Deshalb bin ich Kirche – und bleibe es
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Seien wir ehrlich: Im Moment gibt es viele gute Gründe, um der Kirche den Rücken zuzukehren. Zu Recht steht die katholische Amtskirche wegen der systematischen Vertuschung so vieler Missbrauchsfälle, der Diskriminierung von queeren Menschen, mehrerer Finanzskandale oder tiefgreifender Vertrauenskrisen in der Kritik. Rund 360.000 Menschen in Deutschland haben im vergangenen Jahr daraus ihre persönliche Konsequenz gezogen und sind aus der Kirche ausgetreten. In anderen Ländern Europas sowie Nord- und Südamerikas sieht es ähnlich aus – mit dem Unterschied, dass es dort meist nicht die Möglichkeit eines formellen Kirchenaustritts gibt und die genauen Zahlen der Katholiken, die sich derart weit von ihrer Kirche entfremdet haben, nicht bekannt sind.
Ich kann die vielen Ausgetretenen gut verstehen, denn katholisch zu sein ist derzeit nicht leicht. Doch ich komme zu einem anderen Schluss, denn – Gott sei Dank! – gibt es auch viele gute Gründe, um in der Kirche zu bleiben. Etwa das Angebot der Notfallseelsorge während der Flutkatastrophe im vergangenen Jahr, die Trauergottesdienste, die den Angehörigen über den Verlust ihrer Verstorbenen hinweghelfen, den Einsatz für den Schutz des Lebens in katholischen Krankenhäusern oder in der kirchlich geprägten Friedensbewegung. Ganz zu schweigen von Gottesdiensten, Hilfsangeboten und katechetischen Kursen, die es tagtäglich in den Pfarreien deutschlandweit gibt. Natürlich steht es dort nicht überall zum Besten, doch die Amtskirche und die Gläubigen an der Basis versuchen wenigstens, Reformen auf den Weg zu bringen und sich vom Geist Gottes leiten zu lassen.
Persönlich möchte ich vor allem einen guten Grund nennen, warum ein Austritt für mich nicht infrage kommt: die kirchliche Weggemeinschaft. Als Katholik kann man seinen Glauben nicht leben, ohne gemeinsam mit den Glaubensgeschwistern unterwegs zu sein. Nur zusammen kann man sich über Krisen hinweghelfen und Feste feiern. Der oft gezogene Vergleich, die Kirche sei wie eine Familie trifft vollends zu. Wie in einer Großfamilie gibt es eben auch in der katholischen Kirchen Schwestern und Brüder, mit denen man sich besser versteht und solche, die man am liebsten nie sieht. Man kann zu jedem Familienfest erscheinen und mitfeiern, aber sich auch nur einmal im Jahr an Weihnachten mit einer Grußkarte bei den Verwandten melden. Jeder kann so zur Kirche dazugehören, wie es für ihn oder sie im Moment gerade passt.
Der Autor
Roland Müller ist Redakteur bei katholisch.deHinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.