Kirchenamtliche Darstellungen unaufrichtig mit Blick auf eigene Geschichte

Dogmatikerin: Es braucht Selbstreflexion unveränderlicher Festlegungen

Veröffentlicht am 18.09.2024 um 13:00 Uhr – Lesedauer: 

Chur ‐ Damit die Kirche synodaler werden kann, müssten alte und als unveränderbar geltende Traditionen hinterfragt werden, fordert die Dogmatikerin Eva-Maria Faber. Denn für viele Festlegungen seien die Kontinuitäten eher gering.

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Die Churer Dogmatikerin und Fundamentaltheologin Eva-Maria Faber hat die Kirche zu einer kritischen Selbstreflexion der eigenen Lehre und Tradition aufgerufen. "Es ist für historisch arbeitende Theologie befremdlich, dass kirchenoffizielle Darstellungen so wenig aufrichtig mit der Geschichte kirchlicher Lehre und Strukturen umgehen", schreibt Faber in einem Beitrag für das Internetportal "feinschwarz.net" (Mittwoch). "Warum sind sie so resistent dagegen, sich als lernfähig und manchmal auch umkehrfähig zu zeigen?" Die bestehenden kirchenamtlichen Festlegungen zu Lehre, Recht und Praxis ließen derzeit wenig Spielräume, in denen Ortskirchen ausprobieren könnten, welche Taufämter und welche Formen der Dezentralisierung für sie geeignet wären. Das im vergangenen Jahr veröffentlichte Instrumentum laboris zur Weltsynode fordere allerdings genau dieses Experimentieren.

"Für viele scheinbar unveränderliche Festlegungen der heutigen Kirche sind die Kontinuitäten tatsächlich eher gebrochen und schmal." Als Beispiel nannte Faber die "unverrückbar scheinenden Ämterstrukturen". "Weder war der Ordo immer dreigliedrig noch wurde die Bischofsweihe immer als Sakrament angesehen noch wertete man immer die Handauflegung als Kernritus der Ordinationshandlung." Bis ins Mittelalter hätten Ordolisten zudem etwa Diakoninnen und Äbtissinnen eingeschlossen. Auch das kirchliche Gesetzbuch (Codex Iuris Canonici) von 1917 habe erstmals die Regelung festgelegt, dass der Papst die Bischöfe ernenne. "Es stehen also keineswegs alte Traditionen gegen ein beherztes Nachdenken über den Einbezug ortskirchlicher und das Volk Gottes repräsentierender Instanzen bei der Auswahl der Bischöfe."

Frühere päpstliche und bischöfliche Entscheidungen sehr einseitig

Dies zeige sich auch bei der Aussage im Vademecum zum weltweiten synodalen Prozess. Im Instrumentum laboris heißt es, die Kirche erkenne "die Synodalität als einen wesentlichen Bestandteil ihres Wesens an". Eine solche ekklesiologische Aussage lese sich, als habe diese Wesensbestimmung immer und überall Gültigkeit gehabt, schreibt Faber. "In historischer Perspektive ist allerdings nüchtern festzustellen: Dieses konstitutiv synodale Wesen ist in der Vergangenheit oft nur sehr partiell verwirklicht worden." Frühere päpstliche oder bischöfliche Entscheidungen seien oft sehr einseitig und zu wenig in der Lebenspraxis verankert gewesen, weil sie kaum synodal gewesen seien. "Dies gilt insbesondere für manche Entscheidungen des päpstlichen Lehramtes, die selbstbezogen – ohne echte Rekurse auf Schrift, Tradition, sensus fidelium oder Theologie, vielmehr durch eigene Konstruktion lehramtlicher Tradition – bestrebt waren, die Verbindlichkeit der eigenen Entscheidungen auszuweiten und ihre Unveränderbarkeit einzuschärfen."

Daraus ergebe sich allerdings ein gravierendes Problem: Die Entscheidungen einer Kirche, die spätestens im 2. Jahrtausend wenig synodal agiert habe, könnten nur schwer einer Erneuerung zugeführt werden. Damit neue Orientierung – wie etwa die von Papst Franziskus vorgebrachte Rede von der Kirche als Feldlazarett – sich entfalten könnten, seien "bisher prägende Modelle und Kriterien explizit und kirchenamtlich zu relativieren bzw. ad acta zu legen", fordert Faber. (cbr)