Franziskus als Marke
Frage: Herr Wiegand, Papst Franziskus hat in seinem ersten Jahr durch viele Gesten für Aufsehen gesorgt. Welche beeindruckt Sie als Auftrittsberater am meisten?
Wiegand: Ganz klar die Fußwaschung, wenige Wochen nach seinem Amtsantritt. Das war eine starke symbolische Handlung. Dieser Papst ist sehr medienwirksam, und allein mit diesem Foto hat er mehr erreicht als manche seiner Vorgänger.
Frage: Warum? Dass Pfarrer, Bischöfe, Päpste an Gründonnerstag symbolisch die Füße von Gottesdienstbesuchern waschen, ist nicht ungewöhnlich...
Wiegand: Aber Franziskus reinigte auch die Füße einer Frau, die obendrein Muslimin war. Das erwartet man nicht von einem Papst. Er hat also das übliche Bild durchbrochen und bewusst ein Zeichen gesetzt. Er will sich nach außen öffnen.
Frage: Seine erste größere Reise ging auf die Flüchtlingsinsel Lampedusa. Was kommt dadurch zum Ausdruck?
Wiegand: Zweierlei. Er möchte den Blick auf die Ärmsten der Armen richten, und er interessiert sich für andere Kulturen. Denn viele der afrikanischen Flüchtlinge gehören dem Islam an. Franziskus hat dadurch Brücken gebaut und die Würde der Menschen betont.
Frage: Obwohl er als Staatsoberhaupt das nicht muss, hat der Papst gerade erst einen neuen Personalausweis beantragt - wie jeder Bürger Argentiniens.
Wiegand: Ja, das hat mich stark beeindruckt. Es ist ein weiteres Indiz dafür, dass dieser Papst offensichtlich authentisch ist. Er tut das, was er sagt - und er sagt, was er tut. Er sieht sich nicht als etwas Überhöhtes, sondern letztlich als einen normalen Menschen. Das unterstreicht er immer wieder sehr deutlich.
Frage: Und deshalb sehen Kritiker aus dem sehr konservativen Lager die Würde des Amtes in Gefahr...
Wiegand: Mir als Auftrittsberater steht da kein inhaltliches Urteil an. Aber mit seiner menschlichen Art setzt Franziskus das Signal, dass er die Menschen ernst nimmt. Wenn man wie er Grenzen durchbricht, muss man immer mit Gegnern rechnen. Doch höchstens innerkirchliche Gegner oder Traditionalisten können sein fantastisches Image noch ankratzen.
Frage: Letztes Beispiel, der Papst und die Autos. Sogar bei offiziellen Terminen lässt er sich in einem Fiat-Kleinwagen fahren, und er sagt Sätze wie: "Es tut mir weh, wenn ich einen Priester oder eine Nonne in einem nagelneuen Auto sehe." Eckt er mit so etwas nicht an?
Wiegand: Na ja, mit allem, was er tut, kann er anecken. Das ist einfach die Folge eines solchen Amtes. Das ist beim Papst nicht anders als in der Politik oder in der Wirtschaft. Aber wenn er seine Gesten und Symbolik durchhalten kann, bleibt seine eigene Person glaubwürdig, auch gegen alle Kritik.
Frage: Also keine Sorge, dass sich die Gesten und Appelle zu Bescheidenheit mal "verschleißen"?
Wiegand: Nein, überhaupt nicht. Gerade in Deutschland steht die Kirche durch die Vorgänge in Limburg in der Kritik, und da ist Franziskus ein guter Gegenpol. Er beweist eindrucksvoll, dass es auch anders geht. Jemand, der Zeit seines Lebens authentisch bleibt, nutzt sich nicht ab. Bei allen Unterschieden - auch ein Nelson Mandela oder ein Dalai Lama sind ja seit Jahrzehnten so gewesen wie immer, und das nicht zu ihrem Schaden.
Frage: Ihr Fazit nach einem Jahr Papst Franziskus?
Wiegand: Ich kann nicht in ihn reingucken, sondern nur von außen beobachten. Aber klar ist, dass er dem Papstamt eine neue Marke aufgesetzt hat. Er ist zu einem Symbol geworden, ähnlich wie eine gut positionierte Marke in der Werbung. Franziskus fasziniert sogar Menschen wie mich, die nicht Katholiken sind. Das hat er geschafft.
Frage: Kann er gar nichts mehr verbessern?
Wiegand: Also, verbessern lässt sich ja immer etwas. Aber was eigentlich? Klar, er muss Rücksichten nehmen und kann sicher nicht alles sagen, was er vielleicht möchte. Das ist mit so einem Amt verbunden. Aber im Moment wüsste ich aus meiner Sicht als Medientrainer kaum einen Rat, was er in der Außenwirkung noch besser machen könnte.