Ein Stimmungsbild aus der italienischen Hauptstadt

Pilger, Trauernde, Touristen: Rom in anderen Umständen

Veröffentlicht am 27.04.2025 um 12:15 Uhr – Von Christoph Paul Hartmann – Lesedauer: 

Rom ‐ Die Beerdigung von Papst Franziskus hat viele Menschen nach Rom reisen lassen. Doch das ist nicht der einzige Grund, warum die Stadt gerade voll ist. Einblicke in eine mit Menschen vollgepackte Metropole, in der die verschiedenen Lebensrealitäten aufeinanderprallen.

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Eine Gruppe Ordensfrauen hat irgendwann ein Lied angestimmt. Sie klatschen und singen, dass es auf dem ganzen Platz zu hören ist. Irgendwie muss die Zeit rumgehen. Denn Pilger in Rom müssen nicht zum ersten Mal in diesen Tagen warten – und das in der prallen Sonne. Dazu ist es schon am frühen Sonntagmorgen sehr voll vor der Basilika Santa Maria Maggiore in der Nähe des Römer Hauptbahnhofs. Denn dort wurde am Tag zuvor Papst Franziskus beerdigt. Es sind besondere Tage in der italienischen Metropole.

Der Besuch in der Marienkirche, die dem Verstorbenen so sehr am Herzen lag, zeigt schon die Besonderheit dieses Wochenendes: Wer mag, kann durch die Heilige Pforte das Kirchenschiff betreten. Denn es ist auch noch das Heilige Jahr 2025. Unter dem Motto "Pilger der Hoffnung" hatten Tausende Pilger aus aller Welt einen Rom-Besuch sowieso im Kalender – ausgerufen durch Papst Franziskus. Zudem ist Urlaubssaison, auch architekturbegeisterte Touristen wandeln durch die Kirche. Die Stadt ist also sowieso voll – und dazu kommt der Tod des Papstes.

In der Basilika bilden die Besucher eine lange Schlange, die sich an der Reihe der Beichtstühle entlang zieht. Das Grab von Franziskus lässt sich dabei leicht übersehen: Zwischen all dem Prunk voller Gold und Engelsfiguren fällt der schlichte Grabstein kaum auf. Lediglich "Franciscus" steht dort – davor liegt eine einsame weiße Rose. Diese Blume hatte für Franziskus eine besondere Bedeutung, denn sie stand für seine Verbundenheit mit der heiligen Theresa von Lisieux. An sie hatte er sich bei persönlichen Problemen gewandt. Deshalb hatte er sowohl als Erzbischof wie auch als Papst oft weiße Rosen auf dem Tisch.

Ein Stück Alltagsbetrieb

Die Ordner schieben die Menschen schnell weiter. Ein kurzer Blick, ein Foto – dann ist es auch schon vorbei. Währenddessen werden in den Seitenkapellen der Kirchen immer wieder Messen gefeiert – es ist ein Stück Alltagsbetrieb in einer der bedeutendsten Kirchen der katholischen Welt.

Bild: ©katholisch.de/cph

Das Grab von Papst Franziskus.

Die Zusammensetzung der Menschen ist hier etwas anders als an den vergangenen Tagen. Denn es sind auch viele Menschen in mittleren Jahren dabei. Insbesondere um die Beerdigung und den Besuch am aufgebahrten Leichnam im Petersdom ist das Bild von jungen Leuten geprägt. Jung, das heißt in diesem Fall: In der Regel unter zwanzig. Sie zeigen das Gesicht der Kirche unter Franziskus: In der Warteschlange spielt ein Jugendlicher auf dem Handy Fußball. Das macht er nicht zum ersten Mal, denn mit seinen Fingern ist er ein sicherer Torschütze. Eine Ordensfrau holt aus ihrer Tasche ein kleines Schoko-Osterei heraus – Nervennahrung für die Wartezeit. Ein Mann legt seiner Frau die Hände auf die Schulter, um sie im Gedränge nicht zu verlieren. Hinter der Absperrung kommt die Ablösung auf das Sanitäts-Team zu. Küsschen links, Küsschen rechts, dann ist die nächste Schicht im Dienst. Daneben erscheint auf dem Handy eines Mannes Ende vierzig eine Frau Anfang siebzig. "Hallo Mama", sagt er zu ihr. "Schau mal, wie viele Leute hier sind!" Er schwenkt das Smartphone über die ganze Straße hinweg. Menschen über Menschen, vor allem Laien, aus unterschiedlichsten Ländern.

Das ist kein Wunder: Wer dieser Tage um den Petersdom unterwegs ist, dem fallen die Gruppen direkt auf. Pfadfinder, Messdiener, Familien. Es sind viele Teenager, denn sie sind momentan im Rahmen des Heiligen Jahres besonders zur Wallfahrt aufgerufen. Deshalb hätte am Sonntag eigentlich auch der mit 15 Jahren verstorbene Carlo Acutis heiliggesprochen werden sollen. Durch den Papsttod wurde sie verschoben. Dennoch fallen die zahlreichen beigen Anglerhüte auf, auf deren Vorderseite das "Pilger der Hoffnung"-Logo prangt. Carlo Acutis beherrscht auch so manchen Andenkenladen, sei es auf Karten, Tassen oder sogar als Gobelin.

Bild: ©katholisch.de/cph

Eine Erinnerung an Papst Franziskus unweit des Vatikan.

Rund um Petersdom und Santa Maria Maggiore wimmelt es von Pilgern mit einheitlichen Kopfbedeckungen und Ordensleuten; es herrscht Massenandrang vor den Kirchen. In der Nähe des Petersplatzes wurde sogar eine Art kleiner Dankaltar für den verstorbenen Pontifex aufgebaut. "Grazie Papa Francesco", steht darauf und es flackern ein paar Kerzen. Der Pontifex bewegt selbst so manchen Andenkenhändler, dem beim Verkauf von Franziskus-Souvenirs ein kleiner Seufzer entweicht. Der Verstorbene ist hier ebenso präsent wie zu Lebzeiten.

Nicht alle sind Pilger

Abends wimmeln die Plätze vor Pfandfindergruppen, die dort Gruppenspiele spielen, sich etwas zu Essen besorgen oder einfach durch die Straßen ziehen. Das ganze Vatikan-Viertel, der Borgo, ist erfüllt von jungen Leuten, gern laut, niemals stillstehend.

Doch nicht alle jungen Leute sind Pilger. "Was ich am Papst bewundere ist, dass er sich immer für die Armen und die Benachteiligten eingesetzt hat, und seine Liebe zu den Menschen", erzählt eine junge Frau, die mit ihrer Lebensgefährtin eigentlich nur auf Urlaub in Rom ist. Mit Religion haben die beiden nichts am Hut. Doch durch den Tod von Papst Franziskus haben sie ihre Pläne angepasst und sich in manche Pilgerschlange eingereiht. Denn sie hat eine hohe Meinung vom Pontifex: "Ich glaube, er hat die Welt wirklich zu einem besseren Ort gemacht."

Die Strahlkraft der Kirche, sie ist im 21. Jahrhundert auch im so vermeintlich katholischen Italien begrenzt: Wer die Zirkel um die entscheidenden Kirchen verlässt, den erinnert kaum etwas an den Papst oder dessen Tod. Abseits der Franziskus-Hotspots geht das Leben in der Millionenstadt weiter. Weder Papstbilder noch Trauerflore erinnern in irgendeiner Weise daran, dass man sich in einer entscheidenden kirchlichen Umbruchzeit befindet. Die römische Stadtgesellschaft ist so säkular wie in vielen anderen Großstädten. Die Vielfalt von Kirche und Welt, sie liegt dieser Tag in Rom oft nur zwei Ecken voneinander entfernt.

Von Christoph Paul Hartmann