerheiligenlitanei gebetet. Dabei kommen auch bedeutende Vorgänger des Verstorbenen vor, etwa Johannes XXIII., Paul VI. oder Johannes Paul II. So unterschiedliche Schwerpunkte diese Päpste auch gesetzt haben, sie alle hatten Einfluss auf das Pontifikat von Franziskus. Diese Vielfalt der Kirche zeigt sich auch durch das Gebet der katholischen Ostkirchen, das nun folgt. Das bisher vorherrschende Latein wird nun durch Gesang und Gebet auf Griechisch unterbrochen. An einer Seite des Sarges aufgestellt beten die Geistlichen für die Aufnahme von Franziskus in das nächste Leben. Die Vielfalt, sie hat an diesem Tag viele Gesichter.

Neugier gesellt sich zu Trauer

Auf diesen Gesichtern ist Trauer nicht die am häufigsten ausgedrückte Emotion. Es gibt sie zwar, die Menschen mit Tränen in den Augen. Doch viel häufiger sind die neugierigen Blicke derer, die noch nie auf einer Papstbeerdigung waren – oder vielleicht sogar das erste Mal an diesem Ort. Die Stimmung ist gelöst, beinahe heiter. Es ist ein buntes Zusammenkommen um und vor dem Altar. Die Gesichter der Menschen sind dabei nicht selten heiter. Man darf dem Verstorbenen ohne große Spekulation unterstellen, dass ihm das gefallen hätte.

Als zum Ende des Gottesdienstes zu den Klängen des Magnifikat der Sarg von Franziskus wieder in den Petersdom getragen wird, zeigt sich diese Buntheit noch einmal besonders: Fahnen aus aller Welt wehen in den Brisen, die nun aufgekommen sind. Sie haben auch ein paar Wolken mitgebracht. Wales, Argentinien, Mexiko, die Schweiz, Albanien und viele weitere Länder zeigen sich. Ein paar Banner gibt es auch. Der häufigste Satz: "Danke, Papst Franziskus." Das ganze Magnificat hindurch klatschen die Menschen. Als der Sarg dann die Schwelle des Petersdoms erreicht und in der Vorhalle verschwindet, schiebt sich eine Wolke vor die Sonne. Auf einmal wirkt das Licht fahler. Wer mag, darf darin ein Symbol erkennen: Da ist jemand gegangen, der für nicht  wenige Menschen einen hellen Schein ins Leben geworfen hat. An diesem Tag ist dieses Licht getrübt. Doch es ist sicher: Auch diese Wolke wird weiterziehen.

Von Christoph Paul Hartmann