Vor einem Jahr wurde Kardinal Jorge Mario Bergoglio zum Papst gewählt

Reformer, kein Revolutionär

Veröffentlicht am 13.03.2014 um 00:00 Uhr – Von Johannes Schidelko (KNA) – Lesedauer: 
Papst

Bonn ‐ Nach 26 Stunden Konklave steigt am 13. März 2013 um 19.07 Uhr weißer Rauch aus dem Schornstein der Sixtinischen Kapelle. Ein neuer Papst ist gewählt, die Sensation perfekt: Die versammelten 115 Kardinäle einigen sich auf einen Überraschungskandidaten. Den 76-jährigen Argentinier Jorge Mario Bergoglio hatten die wenigsten im Blick. Doch der neue Papst Franziskus gewinnt bereits mit seinem ersten bescheidenen und frommen Auftritt auf der Loggia des Petersdoms die Herzen der Menschen.

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Die Sedisvakanz stand im Zeichen von Veränderung und Reform. Der zurückgetretene Benedikt XVI. hatte die Kirche mit brillanten Ansprachen geleitet, theologische Bücher verfasst, den Dialog von Kirche und Zeitgeist vorangebracht, Ökumene und interreligiösen Dialog gefördert und politische Zeichen gesetzt. Doch im Vatikan gab es etliche organisatorische Pannen: die Regensburger Rede, die Williamson-Affäre oder "Vatileaks". Im Vorkonklave forderten die Kardinäle nachdrücklich Abhilfe. Und Bergoglio traf mit seiner "Brandrede" über eine Neuausrichtung der Kirche offensichtlich genau den Nerv.

Seither beflügelt Franziskus durch einen eigenen Lebens- und Arbeitsstil, durch verständliche Botschaften und umfassende Reformpläne, durch Ausstrahlung, Charisma und Spontaneität viele Hoffnungen in der Kirche. Er versteht es, ein Klima von Offenheit zu schaffen, auf die Menschen zuzugehen; er wirkt authentisch. Franziskus wohnt nicht im Apostolischen Palast, sondern zusammen mit vielen Vatikangeistlichen im Gästehaus Santa Marta. Er lässt sich nicht vom Kurienapparat vereinnahmen, erledigt vieles selbst, macht klare Vorgaben. Schon bald nach der Wahl berief er den sogenannten K8-Rat, ein Gremium aus acht Kardinälen, das ihn bei seinen Reformen unterstützen soll.

Barmherzige Kirche für die Armen

Die Sorgen um das Nebeneinander zweier Päpste erwiesen sich als unbegründet: Benedikt XVI. lebt zurückgezogen in einem Kloster im Vatikan, widmet sich dem Gebet und einer umfangreichen Korrespondenz. Zuletzt war er dieser Tage beim Konsistorium im Petersdom dabei. Franziskus nutzt seinen Rat. Gemeinsam gaben sie die Enzyklika "Lumen fidei" heraus.

Zu Jahresende erschien dann mit "Evangelii gaudium" das Regierungsprogramm von Papst Franziskus. Darin verlangt er eine Neuausrichtung der Kirche auf allen Ebenen, mehr Kollegialität und Synodalität an der Kirchenspitze. Es geht ihm um eine Kirche für die Armen, die vor allem auf die Menschen am Rand zugeht; die Barmherzigkeit übt, ohne die Gerechtigkeit außer Acht zu lassen.

Für Franziskus bedeutet das kirchliche Amt - einschließlich des Papstamtes - nicht Macht, sondern vor allem Dienst. Das heißt nicht, dass er auf päpstliche Autorität verzichtet. Franziskus ist eine Führungsfigur - und er zeigt, dass kirchliche Karrieren nicht immer nach oben führen müssen. Beim Konsistorium nahm er auch manchen Außenseiter ins Kardinalskollegium auf, doch er will sicher keine völlig andere Kirche. Franziskus ist kein Revolutionär.

Politische Aufmerksamkeit fand Franziskus bereits mit seiner ersten Reise: seinem energischen Solidaritätsappell auf der Flüchtlingsinsel Lampedusa. Sein Weltgebetstag für ein Kriegsende in Syrien angesichts der drohenden US-Militärintervention im September erfuhr auch interreligiös Beachtung. Als Heimspiel erwies sich seine erste Auslandsreise zum Weltjugendtag in Rio de Janeiro.

Kritik an fehlendem theologischen Tiefgang

Der neue Franziskus-Stil gefällt freilich nicht allen. Seine Messen seien zu wenig feierlich, seinen Predigten fehle theologischer Tiefgang, so ist zu hören. Manche halten seine Wirtschaftskritik für zu "links". Überhaupt sehe man zu viel Bergoglio und zu wenig Papst, heißt es.

In seiner kirchlichen Grundhaltung ist Franziskus zweifellos traditionell. Immer wieder spricht er von der Kirche als Mutter. Er hat eine verwurzelte Marienfrömmigkeit, fördert das Bußsakrament. Ein großes Projekt sind derzeit die beiden Bischofssynoden zur Familienseelsorge. Unter breiter Beteiligung der Weltkirche will er dort nach einer Förderung und zeitgemäßen Umsetzung des christlichen Familienbildes suchen. Franziskus will die Freude an Glauben und Kirche stärken - und zu einer Erneuerung durch persönliches Vorbild beitragen.

Die erste Ansprache von Franziskus

Brüder und Schwestern! Guten Abend! Ihr wisst, es war die Aufgabe des Konklaves, Rom einen Bischof zu geben. Es scheint, meine Mitbrüder, die Kardinäle, sind fast bis ans Ende der Welt gegangen, um ihn zu holen. (...) Aber wir sind hier. (...) Ich danke euch für diesen Empfang. Die Diözese Rom hat nun ihren Bischof. Danke. Zunächst möchte ich ein Gebet sprechen für unseren emeritierten Bischof Benedikt XVI. Beten wir alle gemeinsam für ihn, daß der Herr ihn segne und die Mutter Gottes ihn beschütze. [Gebet] Und jetzt beginnen wir diesen Weg - Bischof und Volk -, den Weg der Kirche von Rom, die den Vorsitz in der Liebe führt gegenüber allen Kirchen; einen Weg der Brüderlichkeit, der Liebe, des gegenseitigen Vertrauens. Beten wir immer füreinander. Beten wir für die ganze Welt, damit ein großes Miteinander herrsche. Ich wünsche euch, dass dieser Weg als Kirche, den wir heute beginnen und bei dem mir mein Kardinalvikar, der hier anwesend ist, helfen wird, fruchtbar sei für die Evangelisierung dieser schönen Stadt. Und nun möchte ich den Segen erteilen, aber zuvor bitte ich euch um einen Gefallen. Ehe der Bischof das Volk segnet, bitte ich euch, den Herrn anzurufen, dass er mich segne: das Gebet des Volkes, das um den Segen für seinen Bischof bittet. In Stille wollen wir euer Gebet für mich halten. Jetzt werde ich euch und der ganzen Welt, allen Männern und Frauen guten Willens, den Segen erteilen. [Segen] Brüder und Schwestern, ich verabschiede mich von euch. Vielen Dank für den Empfang. Betet für mich und bis bald! Wir sehen uns bald: Morgen möchte ich die Mutter Gottes aufsuchen und sie bitten, ganz Rom zu beschützen. Gute Nacht und angenehme Ruhe.

Dossier: Ein Jahr Franziskus-Pontifikat

Am 13. März 2013 wurde der argentinische Kardinal Jorge Mario Bergoglio im fünften Wahlgang des Konklaves als Nachfolger des zurückgetretenen Benedikt XVI. zum neuen Papst gewählt; er gab sich den Namen Franziskus. Katholisch.de dokumentiert die wichtigsten Ereignisse und Stationen seines Pontifikats.
Von Johannes Schidelko (KNA)