Standpunkt

Die jüdisch-christlichen Beziehungen kannten bessere Zeiten

Veröffentlicht am 17.11.2025 um 00:01 Uhr – Von Agathe Lukassek – Lesedauer: 

Bonn ‐ 60 Jahre Konzilserklärung "Nostra aetate": Diesen Herbst wurde an diesen großen Wendepunkt im Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen erinnert. Doch Agathe Lukassek meint: Besonders feierlich geht es im Jahr 2025 nicht zu.

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Die jüdisch-christlichen Beziehungen haben schon bessere Zeiten gesehen. Diesen Herbst gibt es allerorten Veranstaltungen, die an den großen Wendepunkt erinnern: 60 Jahre der Erklärung "Nostra aetate", zu Deutsch "In unserer Zeit", eines der wohl umstrittensten Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils über das Verhältnis der Kirche zu den nicht-christlichen Religionen. Besonders feierlich geht es 2025 nicht zu.

Nachdem die Kirche 1965 im Herzstück von "Nostra aetate" ihr Verhältnis zum Judentum neu bestimmt hatte, folgten positive Auswirkungen auch auf den Dialog anderer christlicher Gemeinschaften mit Jüdinnen und Juden. Nach diesem Meilenstein ging es 50 Jahre lang aufwärts – sowohl mit symbolischen Gesten Johannes Pauls II., wie seinem Besuch der Synagoge in Rom 1986 und 2000 an der Klagemauer, als auch mit weiteren Dokumenten.

Als Höhepunkt kann der Dezember 2015 gelten, als die vatikanische Kommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum anlässlich des 50-Jahr-Jubiläums von "Nostra aetate" noch einen Schritt weiter ging: die klare Absage der Judenmission. Mehrfach wird in dem Vatikan-Dokument der Vorstellung widersprochen, der Neue Bund löse den Alten ab oder die Kirche trete an die Stelle Israels. Eine Woche zuvor betonte eine Erklärung orthodoxer Rabbiner, dass das Christentum "kein Zufall und kein Unfall" der Heilsgeschichte war.

Unter Papst Franziskus haben sich die Beziehungen abgekühlt, besonders während des Gaza-Kriegs. Leo XIV. hat zwar die Spannungen wahrgenommen und direkt nach Amtsantritt den Kontakt zu jüdischen Repräsentanten gesucht. Dennoch: Beim interreligiösen Kongress an der Gregoriana und der darauffolgenden Papstaudienz Ende Oktober wurde das Dokument von 2015 nicht einmal erwähnt. Ein Schritt zurück? Sind wir nach 60 Jahren "Nostra aetate" elf Jahre zurückgefallen?

Immerhin scheint Papst Leo den Dialog stabilisieren zu wollen. Nachdem der Antisemitismus seit dem 7. Oktober 2023 exorbitant zugenommen hat, sind die Überwindung des christlichen Antijudaismus, die Anerkennung des jüdischen Volks nicht nur als Religion und der Kampf gegen den Antisemitismus die Fragen "in unserer Zeit."

Von Agathe Lukassek

Die Autorin

Agathe Lukassek ist Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Hildegardis-Verein mit Sitz in Bonn.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.