Konvertiten, dubiose Strippenzieher und hohe Investitionen

Welche Rolle spielt die Gebetsapp "Hallow" bei den US-Wahlen?

Veröffentlicht am 29.10.2024 um 00:01 Uhr – Von Mario Trifunovic – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die US-Präsidentschaftswahlen stehen vor der Tür. Mittendrin: Konvertiten zum katholischen Glauben – und eine Gebetsapp, die von prominenten Schauspielern beworben wird. Doch wer steckt hinter der katholischen Offensive? Und welche Rolle spielt Trumps Vize J. D. Vance? Eine Spurensuche.

  • Teilen:

Wenn eine App von Prominenten in höchsten Tönen gelobt wird und dann auch noch beim weltweiten medialen Großereignis, dem diesjährigen Sportereignis "Superbowl" Anfang Februar, beworben wird, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass viele einen Blick darauf werfen. Bei der beworbenen App handelt es sich um die katholische Gebetsapp "Hallow", die kurz darauf zur Nummer eins in den gängigen Appstores aufstieg. Eher ungewöhnlich für eine katholische App. Doch was auf den ersten Blick interessant wirkt, entpuppt sich als ein mögliches Wahlkampfinstrument für die anstehenden Präsidentschaftswahlen in den USA – vor allem für den Kandidaten der Republikanischen Partei, Ex-Präsident Donald Trump. 

Wie das Internetportal "Mother Jones" noch 2022 berichtete, habe der Vizepräsidentschaftskandidat Trumps, James David Vance, der 2019 zum Katholizismus konvertierte, gemeinsam mit dem Big-Tech-Milliardär Peter Thiel die Gebetsapp finanziert. Thiel selbst hatte Facebook, das heute Meta heißt, Anfang 2022 verlassen, um sich mehr mit Politik zu befassen und Kandidaten zu unterstützen, die auf der Linie Trumps sind. Laut dem Bericht arbeitete Vance nicht nur in Thiels Unternehmen, sondern investierte mit ihm zusammen 40 Millionen Dollar in die Gebetsapp. Davon berichtete vor wenigen Monaten auch die rennomierte New York Times. Warum diese Investition problematisch war, zeigte eine Untersuchung des Internetportals "Buzzfeed" von Anfang 2022. Hallow hatte Datenschutzrichtlinien, die es ihnen erlaubte, Benutzerdaten "für gezielte Werbung an Geschäftspartner weiterzugeben und ihnen 'alleiniges Ermessen' darüber einräumen, wann Benutzerinformationen an Regierungen, Strafverfolgungsbehörden oder andere 'private Parteien' weitergegeben werden". Dies wurde von der Mozilla Foundation bestätigt, die der Datenschutzproblematik auf den Grund gegangen ist. Neben persönlichen Informationen, darunter die üblichen, wie Name, E-Mail und Telefonnummer, fanden sich auch Gebetsminuten und persönliche Tagebucheinträge. Einige dieser Daten wurden laut Mozilla für gezielte, interessens- und verhaltensbasierte Werbung verwendet. Inzwischen hat Hallow seine Datenschutzbestimmungen aktualisiert. Im Abschnitt "Private und sensible personenbezogene Daten" heißt es nun, dass Tagebucheinträge nur an den Dienstanbieter selbst sowie an vom Nutzer autorisierte Dritte weitergegeben werden dürfen. Auch Angaben zur religiösen Überzeugung könne der Nutzer nur mit ausdrücklicher Zustimmung bei der Eröffnung eines neuen Kontos oder in optionalen anonymen Umfragen machen.

Die Gebetsapp "Hallow" in den US-Medien
Bild: ©Montage: katholisch.de/mtr

In den letzten Jahren wurde in den US-Medien viel über politische Kampagnen, Smartphone-Tracking und Datenschutz berichtet. Darunter: Investor Peter Thiel und Trumps Vize, JD Vance.

Dennoch lösten auch die anderen Unternehmen Thiels wie "Palantir" und "Clearview AI" bei Datenschützern Besorgnis aus, heißt es im Bericht von "Mother Jones". Es benötige nur einen Gedanken mehr, um sich auszumalen, was Thiel mit einer so großen Menge an sensiblen Daten von Benutzern anstellen könnte und in welche Richtung die Präsidentschaftswahlen dadurch gelenkt werden könnten, wie bereits 2015 die Geschichte um "Cambridge Analytica" zeigte. Die in New York ansässige Firma sammelte und analysierte Daten über potentielle Wähler im großen Stil mit dem Ziel, durch individuell zugeschnittene Botschaften das Wahlverhalten zu beeinflussen. Der Guardian berichtete damals von einem Informationssystem von Webseiten und Blogs, die nicht als Teil der Trump-Kampagne erkennbar waren. Sie seien genutzt worden, um Wähler gezielt mit vermeintlich unabhängigen Informationen zu versorgen, für die sie laut ihrem Social-Media-Profil besonders ansprechbar waren. 

Apps haben bereits 2018 bei Senatswahlen geholfen

Mit Thiel im Spiel ist es laut Beobachtern daher nicht abwegig, dass der "Datensammler-König", spezialisiert auf das Sammeln und Analysieren von Daten, zugunsten von Trump mitmischt. Laut einem Bericht des Internetportals "Vox" aus dem Jahr 2020 habe Thiels Firma bereits vor vier Jahren mit der damaligen Trump-Regierung Aufträge im Wert von rund 1,5 Milliarden Dollar abgeschlossen. Dort ging es ebenfalls um Datensammlung und deren Auswertung. In dieser Hinsicht ist interessant zu sehen, wie Thiel bereits zu Zeiten der Trump-Regierung im politischen Kontext präsent war, auch später, als er Vance unterstützte. Mit Vances Nominierung durch Trump zeigt sich laut Beobachtern, dass Trump vermutlich mehr auf die Stimmen von Katholiken zähle. Welche Rolle darin die "Hallow"-App spielt, lässt sich aufgrund der bereits erwähnten Verbindungen nur erahnen.  

Dass dies nichts Neues wäre, zeigt nicht nur der bereits erwähnte "Cambridge Analytics"- Skandal. Das Wall Street Journal enthüllte im Jahr 2019, wie die kontroverse Interessensgruppe "Catholic Vote" bereits bei den Senatswahlen 2018 in den USA Informationen aus ähnlichen Apps gezogen hat, um Personen zu identifizieren, die innerhalb von 60 Tagen mindestens zweimal eine katholische Kirche besucht hatten. Anhand der Häufigkeit der Besuche wies "Catholic Vote" ihnen einen "Religionsintensitätswert" zu. Dabei nutzte man diese Informationen, um rund 600.000 Menschen mit Anzeigen für die Senatswahlen anzusprechen. Damals habe man auf diese Weise den Republikaner Josh Hawley für den US-Senat unterstützt und die Gegnerin, die Demokratin Claire McCaskill, als "antikatholisch" bezeichnet – was zum Sieg Hawleys verhalf. Ob ein ähnliches Szenario auch in der aktuellen Präsidentschaftswahl stattfinden wird, lässt sich nicht vorhersehen.  

Bild: ©KNA (Archivbild)

Laut einem Bericht des Internetportals "Vox" aus dem Jahr 2020 habe Thiels Firma bereits vor vier Jahren mit der damaligen Trump-Regierung Aufträge im Wert von rund 1,5 Milliarden Dollar abgeschlossen. Es ging um Datensammlung und deren Auswertung.

Eines ist jedoch keine Vermutung, sondern Fakt: Prominente Persönlichkeiten haben für die App geworben und sorgen für regen Zulauf. Zum Schauspieler Mark Wahlberg gesellen sich Jonathan Roumie, der Schauspieler, der in der erfolgreichen Streaming-Serie "The Chosen" Jesus verkörperte, und der ehemalige britische Komiker und Verschwörungstheoretiker Russell Brand. Gegen Brand wird laut Medienberichten wegen schweren sexuellen Fehlverhaltens, einschließlich Vergewaltigung, ermittelt. Er wurde von elf Frauen des nicht einvernehmlichen sexuellen Kontakts beschuldigt, hat die Vorwürfe aber nicht nur bestritten, sondern auch als Verschwörung abgetan. Verwirrend ist, warum eine katholische Gebets-App die Werbeunterstützung eines mutmaßlichen Sexualstraftäters sucht. Brand selbst ist nicht katholisch, wirbt aber seit Jahren für esoterisches Gedankengut und fernöstliche Religionen, seit kurzem bastelt er Rosenkränze in seinen YouTube Videos. Über seine Social-Media-Kanäle hat er kürzlich eine Umfrage gestartet, in welcher Kirche er getauft werden soll.  

Prominente Konvertiten 

Was die Taufe und Konversion von Prominenten betrifft, so hat die Zeitschrift "Vanity Fair" Anfang September einen längeren Artikel zu diesem Thema veröffentlicht, in dem weitere Namen von Konvertiten zum Katholizismus genannt werden. So zum Beispiel die rechtspopulistische Aktivistin Candace Owens. Sie ist bekannt für ihre Kritik an der "Black Lives Matter"-Bewegung und eine Trump-Unterstützerin. Owens konvertierte vor kurzem zum Katholizismus, wurde dann während einer traditionellen lateinischen Messe in London getauft und später zusammen mit ihrem Ehemann George Farmer, einem ehemaligen CEO einer gescheiterten rechtsextremen Social-Media-Plattform und selbst Konvertit, bei der traditionalistischen Pilgerfahrt nach Chartres in Frankreich gesehen. Andere bekannte Persönlichkeiten, vor allem aus der Filmbranche, wie Shia LaBeouf und Rob Schneider, schlossen sich ihr an.  

Und dann gibt es noch die potenziellen Konvertiten, diejenigen, die den Schritt in die katholische Kirche noch nicht getan haben, es aber laut dem Bericht in naher Zukunft tun könnten: Filmemacher und Aktivist Tim Ballard, der 2023 mit seinem kontroversen Film "Sound of Freedom" bekannt wurde. Ebenso der bereits erwähnte Russell Brand und der zum Guru gewordene Psychologe Jordan Peterson, dessen Frau zu Ostern in die katholische Kirche eingetreten ist. Das löste Spekulationen aus, wer der nächste sein könnte: Elon Musk, Tucker Carlson von Fox News, der umstrittene Podcaster Joe Rogan und/oder – vielleicht Trump selbst? "Spüren Sie, wie sich die Energie verändert?", schrieb die bereits erwähnte Gruppe "Catholic Vote" auf der Plattform "X" (ehemals Twitter) – verbunden mit der Aufforderung: "Betet weiter für Bekehrungen!" 

Ob Ballard, Peterson, Musk, Brand oder Carlson  sie alle kokettieren mit ultrakonservativem katholischem Gedankengut und unterstützen Trump. Das macht sie gewissermaßen zu Trumps "Menschenfischern" auf den gängigen Social-Media-Plattformen. Ob und wie die Präsidentschaftswahlen ausgehen, bleibt abzuwarten. Welche Rolle die Hallow-App dabei tatsächlich spielen wird und bereits spielt, ebenfalls. Die genannten Indizien deuten jedoch darauf hin, dass sie vermutlich von Bedeutung sein könnte. Sicher ist, dass sich die bereits genannten Persönlichkeiten weiter zu Wort melden werden, so wie Mel Gibsons Jesus aus "Die Passion Christi", Jim Caviezel, als er sagte: "Wenn Trump unser Moses ist, dann müssen die Katholiken die Spitze seines Speeres sein." Und was halten die Bischöfe der USA zur Hallow-App? Eine Anfrage von katholisch.de zur Entwicklung des Wahlkampfes und wie sie zu solchen Gebetsapps steht, ließ die US-Bischofskonferenz allerdings unbeantwortet.  

30.10.24, 13:49 Uhr: Absatz zu Datenschutz präzisiert.

Von Mario Trifunovic