Wie lassen sich Forderungen aus dem Abschlussdokument umsetzen?

Wenn der Bischof Rechenschaft ablegen muss: Eine Idee der Weltsynode

Veröffentlicht am 04.04.2025 um 00:01 Uhr – Von Christoph Brüwer – Lesedauer: 8 MINUTEN

Bonn ‐ In einem Brief an die Bischöfe in der Weltkirche hat Kardinal Mario Grech die Umsetzungsphase der Weltsynode eingeläutet. Der Papst wünscht, dass dieser Phase besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. Aber wie kann die Umsetzung aussehen? Katholisch.de blickt auf ein konkretes Beispiel.

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Es war still geworden um die von Papst Franziskus initiierte Weltsynode in den vergangenen Monaten. Nach dem Abschluss der zweiten Sitzungsphase im vergangenen Oktober hat sich die Debatte weitestgehend beruhigt. Bis jetzt: In einem Brief an die Bischöfe der Weltkirche hat der Generalsekretär der Bischofssynode, Kardinal Mario Grech, Mitte März noch einmal daran erinnert, dass der synodale Prozess längst nicht abgeschlossen ist. Die Umsetzungsphase hat begonnen, und vom Krankenbett aus hat der Papst persönlich den weiteren Zeitplan und die Begleitung durch das Synodensekretariat abgesegnet. Damit gerät auch das im vergangenen Oktober veröffentlichte Abschlussdokument der Weltsynode wieder in den Blick.

Nicht weniger als einen Kulturwandel fordert der Text – und hat dabei einen eher überraschenden Bereich der Kirche im Auge: Rechenschaft und Transparenz bei der Amtsführung von Kirchenverantwortlichen. "Der Klerikalismus basiert auf der stillschweigenden Annahme, dass diejenigen, die in der Kirche Autorität besitzen, nicht für ihre Handlungen und Entscheidungen zur Rechenschaft gezogen werden dürfen, als wären sie vom Rest des Volkes Gottes isoliert oder stünden über ihm" (Nr. 98), heißt es dazu. Gerade die Rechenschaft der kirchlichen Autorität gegenüber der Gemeinschaft gelte es wiederherzustellen. Wo die Kirche Vertrauen genieße, trügen Transparenz, Rechenschaftspflicht und Evaluierung dazu bei, dieses Vertrauen zu stärken. "Diese Praktiken sind noch wichtiger, wenn die Glaubwürdigkeit der Kirche wiederhergestellt werden muss." (Nr. 97)

Denkbar unkonkrete Eingaben

Auch wenn diese Sätze selbst aus der Perspektive der Kirche im westlichen Teil Europas innovativ klingen, so kranken sie doch an einem Umstand, mit dem das ganze Abschlussdokument der Weltsynode zu kämpfen hat: Sie sind denkbar unkonkret. So werden zwar mögliche Themen für eine Evaluierung von Kirchenverantwortlichen (Finanzen, Missbrauchsprävention, Laienförderung, Evangelisierung, Pastoralplanung und Lebensstil der Führungspersonen) und die Diözesansynode als Ort für die Rechenschaftspflicht benannt. Viel handfester wird es allerdings nicht. Das dürfte daran liegen, dass die Autorinnen und Autoren des Abschlussdokuments damit gerechnet haben, dass Papst Franziskus die Eingaben der Synodalversammlung in einem eigenen Schreiben aufgreifen und konkretisieren wird. Deshalb sollten möglichst viele Ideen und Anregungen im Dokument aufgenommen werden.

Professor Georg Bier vor einer Bücherwand
Bild: ©Andree Kaiser/KNA (Archivbild)

"Aus kirchenrechtlicher Sicht enthält das Abschlussdokument keine Beschlüsse, sondern Empfehlungen, Hinweise und Vorschläge", sagt der emeritierte Freiburger Kirchenrechtler Georg Bier.

Doch es kam anders: In einer überraschenden Aktion kündigte Papst Franziskus zum Abschluss der Synode an, das Dokument direkt und ohne Änderungen in Kraft setzen zu wollen. In der Folge bekräftigte er immer wieder, das Dokument sei Teil seines ordentlichen Lehramtes. Aber was bedeutet das für die Passagen zur Rechenschaft von Kirchenautoritäten?

"Aus kirchenrechtlicher Sicht enthält das Abschlussdokument keine Beschlüsse, sondern Empfehlungen, Hinweise und Vorschläge", sagt der emeritierte Freiburger Kirchenrechtler Georg Bier. Dass der Papst sich diese zu eigen gemacht habe, sei keine Petitesse. "Aber daraus entstehen keine verbindlichen Maßnahmen und Schritte, die als nächstes zu tun sind." Für die Bischöfe bestehe dadurch maximal eine moralische Verpflichtung. Eine Rechtspflicht zu Transparenz, Amtsevaluation und Rechenschaft ergebe sich aber nicht.

"Das Stichwort ist hier Selbstbindung"

Dabei wäre eine solche Rechenschaftspflicht für Bischöfe durchaus sinnvoll, betont der Essener Pastoraltheologe und Ökonom Thomas de Nocker. "Das Selbstverständnis eines jeden Bischofs ist es, dass er kein König ist, sondern Diener", sagt der Professor für Betriebswirtschaftslehre. "Und wenn ich Diener bin, dann bin ich meinen Herren – in diesem Fall den Gläubigen – auch Rechenschaft schuldig."

Umsetzen ließe sich eine solche Rechenschaftspflicht für Bischöfe grundsätzlich schon jetzt, glaubt Kirchenrechtler Bier. Aber nur wenn und soweit der jeweilige Bischof dazu bereit ist: "Das Stichwort ist hier Selbstbindung." Diese reiche allerdings nur genau so weit, wie ein Bischof sich eben binden wolle. Außerdem könne der Bischof seine freiwillige Selbstbindung jederzeit wieder aufgeben. Ein diözesanes Gremium könne den Bischof dabei nicht zum Ändern seiner Amtsführung verpflichten oder ihn sogar absetzen.

Ähnliche Beschlüsse: Wo Synodaler Weg und Weltsynode gleiches wollen

Papst Franziskus hat mehrfach appelliert, die Ergebnisse der Weltsynode umzusetzen. Die Forderungen des Abschlussdokuments ähneln in einigen Punkten dem, was auch der Synodale Weg will. Katholisch.de zeigt Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Reformvorstellungen beider Prozesse auf.

Als ein mögliches Gremium zur Evaluation der Amtsführung eines Bischofs sieht Bier den Diözesanpastoralrat – sofern dieser eingerichtet ist. In diesem Gremium seien nicht nur Priester, sondern Laien repräsentiert und es treffe sich ohnehin regelmäßig und müsse – anders als eine Diözesansynode – nicht eigens vom Bischof einberufen werden.

Diözesansynode für Rechenschaftspflicht zu groß

Diese Diözesansynode schlägt dagegen das Abschlussdokument der Weltsynode vor. "Darüber hinaus kann die Diözesansynode Raum für die Ausübung der Rechenschaftspflicht und Bewertung bieten, wobei der Bischof über die pastorale Tätigkeit in verschiedenen Bereichen Rechenschaft ablegt", heißt es dort (Nr. 108). Die Diözesansynode ist kirchenrechtlich betrachtet allerdings zunächst eine Versammlung ausgewählter Kleriker, zu der Laien hinzugeladen werden können, aber nicht müssen. Als gesetzgebendes Gremium stehe es außerdem unterhalb des Bischofs, erklärt Bier. Der Bischof entscheide, welche Beschlüsse der Versammlung er umsetze und welche nicht. 

Ökonom de Nocker sieht ein weiteres Problem der Diözesansynode als Rechenschaftsgremium: die schiere Größe einer solchen Versammlung. "Aus der Forschung wissen wir, dass es einen Korridor für die Größe eines gut funktionierenden Aufsichtsrates gibt", erklärt er. Dieser liege bei rund fünf bis zehn Personen. "Wird ein solches Gremium zu groß, dann können sich die Mitglieder hintereinander verstecken und man kommt zu keinen Entscheidungen", sagt de Nocker. Einzelinteressen innerhalb eines solchen Gremiums könnten außerdem dazu führen, dass Entscheidungen blockiert werden. Denkbar sei es dagegen, die Diözesansynode als Resonanzraum und Kommunikationsgremium zu sehen. Hier könnten also Rückmeldungen zu anstehenden Entscheidungen und Entwicklungen eingeholt werden. "Eine neue Strategie kann man hier aber nicht erarbeiten", sagt de Nocker. Außerdem fehle den Mitgliedern einer Diözesansynode unter Umständen die nötige Kompetenz, um die Amtsführung eines Bischofs in verschiedenen Bereichen bewerten zu können.

Theologe und Ökonom Thomas de Nocker
Bild: ©Privat (Montage:katholisch.de) (Archivbild)

Eine synodale Amtsführung könne für Bischöfe sogar Rückenwind bei unbequemen Entscheidungen bedeuten, glaubt Thomas de Nocker. Er hat Theologie und Betriebswirtschaftslehre studiert und ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an der FOM Hochschule für Ökonomie & Management in Essen. Außerdem ist der promovierte Theologe Gründer und Geschäftsführer des Beratungsinstituts "2denare", das kirchliche und kirchennahe Einrichtungen in wirtschaftlichen und strategischen Fragen berät.

Als Bereiche, über die ein Bischof Rechenschaft ablegen sollte, schlägt die Weltsynode folgendes vor: "die Umsetzung eines diözesanen Pastoralplans, die Rezeption der synodalen Prozesse der gesamten Kirche sowie Initiativen, die Fragen von Schutzmaßnahmen (safeguarding) und die Verwaltung von Finanzen und zeitlichen Gütern betreffen“ (Nr. 108). Gerade beim Thema Finanzen lasse sich die Amtsführung des Bischofs gut bewerten, erläutert Bier. Hier gebe es bereits etablierte Vermögensverwaltungsgremien, ohne deren Zustimmung der Bischof ab einem bestimmten Betrag schon jetzt nicht agieren dürfe. 

Bei den anderen Themenbereichen – wie im Abschlussdokument insgesamt – sieht der Kirchenrechtler aber eine große Schwierigkeit: das Fehlen von konkreten Bewertungskriterien. Im Abschlussdokument heißt es immer wieder, es gehe darum, aufeinander zu hören. "Aber was sind denn die Kriterien dafür, ob ein Bischof gut zugehört hat, oder nicht?", fragt der Kirchenrechtler. "Der Bischof ist zwar verantwortlich für das ihm anvertraute Gottesvolk und in dieser Weise auch von den Gläubigen abhängig – aber nicht in der gleichen Weise wie ein Regierungsvertreter in einer parlamentarischen Demokratie." Vertrauensfragen und Neuwahlen sind nach kirchlicher Ämterlogik undenkbar.

Evaluation kein Urteil über die Person

So weit muss es aber auch gar nicht kommen. Die synodale Amtsführung kann dagegen sogar Rückenwind für die Verantwortungsträger in der Kirche bedeuten, glaubt de Nocker. Gerade in der heutigen Zeit zurückgehender Ressourcen müssten immer wieder schmerzhafte Entscheidungen getroffen werden. "Dann steht der Bischof nicht mehr als der einzige da, der entschieden hat, dass eine Schule oder eine Kita geschlossen wird", erklärt der Ökonom. Der Bischof könne sich stattdessen auf die Beratungen innerhalb der kleinen Gruppe beziehen und werde so auch vor Vorwürfen der Intransparenz und Willkür geschützt. Ähnlich sieht es auch das Abschlussdokument der Weltsynode: Die Bewertung der Amtsführung im Rahmen einer Rechenschaftspflicht sei kein Urteil über die Person. "Vielmehr eröffnet sie eine Möglichkeit, dem Amtsträger zu helfen, indem sie positive Aspekte seines Amtes hervorhebt und verbesserungswürdige Bereiche ans Licht bringt" (Nr. 100).

Wie geht es nun aber weiter? In seinem Brief kündigte Kardinal Grech an, bis Ende Mai ein begleitendes Dokument für die Umsetzungsphase veröffentlichen zu wollen mit "genaueren Angaben zur Methodik und zu den operativen Modalitäten des Weges". Im Oktober 2028 soll es außerdem eine kirchliche Versammlung im Vatikan geben, auf der die Umsetzung der Vorhaben der Weltsynode diskutiert werden sollen. Inwiefern es dann auch konkret um die Rechenschaft von Bischöfen geht, wird sich zeigen.

Von Christoph Brüwer