Traditionalistischer Orden widersetzt sich der "modernen Kirche"

Gehen die Transalpinen Redemptoristen zurück ins Schisma?

Veröffentlicht am 23.10.2025 um 00:01 Uhr – Von Felix Neumann – Lesedauer: 

Papa Stronsay ‐ Einst schienen sie als Erfolgsprojekt der Liturgiepolitik von Papst Benedikt XVI. – doch ein Streit um Exorzismen bringt Konflikte ans Licht: Die Transalpinen Redemptoristen sehen die Kirche durch Konzil und Papst Franziskus auf einem Irrweg. Jetzt droht ein Schisma – schon wieder.

  • Teilen:

Vor fast 20 Jahren reichte Papst Benedikt XVI. den Freunden der vorkonziliaren Liturgie die ausgestreckte Hand: Mit seinem Motu proprio "Summorum Pontificum" erleichterte er 2007 die Feier nach den Messbüchern von 1962 erheblich. Eine Gemeinschaft, die diese ausgestreckte Hand entgegennahm, waren die Transalpinen Redemptoristen. Aus der Geschichte des Ordens heraus war das keineswegs ausgemacht. Er wurde 1988 von dem ehemaligen Redemptoristen Michael Mary Sim gegründet – außerhalb der Kirche.

Denn zu diesem Zeitpunkt war Bruder Michael Mary längst nicht mehr in Gemeinschaft mit der Kirche, sondern mit der traditionalistischen Piusbruderschaft verbunden. Längst hatte die von Erzbischof Marcel Lefebvre gegründete Priestergemeinschaft da schon ihre kirchliche Anerkennung verloren, im selben Jahr weihte Lefebvre vier Bischöfe für seine Gemeinschaft. Ein schismatischer Akt, wie Papst Johannes Paul II. feststellte.

In diesem Umfeld entstand also der Orden, der nach der Ordensregel von Alfons von Liguori lebt, dem Gründer der Redemptoristen. Aber: Gegründet außerhalb der Kirche. Deshalb durften die Mitglieder von Anfang keine Sakramente spenden, also ihr Weiheamt nicht ausüben, dafür musste ein Schisma noch nicht einmal formell festgestellt werden.

Die Wende kam mit Benedikt XVI.

In den ersten Jahren wechselte die Gemeinschaft ihren Sitz mehrfach. Ihr erstes Kloster war auf der Insel Sheppey im Süden Englands nahe Kent, sechs Jahre nach der Gründung zogen sie in ein französisches Kloster. Ihr heutiger Hauptsitz, die Insel Papa Stronsay in Schottland, besteht seit 1999. Die Ordensleute kauften gleich die ganze Insel im Archipel Orkney und gründeten dort ihr Kloster Golgotha. 250.000 britische Pfund soll die Insel gekostet haben, das wären heute, die Inflation eingerechnet, knapp 600.000 Euro.

Ein Priester macht eine Kniebeuge vor der konsekrierten Hostie
Bild: ©KNA/Wolfgang Radtke (Symbolbild)

Die Feier der vorkonziliaren Form der Liturgie ist den Transalpinen Redemptoristen wichtig.

Dort lebten die Transalpinen Redemptoristen einige Jahre, gaben ein traditionalistisches Magazin heraus und führten eine Laiengemeinschaft, die Fegefeuer-Erzbruderschaft – alles weiterhin ohne in die katholische Hierarchie eingebunden zu sein, nach kirchenrechtlichem Verständnis also außerhalb der Kirche und ohne Erlaubnis.

Die Wende kam dann mit "Summorum Pontificum". Das von Benedikt XVI. vertretene Verständnis des Römischen Ritus quasi als liturgischer Familie, die aus einer ordentlichen – der nach dem Zweiten Vatikanum reformierten – und einer außerordentlichen Form – der nach den Büchern von 1962 – bestehe, bereitete für die Transalpinen Redemptoristen den Weg zurück in die Gemeinschaft mit der Kirche. Bei der für die Traditionalisten zuständigen römischen Behörde, der Kommission Ecclesia Dei, baten sie um Aufhebung der kanonischen Sanktionen. Mit Erfolg: Am 1. Juli 2008 konnte Bruder Michael Mary die Eingliederung in die Kirche verkünden. "Alle kanonischen Strafen wurden aufgehoben", schrieb er in seiner Mitteilung. "Unsere Gemeinschaft freut sich nun sehr darüber, dass wir unzweifelhaft und harmonisch die Gemeinschaft mit dem Heiligen Stuhl haben, weil unsere Priester jetzt kirchenrechtlich regulär sind."

Das war aber nur der erste Schritt: Die Priester waren rehabilitiert und durften nun amtlich als Priester wirken. Die Gemeinschaft war aber streng genommen noch kein Orden; dazu brauchte es erst die Anerkennung der kirchlichen Hierarchie als Orden. Weil diese noch fehlte, galten zunächst noch Einschränkungen: Nur auf ihrer Insel durften die Priester wirken, darüber hinaus nicht.

Endlich ein akzeptierter Orden

Bruder Michael Mary kündigte aber zugleich auch an, dass seine Gemeinschaft die kanonische Errichtung als Orden anstrebt. Die Insel Papa Stronsay liegt auf dem Gebiet der Diözese Aberdeen. Zuständig für die Anerkennung ist daher der Bischof dieses Bistums, damals wie heute Hugh Gilbert, ein Benediktiner. Auf dem Weg zur Anerkennung gab es noch einige Änderungen: Der Habit der Ordensleute wurde etwas verändert, um sich von den regulären Redemptoristen abzugrenzen. Der Name wurde geändert in "Söhne des allerheiligsten Erlösers", die Bezeichnung "Transalpine Redemptoristen" ist seither nur noch informell in Gebrauch.

Die "Transalpinen Redemptoristen" mit dem Bischof von Aberdeen, Hugh Gilbert.
Bild: ©Transalpine Redemptoristen (Archivbild)

Die "Transalpinen Redemptoristen" mit dem Bischof von Aberdeen, Hugh Gilbert. 2008 nahm er den zuvor mit der Piusbruderschaft verbundene Orden in die Gemeinschaft der Kirche auf.

2012 kam der Durchbruch: Die aus damals 15 Männern bestehende Gemeinschaft wurde durch Bischof Gilbert formal als Orden diözesanen Rechts errichtet. 2017 expandierte der Orden nach Neuseeland, wo sie sich im Bistum Christchurch niederließen.

Bis zu diesem Zeitpunkt hätte die Geschichte tatsächlich als Erfolg des Projektes eines liturgischen Friedens zur Stärkung der Einheit gelten können, das Papst Benedikt XVI. Verfolgt hatte. Doch es kam anders: 2017 berichteten neuseeländische Medien von unerlaubt durchgeführten Exorzismen. Dabei sollen Menschen, darunter Kinder, traumatisiert worden sein. Die Nachrichtensendung "Newshub" berichtete unter Verweis auf ehemalige Mitglieder der Gemeinschaft, Gottesdienstbesucher in der Gemeinde des Ordens und psychologische Hilfseinrichtungen von mindestens sieben Personen, an denen Exorzismen vorgenommen wurden. Gegenüber "Newshub" teilte das Bistum mit, dass der Vorgänger des amtierenden Bischof Michael Gielen, Bischof Paul Martin, lediglich in zwei Fällen einen Exorzismus genehmigt habe. Die Ordensleute widersprachen den Vorwürfen: Es habe keine Exorzismen ohne bischöfliche Erlaubnis und keine Exorzismen an Minderjährigen gegeben.

Visitation wegen Exorzismen auf Neuseeland

Auf die Medienberichte hin ordnete das vatikanische Ordensdikasterium eine Visitation der Gemeinschaft an. Was die Apostolischen Visitatoren unter der Leitung des australischen Bischofs Robert McGuckin in Christchurch im Detail herausgefunden haben, ist nicht bekannt – die Ergebnisse sind wie in solchen Fällen üblich unter Verschluss. Das Ergebnis war aber anscheinend eindeutig genug, dass Bischof Gielen hart durchgriff. Im Juli 2024 wies er die Gemeinschaft aus seinem Bistum aus, auch einzelne Priester des Ordens dürfen seither keine priesterlichen Dienste in der Diözese ausüben. Als Diözesanbischof kann er darüber bestimmen, welche Orden in seinem Gebiet tätig sind. Gielen bezog sich in seinem Schreiben zu der Ausweisung auf Empfehlungen, die ihm das Ordensdikasterium nach der Visitation gegeben habe.

Rechtsmittel des Ordens gegen den Bischof blieben erfolglos: Eine unmittelbar beim Vatikan eingereichte Beschwerde wurde im Sommer 2025 abgewiesen. Darüber informierte Gielen in einem Brief an sein Bistum. In der Zwischenzeit hatte sich die Situation sogar noch verschärft. Die Transalpinen Redemptoristen waren weiterhin im Bistum aktiv, und laut dem Bischof hätten sie sogar noch weitere Mitglieder nach Neuseeland gebracht. Gielen sprach von "Herausforderungen für die Einheit und den Gehorsam innerhalb der Kirche". Mit der Entscheidung aus dem Vatikan war klar: Die Ausweisung aus Christchurch war rechtmäßig, die von Mitgliedern des Ordens in der Diözese gespendeten Sakramente sind unerlaubt.

Auf einem Tisch liegen ein Rosenkranz, ein Exorzismus-Handbuch und eine Stola.
Bild: ©KNA (Symbolbild)

An Exorzismen in Neuseeland entzündete sich der Konflikt, der nun eskaliert.

Für die Ordensleute brachte diese Niederlage die Wende: Die Zeit der demonstrativen und vor allem uneingeschränkten Einheit mit der Kirche war vorbei. Mitte Oktober dieses Jahres tagte das Generalkapitel des Ordens im Haupthaus auf Papa Stronsay und formulierte einen offenen Brief "an die katholischen Bischöfe, Priester, Ordensleute und Gläubige". Faktisch stellt der Brief wohl einen schismatischen Akt dar. Von Schisma spricht das Kirchenrecht, wenn die "Unterordnung unter den Papst oder die Gemeinschaft mit den diesem untergebenen Gliedern der Kirche" verweigert wird. Der Brief bekräftigt zwar die "tiefe Gemeinschaft mit unserer heiligen Mutter, der Kirche", lehnt aber zugleich die kirchliche Hierarchie, insbesondere den Bischof von Christchurch, ab: Die "Befehlskette" sei zerbrochen.

Ein offener Brief als schismatischer Akt?

Ausdrücklich weisen die Ordensleute in ihrem Brief 16 Punkte zurück, darunter Dokumente aus dem Pontifikat von Papst Franziskus, insbesondere das nachsynodale Schreiben "Amoris Laetitia" mit seiner Liberalisierung des Kommunionempfangs, die Einschränkungen der vorkonziliaren Liturgie durch "Traditionis custodes" und die Erlaubnis für Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare "Fiducia supplicans". Anscheinend hat sich viel aufgestaut bei den Transalpinen Redemptoristen: Die Corona-Maßnahmen der neuseeländischen Bischöfe werden ebenso zurückgewiesen wie ökumenische Zeichen von Bischof Gielen und die "synodale Kirche" insgesamt.

Keine Spur also mehr von der unzweifelhaften und harmonischen Gemeinschaft mit dem Heiligen Stuhl, über die Bruder Michael Mary 2008 noch schrieb. Jetzt sind die zuständigen kirchlichen Autoritäten am Zug. Der Bischof von Christchurch kann wenig machen; mit Zwang durchsetzen kann er seine Verbote nicht. Als diözesaner Orden im Bistum Aberdeen ist der Bischof dieser Diözese grundsätzlich zuständig für die Transalpinen Redemptoristen. Wenn aber tatsächlich ein Schisma im Raum steht, ist das Glaubensdikasterium zuständig: Bei besonders schweren Straftaten gegen den Glauben wirkt es direkt als kirchliches Gericht und kann im Fall einer Verurteilung wegen Schismas die Exkommunikation formal aussprechen. Wie die Ordensgemeinschaft damit umgehen würde, ist nach dem Brief, der mit der "modernen Kirche" als "Frucht des Zweiten Vatikanums" bricht, wohl absehbar. Anstatt ein Urteil zu akzeptieren und sich zu bekehren, ist die Abkehr von der Kirche und ihrer Hierarchie nicht unwahrscheinlich. Am Ende könnten die Transalpinen Redemptoristen also wieder da enden, wo sie angefangen haben: im Schisma – und damit außerhalb der Kirche.

Von Felix Neumann