Mehr als nur Europa
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Afrika
Afrika ist bis heute der vielfach unbekannte Kontinent. Das gilt auch für die Lage der katholischen Kirche in den 54 Staaten. Während die Christen im vom Islam geprägten Norden zumeist eine kleine Minderheit sind, gibt es auch Staaten – etwa den Kongo oder Burundi – in denen die Katholiken rund 50 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Südlich der Sahara wächst die Kirche zudem explosionsartig. Waren es Anfang des 20. Jahrhunderts weniger als 2 Millionen Katholiken, lebten dort im Jahr 2010 knapp 186 Millionen.
Die Herausforderungen für die Familienpastoral unterscheiden sich aber weniger von Staat zu Staat als vielmehr durch die unterschiedlichen Voraussetzungen in der Stadt und auf dem Land. Denn während die ländlichen Teile des Kontinents noch immer traditionell geprägt sind, entstehen zeitgleich "Megastädte" wie Lagos in Nigeria oder Kinshasa im Kongo, in denen sich das Leben radikal wandelt und neue gesellschaftliche Zusammenhänge entstehen.
"Auf dem Land ist das Problem der Polygamie, also der traditionellen Vielehe, noch immer weit verbreitet – und das auch dort, wo Großteile der Bevölkerung katholisch sind", sagt Frank Kraus, Leiter der Auslandsabteilung des katholischen Hilfswerks Missio in Aachen. Die Kirche steht hier weiterhin vor der Herausforderung, die Ehe als Verbindung eines Mannes mit nur einer Frau zu etablieren. Wie intensiv die Katechese betrieben wird, ist dabei vom jeweiligen Ortsbischof abhängig. Oftmals heiraten afrikanische Männer erst nach katholischem Ritus, um dann ihrer Kultur entsprechend weitere Frauen zu ehelichen.
"In Kenia wurde die Vielehe kürzlich sogar wieder explizit erlaubt", sagt Kraus. Der Konflikt mit alten Stammestraditionen führt gelegentlich auch zu Forderungen seitens der Gläubigen, die Polygamie kirchlich zu legitimieren. Dass die afrikanischen Bischöfe diesen Wunsch bei der Weltbischofssynode im Herbst vortragen werden, ist allerdings mehr als unwahrscheinlich. Denn sie vertreten fast durchweg eine konservative katholische Haltung, die sie – auch in Bezug auf das Thema Homosexualität – bereits bei der außerordentlichen Synode im vergangenen Herbst deutlich gemacht haben.
Schwierige Arbeitssituationen
Ein weiteres Problem Afrikas ist die Arbeitsmigration innerhalb des Kontinents. Männer verlassen vermehrt ihre Familien in den Dörfern, um beispielsweise als Minen- oder Plantagenarbeiter in den Städten des eigenen oder eines Nachbarstaates ihr Geld zu verdienen. Weil sie in der Regel nur einmal im Jahr nach Hause kommen, ist eine gute Beziehung zu Frau und Kind im Prinzip nicht möglich. "Die Ehefrauen leben faktisch als alleinerziehende Mütter", sagt Kraus. Für diese Fälle gebe es jedoch erste Angebote der Kirche wie Selbsthilfe- oder Gebetsgruppen.
Schwieriger wird es für die Kirche aber in den Großstädten, wo einerseits Massenansiedlungen der männlichen Arbeiter entstehen und Prostitution, Glücksspiel, Alkohol und Drogen weit verbreitet sind. Andererseits zerfielen die Familien "bedingt durch das Elend, die Armut und die Verstädterung im Allgemeinen zusehends", erklärt der Missio-Mitarbeiter. Die Lebens- und Sexualpartner wechseln häufiger und Ehen werden seltener geschlossen, so dass es in der Stadt vermehrt "echte" alleinerziehende Mütter gibt. "Weder das katholische noch das traditionell-afrikanische Bild der Familie greifen hier noch", sagt Kraus.
In den Bürgerkriegsregionen Afrikas werden Menschen zudem durch Terror und Extremismus – beispielsweise durch Boko Haram – traumatisiert. "Durch die Hilflosigkeit entwickeln sich Ängste, Frust und Depressionen, die wiederum zu Gewalt in den Familien führen", sagt Kraus. Seelsorger sind häufig überfordert, weil das Problem nicht einzelne Familien, sondern häufig ganze Dörfer und Landstriche betrifft. Hinzu kommen sexualisierte Gewalt in Form von Massenvergewaltigungen und Genitalverstümmelungen bei Frauen, die in knapp 30 afrikanischen Ländern nördlich des Äquators noch immer praktiziert werden. Auch AIDS ist weiterhin ein großes Thema in Afrika.
Asien
In Asien sind die Voraussetzungen für die Kirche äußerst verschieden. "In Japan oder Südkorea herrschen größtenteils ähnlich stabile Verhältnisse wie in Europa – sowohl finanziell als auch familiär", sagt Kraus. Das klassische Bild aus Vater und Mutter mit zwei bis drei Kindern ist hier der Standard. Wirtschaftlich ist man ebenfalls gut abgesichert. Während das Christentum in Japan aber kaum eine Rolle spielt, wächst die Kirche in Südkorea stark. Seit dem Koreakrieg in den 1950er Jahren stieg die Zahl der Katholiken von rund 200.000 auf heute mehr als vier Millionen. Allerdings beklagen die Bischöfe die Globalisierung und den "Effekt der Verwestlichung", der immer häufiger zu zerrütteten Ehen und Scheidungen führt.
In China steht die Kirche dagegen vor ganz anderen Herausforderungen. Hier leben die geschätzt zwölf bis 14 Millionen Katholiken im Spannungsfeld zwischen der regimenahen "Patriotischen Vereinigung" und den papsttreuen sogenannten Untergrundchristen. Die Christen werden in der Regel zwar nicht verfolgt, leiden aber unter gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Benachteiligung. "Die lukrativen Jobs bekommen Menschen, die anderen Religionen angehören", erklärt Kraus. Durch die "Ein-Kind-Politik" steht China auch vor einem großen sozialen Problem. Denn der Nachwuchs verlässt oftmals die Dörfer, um in der Stadt zu arbeiten und ist nicht mehr zur Unterstützung der Eltern da. "Dadurch kommt es zu einer weit verbreiteten Verelendung der Älteren auf dem Land ", sagt der Leiter der Missio-Auslandsabteilung.
Schere zwischen arm und reich
Die Philippinen sind neben Ost-Timor das einzige christlich geprägte Land Asiens. Über 80 Prozent der Bevölkerung gehören dem römisch-katholischen Glauben an. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft hier weit auseinander. Über ein Viertel der rund 98 Millionen Einwohner ist von extremer Armut betroffen. Darunter leiden die Menschen in den Slums von Manila genauso wie die in den Dörfern außerhalb der Metropolen. Die Konsequenz sind Landflucht einerseits und auswandernde Filipinos andererseits, die ihr Glück in Australien oder reicheren asiatischen Industrieländern suchen.
Die Abwanderung hat Auswirkungen auf die gesamte Familie. Ähnlich wie bei den afrikanischen Arbeitsmigranten kommen die "Overseas Workers" maximal einmal im Jahr nach Hause. Das führt zu völliger Entfremdung zwischen den Familienmitgliedern und kann gerade bei Kindern fatale psychische Folgen haben; zum Beispiel Bindungsschwierigkeiten und Verhaltensauffälligkeiten. "Wir reden hier nicht von Einzelfällen, sondern von Zehntausenden Kindern", sagt Kraus. Außerdem kämen auf den Philippinen aufgrund der schwierigen sozialen Situation Probleme wie Alkoholismus und Gewalt hinzu.
In vielen Ländern Asiens ist es für christliche Familien aber schwer, überhaupt ein ansatzweise normales Leben zu führen. Erstarkende fundamentalistische Strömungen im Islam bedrängen sie in Pakistan, Indonesien, Malaysia oder Bangladesch. Hinzu kommt der Nahe Osten, der akut unter dem Terror des "Islamischen Staates" (IS) leidet. In Indien gewinnen radikale Hindus an Einfluss und auf Sri Lanka melden sich fundamentalistische Buddhisten zu Wort. In Nordkorea gibt es dagegen schon seit dem Koreakrieg aufgrund staatlicher Unterdrückung überhaupt keine intakten kirchlichen Strukturen. Beobachter gehen von gerade einmal 4.000 Katholiken im Land aus.
Australien
Australien hat weniger mit sozialen und wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen. Die Kirche steht hier stattdessen vor ähnlichen Herausforderungen wie in Deutschland – und nimmt sogar einige absehbare "Trends" vorweg, meint Roland Maurer. Er ist seit 2012 Pfarrer zweier deutschsprachiger Kirchengemeinden im Großraum Sydney und beobachtet die gesellschaftlichen Entwicklungen in "Down Under". Der Kontinent hat nicht nur die zweithöchste Scheidungsrate weltweit. Es gibt auch immer mehr Patchworkfamilien, immer kurzlebigere Beziehungen sowie interreligiöse und interkulturelle Partnerschaften.
Dazu tragen auch die zahlreichen Zuwanderer bei, die den Kontinent und damit auch das kirchliche Leben in Australien prägen. Sie kommen vermehrt aus China, Indien oder von den Philippinen und bringen ihre Kultur und Wertvorstellungen mit in das europäisch geprägte Land. Während bei den Philippinos beispielsweise ein traditionelles katholisches Eheverständnis vorherrscht, gehören bei Einwanderern aus anderen asiatischen Ländern "arrangierte Ehen" zum Alltag.
2011 gehörten noch rund 60 Prozent der knapp 24 Millionen Australier einer christlichen Religion an. Insgesamt ein Viertel der Bevölkerung war katholisch. Die Zahlen sind jedoch weiter rückläufig. Bei der Partnerwahl spielt die Religion oder Konfession aber schon länger kaum noch eine Rolle. Die sakramentale Eheschließung verliert daher immer mehr ihren Stellenwert.
Europäische Probleme
Aus katholischer Sicht gibt es "eine sehr hohe Anzahl von Menschen, die in einem irregulären Status leben", sagt Maurer. Allein wiederverheiratete Geschiedene gebe es dort mittlerweile "wie Sand am Meer". Hinterfragt werde diese Tatsache von den Gläubigen allerdings so gut wie gar nicht. "Gerade die Jüngeren haben gelernt, mit ihren biographischen Brüchen zu leben", formuliert Maurer salomonisch. Er meint jedoch ein zunehmendes Desinteresse an der Lehre der Kirche. Lediglich bei formalen Vorgängen wie der Anmeldung eines Kindes an einer katholischen Schule würden die Probleme dann akut.
In der Debatte um die Gleichstellung von homosexuellen Partnerschaften mit der Ehe hat sich die Australische Bischofskonferenz bereits klar positioniert. Als Reaktion auf den irischen Volksentscheid zur "Homo-Ehe" schrieben die Bischöfe kürzlich: "Ehe ist sowohl eine personale Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau wie auch eine schützende Institution für ihre Kinder." In ihrem Pastoralbrief wandten sie sich nicht nur an die Katholiken, sondern ausdrücklich "an alle Australier" und warnten davor, die Ehe durch eine Neudefinition in gefährlicher und neuer Art zu politisieren.
Lateinamerika
Lateinamerika ist die Heimat des Papstes. Doch nicht nur aus diesem Grund spielt die Region mit Blick auf die Familiensynode im Herbst eine große Rolle. Immerhin leben rund 500 Millionen Menschen auf dem wohl katholischsten Kontinent. Trotz der Unterschiedlichkeit der einzelnen Länder stehen die immerhin 22 Bischofskonferenzen in regen Austausch zu Familienthemen, erzählt Thomas Wieland, Leiter der Projektabteilung beim Lateinamerika Hilfswerk Adveniat.
Vorläufiger Höhepunkt war ein Kongress 2014 in Panama, bei dem 310 Delegierte – darunter auch einige Bischöfe – fünf Herausforderungen mit Blick auf Ehe und Familie formuliert haben. Darin werden unterschiedliche Faktoren wie Bildungswesen, Politik und Ökonomie beleuchtet. So fehlt es nach Meinung des Kongress an einer Wertevermittlung im Bildungswesen, um so die Beziehungsfähigkeit junger Menschen zu stärken. Viele Paare lebten auf dem lateinamerikanischen Kontinent unverheiratet zusammen, zudem scheiterten auch viele Beziehungen, erzählt Wieland von seinen Beobachtungen. Eine weitere Schwierigkeit seien die politischen Rahmenbedingungen für Familien. "Lange Arbeitszeiten, unsichere Arbeitsverhältnisse und geringe Einkommen sind ein Problem", erläutert der Lateinamerika-Experte.
Armut an erster Stelle
Doch die Delegierten haben auch selbstkritisch einen Blick auf die kirchliche Praxis geworfen, ergänzt Wieland. So müsse sich die katholische Kirche mit Blick auf den Schwerpunkt Familie und Neuevangelisierung auch fragen, ob die Menschen vernünftig auf die Ehe vorbereitet werden. Auch die Frage, wie man ehelose Paare in schwierigen Situationen begleiten könne, stehe im Raum.
Insgesamt gebe es zwischen Lateinamerika und Deutschland eine große Nähe was die pastoralen Herausforderungen angeht, sagt Wieland. Denn auch hier wird über den Umgang mit wiederverheirateten oder homosexuellen Paaren diskutiert. Einen entscheidenden Unterschied kann er aber trotzdem ausmachen: Das Thema Armut steht in Lateinamerika immer an erster Stelle. Wieland nennt diese "Option für die Armen" einen Leseschlüssel, mit denen in Lateinamerika auf das Thema Familie geschaut werde. Hier zeigen sich auch die Erwartungen der Gläubigen an die Synode. So wünschten sich die Lateinamerikaner vor allem, dass die Situation der Armen und ihre Lebensverhältnisse eine Rolle bei den Beratungen der Bischöfe spielen.
Nordamerika
Die USA sind das religiöseste Land der westlichen Industriestaaten. Dass heute noch rund 60 der 317 Millionen US-Bürger katholisch sind, liegt auch an den zahlreichen Migranten, die unter anderem aus Asien und Südamerika in die USA kommen. Die Lateinamerikaner importieren jedoch ein traditionelleres Bild von Familie, kennen andere Gemeindestrukturen und haben andere Bräuche. "Das bringt Veränderungen in die Pastoral der Kirche und stelle sie so vor neue Herausforderungen", sagt Christian Bock, Pfarrer der deutschsprachigen katholischen Gemeinde in Washington DC. Insgesamt sei die Gesellschaft "weniger säkularisiert als beispielsweise in Deutschland", so der Priester. Das Tischgebet und der sonntägliche Gang zur Kirche gehörten fest zum Glauben der US-Katholiken.
Nichtsdestotrotz hat die Kirche auch hier mit gesellschaftlichen Veränderungen zu kämpfen. So befindet sich die US-Bischofskonferenz gerade mitten in der Diskussion um die Ehe von homosexuellen Paaren. Ende Juni hatte der Supreme Court, das oberste Verfassungsgericht der USA, sie legalisiert und damit der von Mann und Frau gleichgestellt. Für die Kirche im Land war das ein Schock, sie sieht das traditionelle Familienbild in Gefahr: Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Joseph Kurtz aus Louisville, wertete die Entscheidung als "einen tragischen Fehler, der dem Gemeinwohl und Verletzlichsten unter uns schadet".
Hohe Erwartungen an die Synode
Die anderen gesellschaftlichen Debatten, in denen sich die US-Kirche positioniert, ähneln denen in Deutschland: Es geht um die moralische Bewertung von Abtreibungen – wie die Diskussionen rund um die Organisation "Planned Parenthood" gezeigt haben – und das Verbot künstlicher Verhütung, das von den meisten Gläubigen ignoriert oder abgelehnt wird. Auch die hohen Scheidungsraten und der Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen ist ein Problem. "Wobei ich das Gefühl habe, dass die Gläubigen in den USA sich intensiver mit den Optionen befassen, die die Kirche bereits bietet", sagt Bock. "Zum Beispiel das kirchliche Ehenichtigkeitsverfahren." Die Diskussionen rund um die deutschen Kardinäle Gerhard Ludwig Müller und Walter Kasper zur Ehe würde man aber dennoch aufmerksam verfolgen.
Insgesamt blicken die Gläubigen gespannt auf die Synode, sagt Bock. Ihre Erwartungen seien nach Beobachtungen des Pfarrers groß. "Die Gläubigen wünschen sich eine offene und nicht apodiktisch geführte Debatte." Die Amerikaner seien für eine Kirche, die sich den Menschen gegenüber offen zeigt. "Menschlichkeit ist hier ein großes Thema", so Bock. Doch was mögliche Reformen nach der Synode angeht, gebe es auch in den USA unter den Bischöfen wie unter den Gläubigen sehr unterschiedliche Meinungen.