Achter Teil der Reihe zum Dekalog

"Du sollst nicht stehlen!": Das siebte Gebot

Veröffentlicht am 19.05.2019 um 13:31 Uhr – Von Till Magnus Steiner – Lesedauer: 

Bonn ‐ Eigentlich klingt das siebte Gebot eindeutig: Du sollst nicht stehlen! Doch auf welche Form des Diebstahls bezieht sich das Verbot genau? Und welche Strafen sind bei einer Zuwiderhandlung vorgesehen? Das Alte Testament gibt einige Antworten.

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Eigentum ist ein Menschenrecht – erst recht der Besitz der eigenen Freiheit. Auch wenn das Sklaventum im Alten und im Neuen Testament nicht verpönt ist, so gilt doch ein Menschenraub als ein Verbrechen, auf das die Todesstrafe steht: "Wer einen Menschen raubt, gleichgültig, ob er ihn verkauft hat oder ob man ihn noch in seiner Hand vorfindet, hat den Tod verdient" (Exodus 21,16). Dieses Verbot der Freiheitsberaubung ist mit einem Wort formuliert, das seinen Weg auch in die deutsche Sprache gefunden hat. Derjenige, der stiehlt oder raubt, ist ein Ganove!

Dieses Wort, das einen Verbrecher oder Betrüger bezeichnet, leitet sich von dem hebräischen Verb גָּנַב (gesprochen: ganav) ab. Mit ihm ist in den Zehn Gebote auch das Verbot des Diebstahls formuliert: "Du sollst nicht stehlen" (auf Hebräisch: ‎לֹא תִּגְנֹב, gesprochen: lo tignov). Früher wurde in der Forschung und bereits in der rabbinischen Auslegung angenommen, dass dieses siebte Gebot nur den Menschenraub verbiete. Schließlich ginge es in den beiden vorherigen Geboten, dem Verbot des Ehebruchs und der Tötung, jeweils um personenrechtliche Dimensionen. Und am Ende der Zehn Gebote werde ja zudem dann bereits das Begehren des Besitzes einer anderen Person verboten.

Zehn Gebote
Bild: ©fotolia jorisvo

Moses hält die zehn Gebote in den Händen. Kirchenfenster mit Moses und den zehn Geboten.

In der hebräischen Bibel ist jemand ein "Ganove", auch wenn er nicht Menschen, sondern jemandes Eigentum stiehlt. Zwar kennen die alttestamentlichen Gesetze die im Alten Orient verbreitete Verstümmelung eines Diebes nicht, aber das Strafmaß kann trotzdem drastisch ausfallen: "Ein Dieb muss Ersatz leisten. Besitzt er nichts, soll man ihn für den Wert des Gestohlenen verkaufen" (Exodus 22,2). Der Täter beraubt sich somit am Ende seiner eigenen Freiheit – aber nur, wenn er arm ist. Zwar kennt das Alte Testament auch den nicht zu bestrafenden Tatbestand des Mundraubs (siehe Deuteronomium 23,25-26).

Aber im Zentrum der Gesetze gegen den Diebstahl geht es einseitig allein um den Ersatz des Gestohlenen und die Wiedergutmachung, nicht um den sozialen Stand des Täters oder dessen Motiv: "Findet man das Gestohlene, sei es Rind, Esel oder Schaf, noch lebend in seinem Besitz, dann soll er doppelten Ersatz leisten" (Exodus 22,3). Wenn das gestohlene Vieh nicht wieder in den Besitz des rechtmäßigen Eigentümers gelangt, fällt die Wiedergutmachung gar vier- oder fünffach aus: "Wenn einer ein Rind oder ein Schaf stiehlt und es schlachtet oder verkauft, soll er fünf Stück Großvieh für das Rind oder vier Stück Kleinvieh für das Schaf als Ersatz geben" (Exodus 21,37). Und wenn jemand von Gott gewidmetem Eigentum stiehlt, dann ist eine Wiedergutmachung unmöglich: Wie Josua 7 erzählt, wurde der Dieb Achan, aufgrund Gottes Zorns über seine Tat, von ganz Israel gesteinigt.

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Video: © Mediaplus X und Bernward Medien

Jede Gesellschaft braucht ihre Regeln, denn ohne sie läuft alles drunter und drüber. Das "katholische Grundgesetz" bilden die Zehn Gebote.

Das siebte Gebot benennt weder eine Strafe noch das Objekt der Straftat. Weder die Art des Eigentums wird definiert noch die Art und Weise, wie es gestohlen wird. Wie in den prophetischen Mahnreden wird Diebstahl im Allgemeinen verurteilt, als eine das Zusammenleben schädigende Tat im Angesicht Gottes: "Hört das Wort des HERRN, ihr Söhne Israels! Denn der HERR verklagt die Bewohner des Landes: Es gibt keine Treue und keine Liebe und keine Gotteserkenntnis im Land. Nein, Fluch, Lüge, Mord, Diebstahl und Ehebruch machen sich bereit, Bluttat reiht sich an Bluttat" (Hosea 4,1-2).

Das siebte Gebot ist nicht auf eine Art des Diebstahls wie zum Beispiel den Menschenraub begrenzt, sondern es schützt jedwedes persönliche Eigentum ohne Ausnahme, ohne nach dem Motiv der Tat zu fragen und ohne soziale Unterschiede zu machen.

Von Till Magnus Steiner