Autobiografie "Hoffe" – Wenn der Papst aus seinem Leben erzählt
Wenn Sie, Bergoglio, Papst werden, dann müssen Sie sich einen Hund anschaffen. Diesen Ratschlag gab eine ältere Frau dem damaligen Erzbischof von Buenos Aires, Kardinal Jorge Mario Bergoglio, nach einem Gottesdienst am Stadtrand. Bergoglio antwortete damals, das werde wohl nie passieren. Acht Jahre später wurde er 2013 Papst, doch einen Hund hat er bis heute nicht. Die Pointe der Frau lag jedoch woanders: "Nun, wenn man Ihnen das Essen bringt, dann geben Sie vorher immer ein bisschen was dem Hund. Wenn dem nichts fehlt, können auch Sie ruhig essen."
Dieses Gespräch mit der älteren Dame und die Antwort des Papstes spiegelt seine Haltung wider, die auch in seiner Autobiografie "Hoffe" deutlich wird: die Kirche muss sich um die Schwächsten kümmern, um sich selbst treu zu bleiben. Gleich zu Beginn seines Pontifikats erhielt Franziskus von Benedikt XVI. einen weißen Karton mit Akten über Missbrauchs- und Korruptionsfälle. "Da ist alles drin", sagte Benedikt damals, als er Franziskus in Castel Gandolfo empfing. Die Dokumente umfassten "all die dunklen Momente und die entsprechenden Missetaten", wie Franziskus sich erinnert.
Erste Autobiografie eines Papstes
Hinsichtlich des Verhältnisses zu Benedikt im Laufe seines Pontifikats ergibt sich ein etwas anderes Bild als in den Anfang 2023 veröffentlichten Memoiren von Georg Gänswein, in denen von einigen offenen und unausgesprochenen Konflikten die Rede war. Benedikt habe ihn, so Franziskus, bis zum Schluss beraten, unterstützt und verteidigt – dabei aber "stets unsere Rollen respektiert". Für ihn sei er wie Vater und Bruder zugleich gewesen. Deshalb habe er die Instrumentalisierung im Augenblick seines Todes nicht verdient, betont Franziskus. "Das hat mir wirklich wehgetan".
"Hoffe" ist die erste Autobiografie eines Papstes, die ausdrücklich als solche veröffentlicht wurde. Das Buch, das heute zeitgleich in 80 Ländern erscheint, gewährt Einblicke in Kindheit, Jugend und das Pontifikat des Kirchenoberhaupts. Anders als sein im März 2024 erschienenes Buch "Leben – Meine Geschichte in der Geschichte", das auf Interviews basiert, erzählt Franziskus in "Hoffe" in Prosa von Begegnungen, besonderen Ereignissen und den Herausforderungen seines Lebens. Leserinnen und Leser erwartet jedoch kein "Alles ist gut"-Narrativ, sondern das Abenteuer eines Lebens mit vielfältigen Geschichten. Dies beginnt bereits dramatisch mit den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts, mit der Geschichte seiner italienischen Wurzeln und seinen Vorfahren, die nach Südamerika auswandern wollten, dies aber nicht im ersten Anlauf schafften. Es wird schnell klar, warum ihn seine erste Reise als Papst nach Lampedusa führte und warum er sich in seinem Pontifikat oft auf die Seite von Migranten stellt.
Das Leben von Franziskus ist geprägt von Wendungen, die ihn immer wieder auf unerwartete Wege führten. Dies zeigt sich nicht nur in den frühen Geschichten seiner Familie, sondern auch in den entscheidenden Momenten seines eigenen Lebens. Besonders eindrücklich beschreibt er daher die Ereignisse rund um die Papstwahl 2013. Ohne große Erwartungen reiste er mit Rückflugticket und einem Koffer, der nur zwei Gewänder enthielt, nach Rom. Seine Bücher und Verpflichtungen ließ er in Buenos Aires zurück. Doch schon vor dem Konklave gab es Andeutungen, dass er zum Papst gewählt werden könnte. So erinnert sich Franziskus an einen Boten, der seine Reisetasche trug und hörte, wie jemand rief: "Vielleicht nimmt er an?" Für Bergoglio damals ein unwahrscheinliches Szenario.
Das Gefühl einer mündlichen Prüfung
Während des Konklaves zeichneten sich jedoch allmählich klare Hinweise ab. Franziskus beschreibt die sogenannte Taktik der "geparkten Stimmen", bei der unentschlossene Kardinäle zunächst Stimmen für unwahrscheinliche Kandidaten abgeben, um Zeit zu gewinnen. Nach und nach erhielt Bergoglio jedoch immer mehr Stimmen, bis ihn ein Kardinal um seine schriftlich festgehaltenen Gedanken bat. "Dann kann ich ja ein Andenken an den künftigen Papst mit nach Hause nehmen", kommentierte der Kardinal Jamie Lucas Ortega. Ein anderer Kardinal fragte ihn später im Aufzug, ob er bereits die Ansprache vorbereitet habe, die er als Papst vom Balkon aus halten würde. Ein schlechter Scherz? Nein, erinnert er sich und erzählt, wie ihn die europäischen Kardinäle später an den Tisch zu sich riefen. "Bei Tisch redeten wir über alles Mögliche. Die Kardinäle stellten mir viele Fragen. Irgendwann hatte ich das Gefühl, mitten in einer mündlichen Prüfung zu stecken… Und vielleicht stimmte mein Eindruck sogar. Sie nahmen mich unter die Lupe, nur ich merkte es nicht", sagt er. In diesem Zusammenhang erinnert er sich auch an einen spanischsprechenden Kardinal, der an ihren Tisch kam und fragte, ob ihm nicht ein Lungenflügel fehle. Man habe ihm, so Bergoglio, wegen dreier Zysten nur einen Teil des oberen Lungenflügels entfernt, woraufhin der Kardinal, passend zu seinem roten Gewand, ein knallrotes Gesicht bekam und zwischen zusammengebissenen Zähnen hervorstieß: "Immer diese Manöver in letzter Minute."
Schließlich erreichte Bergoglio im fünften Wahlgang, der aufgrund eines zusätzlichen, leeren Stimmzettels, der an den anderen klebte, wiederholt werden musste, die notwendige Mehrheit. Der Satz des brasilianischen Kardinals Cláudio Hummes, die Armen nicht zu vergessen, berührte ihn zutiefst und beeinflusste seine Entscheidung, den Namen Franziskus zu wählen und sich für jene einzusetzen, die am Rande stehen. "Ich spürte ihn bis ins Innerste", erinnert sich das Kirchenoberhaupt. Auch später, als er sich einkleiden ließ, das goldene Kreuz und die roten Schuhe ablehnte und ihm gesagt wurde, er müsse weiße Hosen tragen, entgegnete er: "Ich bin doch kein Eisverkäufer." Die Devise, keine "Extrawurst" zu beanspruchen, zieht sich durch das Buch und durch sein Pontifikat. Doch in "Hoffe" wird das anhand von Erfahrungen, Begegnungen und verschiedenen Geschichten deutlich.
Die Jugendfreundin und ihr Lebenswandel
Seine Vision einer Kirche intra omnes, offen für alle, anders als das Konklave das extra omnes, geschlossen, stattfindet, wird durch persönliche Erinnerungen unterstrichen. Dazu gehört die Geschichte einer alleinstehenden Frau mit sieben Kindern von zwei verschiedenen Männern, dessen Kinder er taufte, obwohl die Frau sich aufgrund ihrer Armut und Lebensumstände unwürdig fühlte. Auch die Begegnungen mit Menschen aus Randgruppen sind prägend.
Franziskus erzählt von einer Jugendfreundin aus einem Stadtteil von Buenos Aires, einer Prostituierten, die fast überall gearbeitet und viel Geld verdient hatte. Nach dem Tod ihres Partners änderte sie ihr Leben und begann, alte und kranke Menschen zu pflegen. Als Bergoglio Weihbischof in der argentinischen Hauptstadt wurde, meldete sie sich bei ihm und er empfing sie im Bischofshaus. Dort erzählte sie ihm von ihrem Leben: "Ich wasche die alten Damen und Herren in den Altersheimen, die sonst niemanden haben, der sich um sie kümmert. Ich gehe nicht häufig zur Messe, und ich habe viel mit meinem Körper angestellt. Aber nun will ich mich der Körper der Menschen annehmen, die sonst niemanden mehr interessieren."
Ebenso erwähnt er an anderer Stelle die Begegnung mit transsexuellen Menschen im Vatikan, die seine Umarmung und seinen Segen als tief bewegend empfanden. "Als hätte ich etwas Besonderes für sie getan", kommentiert Franziskus. "Sie können die Taufe genauso erhalten wie andere Gläubige. Und genauso wie andere Gläubige können sie Taufpaten oder Taufpatinnen werden oder als Trauzeugen auftreten. Kein Gesetz des Kirchenrechts verbietet dies."
Kritik an Diskriminierung von Homosexuellen
In seiner Autobiografie kritisiert Franziskus zudem scharf die Diskriminierung von Homosexuellen und Transsexuellen in vielen Ländern. "Homosexualität ist kein Verbrechen, sondern eine Tatsache des Menschseins", erklärt er und nimmt vor allem Christen und die Kirche in die Pflicht: "Die Kirche und die Christen können angesichts dieser verbrecherischen Ungerechtigkeit nicht die Augen verschließen oder sich kleinmütig verhalten".
Ebenso richtet er sich gegen Traditionalismus und Klerikalismus in der Kirche. Junge Priester, die mit kostbaren Gewändern protzen, sieht er nicht als Bewahrer der Tradition, sondern als Vertreter eines klerikalen Individualismus. "Dies ist keine Rückkehr zum Heiligen, sondern eine sektiererische Modernität", spitzt er seine Kritik zu. Christen dürfen, so der Papst, nicht rückwärtsgewandt sein. Das Beharren auf "Rückständigkeit" und die Kritik aus ultrakonservativer Ecke an der pastoralen Öffnung, sei es gegenüber Homosexuellen in "Fiducia supplicans" (2023) oder Geschiedenen und Wiederverheirateten in "Amoris Laetitia" (2016), bezeichnete Franziskus als "Heuchelei". Und: "Der Traditionalismus, das in jedem Jahrhundert neu auftretende Beharren auf 'Rückständigkeit', ist eine soziologisch interessante Erscheinung", so der Papst, weil es sich immer auf eine angeblich vollkommene Zeit bezieht, die aber jedes Mal eine andere ist. Die Kirche aber sei auf dem Weg und müsse vorwärtskommen.
Drittes Vatikanisches Konzil
Ob es dafür ein neues Konzil brauche, werde er oft gefragt, erzählt Franziskus. Aber in vielerlei Hinsicht, so der Papst, könne man sagen, dass das letzte ökumenische Konzil "noch nicht vollkommen verstanden, gelebt und angewandt" worden sei. "Wenn mich jemand fragt, ob mittlerweile nicht der Zeitpunkt für ein neues Konzil, Vatikanum III, gekommen sei, dann antworte ich ihm, dass die Zeit nicht nur noch nicht reif sei, sondern auch, dass wir zuvor noch das Vatikanum II vollständig umsetzen müssen", heißt es weiter. Die "höfische Kultur" an der Kurie müsse beseitigt werden, denn die Kirche sei kein Hofstaat und kein Ort für "Seilschaften, Vetternwirtschaft und verdeckte Machinationen".
Franziskus' Autobiografie bietet weit mehr als nur Geschichten und Erinnerungen aus dem Leben des Papstes. Sie gibt interessante Einblicke in das Denken von Franziskus, der sich der Herausforderung stellt, eine oft gespaltene Kirche zu vereinen und neu auf die Menschen auszurichten. Das ist gerade in der gegenwärtigen Kirchenkrise wichtig. Auch wenn vieles mehr oder weniger bekannt ist, wird bei der Lektüre von "Hoffe" deutlich, warum Franziskus so denkt, wie er denkt.
Hinweis
Papst Franziskus, "HOFFE – Die Autobiografie". Aus dem Italienischen von Elisabeth Liebl. 384 Seiten, 24,00 Euro (24,70 € [A], 33,50 CHF), Kösel-Verlag. Erscheint weltweit am 14. Januar 2025.