Vor 80 Jahren vertrieben die Nazis Joannes Baptista Sproll aus seiner Diözese

Der Bekennerbischof

Veröffentlicht am 04.08.2018 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 
NS-Zeit

Rottenburg ‐ Er schwieg nicht: In seinen Predigten wandte sich der Rottenburger Bischof Joannes Baptista Sproll immer wieder gegen das nationalsozialistische Regime. Aus seiner Bischofsstadt konnten die Nazis ihn vertreiben – aber er blieb standhaft.

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Es war ein einmaliger Vorgang: Im August 1938 wurde Bischof Joannes Baptista Sproll von den Nationalsozialisten aus seiner Diözese verbannt, weil er sich weigerte, bei der Volksabstimmung zur Angliederung Österreichs an Deutschland teilzunehmen. Der heutige Bischof Gebhard Fürst findet dies umso bemerkenswerter, weil Bischof Sproll neben dem längst seliggesprochenen Münsteraner Kardinal Clemens August von Galen der Einzige gewesen sei, der den nationalsozialistischen Machthabern öffentlich, eindeutig und entschieden die Stirn geboten habe. "Er war der Einzige, der damals seine Diözese verlassen und ins Exil gehen musste", sagte er. Heute, 80 Jahre nach der Verbannung, würdigt das Bistum seinen berühmten Bischof mit einer Gedenkfeier.

„Fortiter in fide - Tapfer im Glauben“

—  Zitat: Wahlspruch von Joannes Baptista Sproll

Bei den Gläubigen und beim Klerus galt Sproll als volksnaher Weihbischof. Seine Beliebtheit sollte dann dazu führen, dass er nach dem Tod von Bischof Paul Wilhelm von Keppler 1927 zu seinem Nachfolger gewählt wurde. Mit Bezug auf seinen Namenspatron sah er sich der Verkündung berufen: "So folge ich denn vertrauensvoll dem Rufe Gottes, der mich zu euch gesandt hat, gleich meinem Namenspatron, dem hl. Johannes dem Täufer". Als neuer Bischof bemühte er sich besonders um die Aktivierung der Laien und die Stärkung des Gemeindelebens.

Sproll und das NS-Regime

In den Krisenjahren der Weimarer Republik, die schließlich in die Staats- und Wirtschaftskrise der Jahre 1930 bis 1932 führten, wurde die NSDAP auch in Württemberg langsam stärker. Spätestens nach den Reichtagswahlen am 5. März 1933 bemühte sich auch die Leitung des Bistums Rottenburg um eine Neupositionierung im Verhältnis zur NSDAP.

Geboren wurde Sproll am 2. Oktober 1870 in Schweinhausen bei Biberach. Bereits als Zehnjähriger soll der Sohn eines Straßenwärters den örtlichen Geistlichen als potentieller Priesteramtskandidat aufgefallen sein. Fortan erhielt er Vorbereitungsunterricht und besuchte ab 1882 die Lateinschule, die er vier Jahre später erfolgreich abschloss. Es folgte ein Theologiestudium an der Universität Tübingen und schließlich am 16. Juli 1895 die Priesterweihe. Die Schreibweise seines Namens ließ Sproll später in Joannes umändern, wahrscheinlich, um Verwechslungen zu Johannes dem Täufer zu vermeiden.

Nachdem er am Tübinger Wilhelmsstift und am Rottenburger Priesterseminar lehrte und sich weiterbildete, zog er 1912 ins Domkapitel ein. Dadurch wurde er gleichzeitig Mitglied des Württembergischen Parlaments, dem verfassungsgemäß Kirchenvertreter angehörten. Im Jahr darauf wurde er zum Generalvikar ernannt, 1916 folgte die Ernennung zum Weihbischof.

Politisch engagierter Geistlicher

Als der Erste Weltkrieg tobte, machte er als Weihbischof Frontbesuche sowohl im Osten als auch im Westen. Nach dem Krieg wurde er als einer der wenigen Vertreter des höheren Klerus Mitglied im neugegründeten "Friedensbund der Deutschen Katholiken". Sproll war Teil der Verfassungsgebenden Versammlung, die das Verhältnis von Staat und Kirche im Volksstaat Württemberg auf neue Grundlagen stellen sollte. Dort bemühte er sich um eine freiheitliche Stellung der Kirche und warb für aktive Mitgestaltung der neuen Verfassung im Sinne des politischen Katholizismus.

Der Rottenburger Dom St. Martin.
Bild: ©Diözese Rottenburg-Stuttgart

Der Dom St. Martin in Rottenburg am Neckar. Hier predigte Bischof Sproll gegen die Nationalsozialisten.

„Seid stark im Glauben, seid tadellos im Wandel, seid selbständig im Urteil!“

—  Zitat: Joannes Baptista Sproll

Zunächst unterzeichneten viele Bischöfe, darunter auch Sproll, eine Erklärung, die das Verbot der Parteimitgliedschaft für gläubige Katholiken aufhob. Sproll appellierte an die Vaterlandsliebe seiner Diözesanen und forderte zur Mitarbeit im neuen Staat auf. Es herrschte Verunsicherung bei den Geistlichen im Umgang mit dem neuen Regime. Man setzte zunächst auf pflichtgemäßes Verhalten und hoffte so auf ein erträgliches Auskommen.

Allerdings entging Sproll die tatsächliche Einstellung des Regimes nicht. Mehrfach protestierte er gegen die Diskriminierung der katholischen Jugendorganisationen, die Unterdrückung der kirchennahen Presse und kirchenfeindliche Propaganda. 1934 kam es schließlich zu heftigen Provokationen auf Seiten des NS-Regimes. Zahlreiche Pfarrer wurden mit Strafverfahren bedroht und teilweise verhaftet.

In Folge dessen begann sich Sproll in Predigten vehementer gegen die Versuche, das Christentum zu verdrängen, zu wehren. Namentlich griff er vor allem einen der führenden Ideologen der NSDAP, Alfred Rosenberg, an und warnte vor dessen Einfluss auf Parteiorganisationen und Schulunterricht.

Ausweisung aus der Stadt und der Diözese

1937 erreichten die Auseinandersetzungen zwischen Sproll und den Nationalsozialisten ihren Höhepunkt. Der Ton in den Predigten des Bischofs wurde immer klarer. Das Regime hatte viel Material für einen Prozess wegen Verstoßes gegen das "Heimtückegesetz". Dieses Gesetz kriminalisierte alle kritischen Äußerungen, die angeblich das Wohl des Reiches, das Ansehen der Reichsregierung oder der NSDAP schwer schädigten. Beweise für einen Verstoß Sprolls gegenüber dem Gesetz sollten sich vor allem aus dessen Predigten speisen. Eine Anklage wurde jedoch nicht erhoben.

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Die "Machtergreifung" der Nazis brachte die Kirche in eine Zwickmühle. Einerseits verurteilte sie deren Positionen. Andererseits forderte die katholische Lehre Gehorsam gegenüber dem Staat.

Am 10. April 1938 kam es schließlich zu der Volksabstimmung, mit der der "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich legitimiert werden sollte. Gleichzeitig war die Abstimmung mit einer Bestätigung der "Liste des Führers" verbunden, auf der unter anderem auch Parteiideologen wie Alfred Rosenberg standen. Bischof Sproll erschien als einziger Stimmberechtigter seines Wahlbezirks nicht zur Abstimmung. Sein Motiv sei nach eigenen Aussagen nicht der Protest gegen den Anschluss Österreichs gewesen, sondern die Gewissensentscheidung, christenfeindliche Männer wie Rosenberg nicht als Mitglieder des Reichstags zu bestätigen.

Was folgte, war eine massive Demonstrationswelle der Nationalsozialisten gegen den Bischof. Über Wochen gab es lautstarke Kundgebungen vor dem Rottenburger Palais, die die Vertreibung, Abberufung oder den Rücktritt des Bischofs forderten. Mehrfach wurde das Palais gestürmt und verwüstet. Sproll flüchtete immer wieder für kürzere Zeit aus der Stadt und der Diözese, weigerte sich jedoch endgültig fortzugehen. Am Ende war es die Gestapo, die seine Ausweisung aus Württemberg und Hohenzollern verfügte. Sie brachte den Bischof nach Freiburg. Es folgten mehrere Ortswechsel und ein zweijähriger Aufenthalt im Kloster St. Ottilien.

Geschwächte Rückkehr

„In christlicher Liebe wollen wir verzeihen, was uns in den vergangenen Jahren Böses zugefügt wurde. Der echte Christ hält sich an das Wort des Heilandes: Tut Gutes denen, die euch hassen.“

—  Zitat: Joannes Baptista Sproll, 1945

Zwar gab Rom dem Regime nicht nach und weigerte sich, Sproll als Bischof abzuberufen. Doch man legte er dem Bischof nahe, sich zu ergeben. Sproll jedoch weigerte sich und führte sein Amt auch im Exil weiter.

Im Sommer 1940 erlitt der Geistliche eine schwere Nierenerkrankung und zog ins Sanatorium Krumbad bei Augsburg. Immer häufiger wurde Sproll nun auch auf kirchlicher Seite ein Rücktritt empfohlen, doch der Bischof blieb.

Rottenburg wurde schließlich am 18. April 1945 von französischen Truppen eingenommen. Die Amerikaner rückten 10 Tage später in Krumbad ein. Einer Rückkehr Sprolls in seine Diözese standen die Alliierten nicht im Weg, sodass er am 14. Juni 1945 wieder in Rottenburg ankam. Schon zu Lebzeiten Sprolls etablierte sich der Beiname "Bekennerbischof".

Gebhard Fürst, Bischof der Diözese Rottenburg-Stuttgart und Vorsitzender der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz.
Bild: ©picture alliance/Pressefoto ULMER/Markus Ulmer

Der gegenwärtige Rottenburger Bischof Gebhard Fürst will das Andenken seines Vorgängers bewahren. Seit 2012 setzt er sich für die Seligsprechung des Glaubenszeugen ein.

Nach dem Krieg forderte er die Rückkehr zu christlicher Überzeugung und die Bereitschaft zur Vergebung. Neben der politischen Neugestaltung war vor allem die Integration der Vertriebenen ein wichtiges Thema.

Sein gesundheitlicher Zustand verschlimmerte sich nach seiner Rückkehr kontinuierlich, sodass er schließlich am 4. März 1949 an den Folgen eines Schlaganfalls starb. Mit einem Gottesdienst und einem Festakt hat das Bistum Rottenburg-Stuttgart 2011 das Seligsprechungsverfahren für seinen früheren Bischof eröffnet. 2013 erhielt er im Palais im Bischöflichen Ordinariat eine kleine Gedenkstätte, seinem einstigen Wohnsitz, den 1938 die Nationalsozialisten gestürmt hatten.

Von Eva Bernarding

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Er war einer der engagiertesten Streiter gegen das NS-Regime im katholischen Widerstand – doch große Erfolge blieben Pfarrer Franz Weiß verwehrt. Mit Wissen von Joannes Baptista Sproll wollte er eine geheime Widerstandsorganisation gründen aus Priestern, die Weltkriegsveteranen waren.