Taufe des Herrn: Neues Fest mit alter Tradition
In der Weihnachtszeit gedenkt die Kirche vor allem der Kindheit Jesu: Gott ist Mensch geworden, er wird geboren und beschnitten, er ist mit seinen Eltern auf der Flucht vor der Verfolgung durch Herodes. Mit der Taufe des Herrn, die die Weihnachtszeit beschließt, beginnt etwas Neues: Das öffentliche Auftreten Jesu. In der Liturgie wird das festliche Weiß der Gewänder zuletzt an diesem Sonntag nach Epiphanie, also zwischen dem 7. und 13. Januar, getragen. Tags darauf beginnt die Zeit im Jahreskreis, das Weiß weicht den grünen Gewändern.
Was an diesem Tag gefeiert wird, steht in der Bibel. Drei Evangelisten – Markus, Matthäus und Lukas – berichten von der Taufe Jesu im Jordan durch Johannes den Täufer. Auch der Evangelist Johannes nimmt Bezug darauf, allerdings ohne Schilderung der Taufe selbst. Bei Lukas und Markus wird das Geschehen sehr knapp geschildert, Matthäus berichtet etwas ausführlicher: Jesus kommt zu Johannes an den Jordan, um sich taufen zu lassen. Allen drei Überlieferungen gemeinsam ist neben der Taufe durch Johannes der Zuspruch Gottes: Der Himmel tut sich auf, der Heilige Geist kommt in Gestalt einer Taube auf Jesus herab, eine Stimme aus dem Himmel nennt ihn "geliebten Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe".
Selbstverständlich ist das nicht. In der frühen Kirche wurde dieses Ereignis bisweilen auch als anstößig empfunden: Wie kann es sein, dass sich der Sohn Gottes von Johannes, zwar einem Propheten, aber doch einem ganz normalen Sünder, taufen lässt? Wozu braucht Jesus Umkehr und Sündenvergebung, wenn er doch selbst frei von Sünde ist? Und: Ordnet sich Jesus damit dem Täufer unter? Im Matthäus-Evangelium äußert Johannes selbst diese Bedenken: "Ich müsste von dir getauft werden und du kommst zu mir?" Gerade die Anstößigkeit dieser Taufe deutet darauf hin, dass hier ein tatsächliches historisches Geschehen beschrieben wird.
Von der Taufe zur Auferstehung
"Lass es nur zu! Denn so können wir die Gerechtigkeit ganz erfüllen", antwortet Jesus dem Täufer auf seine Bedenken. Mit der Bedeutung der Taufe Jesus haben sich schon die ersten Theologen befasst. Bei den Kirchenvätern wurde sie als Vorwegnahme von Tod und Auferstehung gedeutet. Johannes Chrysostomos (349/344–407) nennt in einer Predigt über den ersten Korintherbrief das "Untertauchen und Auftauchen" ein "Bild für Abstieg in die Hölle und Auferstehung". Auch die Taufliturgie der frühen Christen spricht davon, dass die Täuflinge "ihren früheren Herrn, den Teufel, im Wasser ertränkt" zurücklassen.
Die Brücke von der historischen Taufe Jesu zum Sakrament, das alle Christen empfangen, und von der Taufe zur Auferstehung wird auch in der Liturgie des Tages geschlagen: Das Tagesgebet beschreibt, wie der Geist Gottes auf Jesus herabkam. Dann wird eine Bitte geäußert: "Gib, dass auch wir, die aus dem Wasser und dem Heiligen Geist wiedergeboren sind, in deinem Wohlgefallen stehen und als deine Kinder aus der Fülle dieses Geistes leben."
Die Einführung in die Messtexte im Schott-Messbuch beschreiben das Fest als "Epiphaniegeschehen", ein "Aufleuchten des sich offenbarenden Gottes". Auch dort wird der Bogen von der Taufe zur Auferstehung geschlagen: "Der Vater nennt Jesus, der sich in die Reihe der Sünder gestellt hat, seinen geliebten Sohn. Der Geist Gottes ruht auf ihm, er wird ihn in die Wüste hinausführen, dann nach Galiläa, Jerusalem, Golgota. In der Kraft dieses Geistes wird Jesus sich als Opfer darbringen für die Sünde der Welt."
Neues Fest mit alter Tradition
Dass die Taufe des Herrn überhaupt gefeiert wird und fest im kirchlichen Kalender steht, ist eine für kirchliche Verhältnisse recht neue Entwicklung – wenn auch mit langer Tradition. Sehr alt ist das Feiern der Taufe des Herrn, da bereits Clemens von Alexandrien (um 150–215) von einem liturgischen Gedenken an die Taufe Christi berichtet, allerdings bei einer gnostischen Sekte. Später gehörte die Taufe des Herrn neben der Anbetung der Sterndeuter und der Hochzeit zu Kana zu den drei Festgeheimnissen, derer an Epiphanie gedacht wurde. Auch in anderen Traditionen taucht das Taufgedenken auf. Die orthodoxen Kirchen feiern heute noch am 6. Januar (nach ihrem Kalender) das Fest Theophanie und gedenken damit auch der Taufe Jesu. Symbolisch wird das durch Wasser- und Flusssegnungen deutlich. Im evangelischen Kirchenjahr dagegen gibt es zwar kein Fest der Taufe des Herrn, der "1. Sonntag nach Epiphanias" wird aber dennoch in Gedenken an die Taufe Jesu gefeiert.
Sehr neu ist das katholische Fest Taufe des Herrn, weil es erst im 20. Jahrhundert und in seiner heutigen Form erst seit 1970 im liturgischen Kalender explizit verankert ist. 1955 von Papst Pius XII. zum Gedenktag erhoben, ändert sich das schon 1960 wieder. Papst Johannes XXIII. gestaltet das Kirchenjahr noch einmal um; er schafft viele Oktaven ab, achttägige "Festwochen", darunter auch die von Epiphanie. Die Taufe des Herrn, die am nun wegfallenden Oktavtag gefeiert wurde, wird von ihm zum Festtag zweiter Ordnung erhoben. Die heutige Situation gilt seit Inkrafttreten der Neuordnung des Kirchenjahres im Zuge der Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanum. Seitdem endet auch die Weihnachtszeit mit der Taufe des Herrn und nicht mehr mit Mariä Lichtmess am 2. Februar.