Kreuz und Hakenkreuz
Zunächst stand die katholische Kirche der Ende der zwanziger Jahre erstarkenden Hitler-Bewegung kritisch gegenüber. Als die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) bei den Reichstagswahlen am 14. September 1930 ihren Anteil an den Wählerstimmen von 2,6 auf 18,3 Prozent erhöhen konnte, sprachen die deutschen Bischöfe erstmals eine deutliche Warnung vor der Partei aus.
So wiesen die Oberhirten unter anderem auf das "inhaltsarme" Bekenntnis der NSDAP zum Christentum hin. Zudem kritisierten sie die nationalsozialistischen Auffassungen über Kirche, Staat, Schule, Religion und Rasse als "schief und falsch", ja "zum Teil als dem Christentum entgegengesetzt". Bei dieser ablehnenden Haltung blieb es bis 1933, sie wurde sogar noch verschärft durch das Verbot, als Katholik Mitglied der NSDAP zu werden.
Schwierige Lage nach der Machtübernahme
Nach der Machtübernahme Adolf Hitlers am 30. Januar 1933 jedoch kam die katholische Kirche in eine schwierige Lage. Sie stand nun vor dem Problem, die NSDAP und Hitler als - zunächst - rechtmäßige Vertreter des Staates anzuerkennen und der neuen Regierung den notwendigen staatsbürgerlichen Gehorsam zu zollen.
Erleichtert wurde dieser Schritt durch einige kirchenfreundliche Aussagen Hitlers. In seiner Regierungserklärung vom 23. März 1933 stellte der Reichskanzler den Kirchen weitreichende Zugeständnisse in Aussicht: "Die nationale Regierung sieht in den beiden christlichen Konfessionen wichtigste Faktoren der Erhaltung unseres Volkstums. Sie wird die zwischen ihnen und den Ländern abgeschlossenen Verträge respektieren; ihre Rechte sollen nicht angetastet werden."
Diese wohlwollenden Worte Hitlers nahmen die Bischöfe nur fünf Tage später zum Anlass, ihre bisherigen Warnungen vor der NSDAP und deren "Führer" zurückzunehmen. Es sei anzuerkennen, dass Hitler "öffentlich und feierlich" die Unverletzlichkeit der katholischen Glaubenslehre und der Rechte der Kirche zugesichert habe. "Ohne die in unseren früheren Maßnahmen liegende Verurteilung bestimmter religiös-sittlicher Irrtümer aufzuheben, glaubt daher der Episkopat das Vertrauen hegen zu können, dass die (...) allgemeinen Verbote und Warnungen nicht mehr als notwendig betrachtet zu werden brauchen."
Die nationale Euphorie um die neue Regierung hatte auch einen Großteil der deutschen Bischöfe erfasst, zumal einige von ihnen im Nationalsozialismus einen hilfreichen Verbündeten im Kampf gegen den Bolschewismus und andere Gefahren sahen. Am 8. Juni 1933 legten sie deshalb in einem gemeinsamen Hirtenbrief ein weitgehendes Bekenntnis zum neuen Staat ab. Hitlers ebenfalls in seiner Regierungserklärung vom 23. März geäußerte Bereitschaft, in einem völkerrechtlichen Vertrag mit der Kirche deren Rechte und Wünsche zu verbriefen, ließ die Bischöfe über viele Unannehmlichkeiten hinwegsehen.
Vertrag zum beiderseitigen Nutzen
Dieser Vertrag - das bereits in den Jahren der Weimarer Republik geplante Reichskonkordat - kam am 20. Juli 1933 zustande und stellte den Höhepunkt der kooperativen Phase zwischen Kirche und NS-Regime dar. Das Konkordat war für beide Seiten von großem Nutzen: Für Hitler bedeutete der Vertrag mit dem Vatikan - einer hohen moralischen Instanz in der Staatengemeinschaft - einen wichtigen außenpolitischen Erfolg; zum ersten Mal erkannte ein anderer Staat sein Regime offiziell an.
Die katholische Kirche wiederum bekam durch das Konkordat die von ihr gewünschte Bestandsgarantie für wichtige kirchliche Rechte und Aufgaben. So garantierte der Staat unter anderem die Freiheit des religiösen Bekenntnisses, den Bestand katholischer Schulen und religiös-karitativer Vereine, den Religionsunterricht sowie die konfessionelle Lehrerbildung. Verboten wurde hingegen jegliche politische Betätigung von Geistlichen in Parteien; außerdem mussten neu eingesetzte Bischöfe einen Treueid auf die Reichsregierung leisten.
War das Reichskonkordat der Höhepunkt der gegenseitigen Annäherung zwischen NS-Staat und Kirche, machte sich bald nach dessen Abschluss bei den Kirchenvertretern Ernüchterung breit. Es zeigte sich, dass das weltanschaulich ambitionierte Hitler-Regime sich nicht an seine Zusicherungen hielt. Der totalitäre, alle Lebensbereiche umfassende Anspruch des Nationalsozialismus drängte das christliche und religiöse Leben immer mehr ins Abseits.
Bereits im Herbst 1933 stellten die deutschen Bischöfe fest, dass das NS-Regime das Konkordat fortwährend brach. So unterwarfen die Nationalsozialisten die kirchliche Presse einer immer stärkeren Zensur, die Bekenntnisschulen wurden mehr und mehr bedrängt und es entbrannten Auseinandersetzungen zwischen der katholischen Caritas und der nationalsozialistischen Volkswohlfahrt um die Kinder- und Jugendfürsorge.
Enzyklika "Mit brennender Sorge"
1935 kam ein weiterer Konfliktherd hinzu, als das NS-Regime begann, katholische Geistliche und Ordensleute durch inszenierte Gerichtsverfahren bei den Gläubigen in Misskredit zu bringen. Nachdem die Kirche zwei Jahre lang vergeblich versucht hatte, diese Praxis zu unterbinden, entschloss sich Papst Pius XI. (1922-1939), die Nationalsozialisten öffentlich anzuklagen. In seiner deutschsprachigen Enzyklika "Mit brennender Sorge" kritisierte das Kirchenoberhaupt die Politik Hitlers und griff die Weltanschauung des Nationalsozialismus scharf an.
Nach der Verlesung des Rundschreibens in allen deutschen Gemeinden erreichten die Verfolgungen von Geistlichen einen Höhepunkt. Zahlreiche Pfarrer mussten für ihre Opposition gegen das Regime mit mehrjährigen Haftstrafen und Misshandlungen in Konzentrationslagern bezahlen. Ab 1940 wurden sie in Dachau in einem eigenen "Priesterblock" interniert; insgesamt waren dort bis 1945 mehr als 3.000 Priester und Ordensleute inhaftiert, rund 1.000 von ihnen kamen ums Leben.
Der Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 brachte zunächst eine gewisse Atempause. Hitler strebte eine Art Burgfrieden mit den Kirchen an, um die Unterstützung für den Krieg an der "Heimatfront" nicht zu gefährden. Allerdings rief das ungefähr zeitgleich mit dem Weltkrieg gestartete "Euthanasie"-Programm - die systematische Ermordung von geistig und körperlich Behinderten - sehr bald erneut deutliche kirchliche Kritik hervor.
Vor allem der münstersche Bischof Clemens August Graf von Galen wandte sich im Juli und August 1941 in drei berühmt gewordenen Predigten gegen das staatliche Morden. Als daraufhin auch in der Bevölkerung die Proteste gegen die "Euthanasie" immer mehr zunahmen, ließ Hitler das Programm am 24. August 1941 offiziell stoppen. Allerdings waren zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als 70.000 Menschen umgebracht worden - und im Geheimen ging das Morden weiter.
Offener Protest blieb die Ausnahme
Der offene Protest von Galens blieb jedoch die Ausnahme. Ansonsten verhielt sich die Kirche bis zum Ende des Hitler-Regimes weitgehend ruhig - aus Sicht vieler Kritiker zu ruhig. Die Kirchenleitung beschränkte sich darauf, die eigenen Rechtspositionen und den Schutz der Gläubigen zu wahren. Offener Protest oder gar Widerstand gegen das Regime blieb auf einzelne mutige Laien und Priester beschränkt.
Bereits kurz nach Kriegsende gestanden die Bischöfe Fehler ein. In einem Hirtenwort vom 23. August 1945 bescheinigten sie sich zwar, "von Anfang an vor den Irrlehren und Irrwegen des Nationalsozialismus ernsthaft gewarnt" zu haben. Gleichzeitig betonten sie jedoch: "Viele Deutsche, auch aus unseren Reihen, haben sich von den falschen Lehren des Nationalsozialismus betören lassen, sind bei den Verbrechen gegen menschliche Freiheit und menschliche Würde gleichgültig geblieben; viele leisteten durch ihre Haltung den Verbrechen Vorschub, viele sind selber Verbrecher geworden."
Der Text erschien erstmals im Jahr 2012.