Nach dem großen Schlusspfiff

Veröffentlicht am 09.09.2008 um 00:00 Uhr – Von Sabine Kleyboldt – Lesedauer: 
Dossier: Friedhof

Der Hamburger Sport-Verein ist - gerade für seine Anhänger - etwas ganz Besonderes und ist Erster bei den letzten Dingen.

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"Wenn dort ein Tor fällt, bebt hier die Erde", weiß HSV-Vorstand Christian Reichert, Initiator des Projekts. Dabei verfolgt der Traditionsclub hier keinerlei kommerzielle Interessen, betonte Reichert bei der Einweihung des neuen "HSV-Themen-Grabfeldes". "Oft fragen Fans an, ob sie ihre Asche im Stadion verstreuen oder sich unter dem Elfmeterpunkt bestatten lassen können", so der 44-Jährige. Da solches Tun sowohl mit dem deutschen Bestattungsrecht als auch der Rasenheizung Konflikte brächte, suchte und fand der Fan-Beauftragte Lösungen: Das Angebot der benachbarten Friedhofsverwaltung, ein leergewordenes Gräberfeld gänzlich zu übernehmen, kam da vor drei Jahren genau richtig. Letztes Jahr bei der Grundsteinlegung habe man sich auf die "Deadline" von zwölf Monaten geeinigt, bleibt Reichert im Bild.

Platz für bis zu 500 Menschen

Nun liegt der Fan-Friedhof beschaulich im Nachmittagssonnenschein, die Flutlichtanlage des HSV-Stadions lugt über die Bepflanzung. Über dem Eingangsportal, ein Beton-Fußballtor in Originalgröße, weht eine riesige blaue Vereinsfahne mit der berühmten HSV-Raute. Vor dem Betrachter tut sich eine noch etwas zerstückelte Grasfläche - ausrangierter Stadionrasen - auf, terrassenförmig angelegt und mit Betonstufen verbunden. "Auf einem Friedhof werden Menschen beigesetzt, es wird getrauert, da ist jede Event-Form unangemessen", erklärt der pensionierte Architekt Frido Röhrs, Planer des Projekts. Statt auf Schnickschnack setzte man auf einen ruhigen Gesamteindruck. So seien das Tor und die terrassenförmige Anlage die einzigen Fußball-Zitate, so Röhrs.

300 bis 500 Menschen - übrigens nicht nur erklärte Anhänger des Bundesligisten - finden Platz auf dem Gräberfeld. Interessenten können Mannschaftsgeist beweisen und einen Urnenplatz für rund 2.400 Euro in der Gemeinschaftsruhestätte "Team" ordern. Zur Auswahl steht auch das Familiengrab "Doppelpass" für die Bestattung im Sarg - alles zu finden im HSV-Flyer "Auf ewig vereint. Sichere dir deine HSV-Ruhestätte".

Auf "Fankutte" und ähnliche Accessoires muss selbstverständlich auch im Grab nicht verzichtet werden: Im Angebot finden sich Särge, Urnen, Katafalkdecken und schwarz-blau-weißer Blumenschmuck. Drei Hamburger Bestattungsunternehmer und ein Friedhofsgärtner haben hierfür beim HSV Lizenzen erworben. Das so eingenommene Geld will der Verein gleich wieder ins Projekt investieren, erklärt Reichert. So soll demnächst ein Grabmal für die Gefallenen der Weltkriege auf dem Friedhof seinen Platz finden. Der HSV "Supporters Club" steuerte 20.000 Euro für die Bauarbeiten bei, 30.000 Euro kamen nochmals von der Vereinsführung hinzu.

Besuch beim toten Kameraden

Reichert sieht mit der Initiative auch einen gesellschaftlichen Auftrag erfüllt: In Zeiten hoher Mobilität fehlten den Menschen häufig die Identifikationsmöglichkeiten. Diese biete ihnen der HSV nun sogar über den Tod hinaus - mit einem Friedhof, "wo man sich als HSV-Fan mit etwas verbunden fühlt, das auch einen Großteil seines Lebens bestimmt hat", so der gelernte Lehrer. Außerdem falle das Gedenken viel leichter: Mindestens alle 14 Tage beim Heimspiel ist ein Besuch beim toten Vereinskameraden fällig.

Von den Kirchen hat Reichert nach eigenem Bekunden nichts Negatives über den Friedhof gehört. "Wenn ein HSV-Fan seinem Verein auch nach dem 'großen Schlusspfiff' nahe sein möchte - warum nicht?", sagt denn auch der katholische Pfarrer von Blankenese, Peter Mies. Auch die evangelische Bischöfin Maria Jepsen sieht das Unternehmen grundsätzlich positiv. Dennoch gibt die Kirchenfrau zu bedenken: "Der Mensch lebt nicht vom Ball allein." Das, weiß Christian Reichert, gilt längst nicht für jeden.

Anmerkung: Als zweiter deutscher Fußballverein wird auch der FC Schalke 04 einen Fan-Friedhof in der Nähe der Veltins-Arena eröffnen.

Von Sabine Kleyboldt