Rom sollte den Kontext des Synodalen Wegs nicht weg-lehramteln
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Der Brief aus dem Vatikan an die deutschen Bischöfe, das ausführliche Interview des Wiener Kardinals Christoph Schönborn – sie beide sind mehr als deutliche Texte. Sie zeigen, welche Spannungen zwischen dem nach dem Synodalen Weg angepeilten Synodalen Auschuss der Kirche in Deutschland und der kirchenrechtlichen (oder dogmatischen?) Realität bestehen. Diese Deutschen!
Nur, ein Aspekt blieb komplett außen vor. Und eigentlich war es mal der wesentliche Aspekt des Synodalen Wegs. Weder das Themenfeld sexueller/geistlicher Missbrauch noch der Begriff sexualisierte Gewalt werden von den Kardinälen im Vatikan erwähnt oder nur angedeutet. Aus der Ur-Erschütterung des Missbrauchsskandals hatten einst die deutschen Bischöfe, übrigens einmütig, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken um einen gemeinsamen Weg der Aufarbeitung gebeten. Und wer die fünf auch konfliktgeprägten Plenarsitzungen verfolgte: Dieser ursprüngliche Anlass war eigentlich immer präsent. Und jetzt?
Bei den beiden genannten Schreiben, terminlich kurz vor der Vollversammlung der Bischofskonferenz platziert, geht es, so wirkt es, um theologischen Kern. Die Einheit der Kirche, die Autorität des Bischofsamtes (das vom Zweiten Vatikanischen Konzil so überhöht wurde), Ignoranz gegenüber dem Papst.
Nun sei dahingestellt, warum es angesichts der römischen Misstrauenserklärung während der vergangenen Monate keinen Gesprächstermin im Vatikan für die deutschen Bischöfe oder auch die Spitze des Synodalen Wegs gab. Oder warum der Wiener Kardinal nach dem römischen Brief und ersten Signalen aus dem deutschen Episkopat noch mit dem Interview agierte, das, so wirkt es, fast schon genüsslich den Gedanken des Schismas entfaltete.
Vielleicht ist ja die sexualisierte Gewalt heute nicht mehr die Mega-Herausforderung der Kirche. Aber in den sieben Tagen seit dem Schönborn-Interview wurde in Australien ein vorzeitig emeritierter Bischof unter dem Vorwurf sexueller Nötigung und Vergewaltigung (in seiner Zeit als Bischof) verhaftet, trat in Polen ein Bischof wegen anhaltender Vertuschungsvorwürfe zurück, ploppte in Rom der Skandal um den mutmaßlichen jesuitischen Serientäter Marko Rupnik mit Wucht neu auf. Drei Beispiele binnen einer Woche. Ausdrücklich kein Anspruch auf Vollständigkeit.
Klar, man darf die Fälle sexualisierter Gewalt nicht instrumentalisieren. Man sollte aber auch den Kontext des Synodalen Wegs jetzt nicht weg-lehramteln. Kann man machen, aber dann könnte die Bischofskongregation für ihre Oberhirten-Schäfchen vielleicht direkt Bildungsreisen nach Irland anbieten: Fortbildung in einer geradezu weggestorbenen Kirche.
Der Autor
Christoph Strack ist Leiter des Bereichs Religionen der Deutschen Welle.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.