Pfarrer über Lage in Gaza: Erleichterung, aber auch Angst

Kurz nach Inkrafttreten des Waffenstillstands zwischen der Terrororganisation Hamas und Israel schwankt die Stimmung der Menschen in der Stadt Gaza zwischen Erleichterung und Angst. Letzteres sei vor allem darauf zurückzuführen, dass bisher lediglich ein erster Schritt im Friedensprozess erfolgt sei, so der Pfarrer der katholischen Gemeinde der Stadt, Gabriel Romanelli, in einer in der Nacht von Freitag auf Samstag veröffentlichten Videobotschaft. "Wir hoffen, dass alle Etappen kommen, die vorgesehen sind."
Romanelli berichtete, dass viele der zuvor in den Süden des Gazastreifens geflüchteten Menschen nun in ihre Heimatorte im Norden zurückkehrten. "Die Bilder in den Medien bewegen sehr." Mehrere Verbindungsrouten seien geöffnet worden, darunter die zentrale Salah al-Din-Straße und die Küstenstraße Al-Rashid. Nach Angaben des palästinensischen Zivilschutzes machten sich seit Beginn der Feuerpause etwa 200.000 Menschen auf den Weg in den Norden des Gazastreifens. Viele von ihnen kehrten jedoch in zerstörte Häuser oder auf verwüstete Grundstücke zurück.
Not bleibt groß
Auch innerhalb der Pfarrei sei die Not groß, sagte Romanelli. Zahlreiche Familien hätten erst in den letzten Kriegstagen ihre Wohnungen verloren, darunter allein zehn Familien aus der katholischen Gemeinde. Neben den materiellen Schäden gebe es weiter viele unbehandelte Verletzungen. Zwar habe sich ein Gefühl der Dankbarkeit breitgemacht, dass viele Familien wieder vereint seien, doch die Sorgen um die Zukunft blieben groß.
"Man fragt sich jetzt: Was kommt danach? Was tun wir jetzt?", so der Pfarrer. Viele Menschen hätten nicht nur ihr Zuhause, sondern auch ihren gesamten Besitz verloren. Die Hoffnung ruhe nun auf einer raschen Versorgung mit Lebensmitteln, Medikamenten und humanitärer Hilfe. Die Vereinten Nationen kündigten an, am Sonntag mit umfangreichen Hilfslieferungen zu beginnen. Auch das kirchliche Leben bleibt laut Romanelli weiter eingeschränkt. Drei christliche Schulen seien zerstört, die Pfarrschule diene weiter als Notunterkunft. Unterricht finde nur in improvisierter Form statt. Dennoch versuche die Gemeinde, Kindern einen gewissen Alltag zu ermöglichen.
Verbundenheit mit Franziskus
Gegen Ende des Videos waren im Hintergrund die Kirchenglocken von Gazas katholischer Pfarre "Zur Heiligen Familie" zu hören. Romanelli erklärte, dass sie täglich um 20.00 Uhr die "Stunde des Papstes" einläuteten, als Zeichen der Verbundenheit mit dem im Frühjahr verstorbenen Papst Franziskus. Die Gemeinde bete jeden Abend für ihn und bleibe ihm dankbar für seine Unterstützung. Papst Franziskus stand mit Romanelli – beide stammen aus Argentinien – bis kurz vor seinem Tod in täglichem Telefonkontakt. (KNA)