Der vielfältigste Beruf der Welt
Der Unterschied zwischen einem Polizisten und einem Feuerwehrmann liegt auf der Hand. Und auch der Vergleich zwischen Priester und Diakon gelingt in der Regel noch recht trennscharf. Weitaus schwerer sind die Abweichungen zwischen Gemeindereferenten und Pastoralreferenten zu benennen und zwar nicht nur für Außenstehende, sondern auch für die Berufsangehörigen selbst. Gemeindereferentin Anne-Kristin Graumann und ihr Kollege, Pastoralreferent Markus Vilain, aus dem Kirchengemeindeverband Bad Godesberg in Bonn sprechen über Trennendes und Verbindendes und über die Besonderheiten der beiden Laienberufe in der katholischen Kirche.
Anne-Kristin Graumann hatte einige Jahre als Messdienerin am Altar gestanden, bevor sie sich in ihrer Jugend von der katholischen Kirche entfernte. "Ich habe mich damals nicht firmen lassen", erzählt sie. Erst ein neuer Freund bringt die Bonnerin wieder mit Kirche in Verbindung. Dass sie tatsächlich einen Kirchenberuf ergreifen würde, ahnt die angehende Reiseverkehrskauffrau damals noch nicht. "Der Auslöser kam schließlich bei einer Spanienreise", erzählt sie schmunzelnd. "Ich habe in diesem Urlaub geträumt, dass ich Gemeindereferentin werde. Und als ich das meiner Mutter erzählte, sagte sie: Warum nicht!"
Zurück in Deutschland bewirbt sich die 21-Jährige beim Erzbistum Köln und entscheidet sich dann für ein Fachhochschulstudium in Mainz. Nach sechs Semestern Religionspädagogik und praktischer Theologie folgt ein Assistenzjahr in Düsseldorf, danach drei Jahre in einer Kölner Gemeinde bis zur Versetzung nach Bonn. Seit August 2015 ist Graumann in Bad Godesberg tätig und arbeitet mit Markus Vilain zusammen. Der Pastoralreferent schaut auf eine klassische Kirchenkarriere zurück. Erstkommunionkind, Messdiener, Firmkandidat, Jugendgruppenleiter. "Ich hatte eine katholische Clique aus der Gemeinde aber auch viele Freunde, die mit dem Glauben und der Kirche nichts zu tun hatten", erzählt der Kölner. Beides habe gut harmoniert.
Eine kirchliche Karriere
Seinen Zivildienst absolviert Vilain im Katholischen Jugendamt und blickt über den Tellerrand der Gemeinde hinaus. Zeitgleich arbeitet er in mit seinem Pfarrer an einem großen Pilotprojekt und plant die Zusammenlegung der Jugendarbeit mehrerer Gemeinden in einem Seelsorgebereich. "Ich habe mit meinen 18 Jahren sehr viel Verantwortung übernehmen dürfen und die Erfahrung gemacht, in der Kirche etwas bewegen zu können", erzählt er. Für ihn ist klar, Kirche soll auch seine berufliche Heimat werden. "Der Beruf des Pfarrers kam für mich nicht in Frage. Zum einen wünschte ich mir Familie und zum anderen wollte ich nicht in die Verwaltung einer Gemeinde, sondern nah am Menschen arbeiten."
Vilain entscheidet sich für ein Theologiestudium mit der Ausrichtung 'Pastoralreferent'. "Ich hatte viele Fragen und wollte erst sicher im Glauben stehen, bevor ich dafür beruflich Zeugnis ablege", sagt er über seine Entscheidung. Während des fünfjährigen Studiums in Bonn ist er Teil des Bewerberkreises im Erzbistum Köln, in dem er studienbegleitend berufspraktische und spirituelle Erfahrungen sammelt. 2005 geht es plötzlich Schlag auf Schlag. Innerhalb weniger Monate macht Vilain sein Diplom, heiratet eine Kommilitonin und zieht mit ihr nach Troisdorf, wo er eine Assistenzstelle als Pastoralreferent antritt. Ein Jahr später wechselt er nach Godesberg und ist dort mittlerweile im zehnten Jahr tätig.
Es ist ein großes Seelsorgeteam unter Leitung von Dechant Wolfgang Picken, das hier in der größten Seelsorgereinheit des Erzbistums Köln Hand in Hand arbeitet. Die Aufgaben der Referenten sind breit gestreut, die konkrete Tagesplanung ist weitgehend ihnen überlassen. Statt Nine-to-Five heißt es hier häufig Eight-to-Ten, allerdings mit vielen freien Zeiten zwischendurch. "Wenn ich vormittags zum Frisör gehen will, kann ich das so einrichten. Dafür bin ich aber auch mal spät abends in der Gemeinde unterwegs", sagt Graumann. "Kein Tag ist wie der andere. Man arbeitet frei und eigenverantwortlich und kann seine persönlichen Interessen und Talente in diesem Beruf einbringen", sagen beide und Vilain schwärmt: "Es ist der vielfältigste Beruf der Welt."
Von Seniorenfrühstück bis Vater-Kind-Gruppe
Die Aufgabenbereiche verschwimmen dabei zusehends. In Godesberg ist Gemeindereferentin Graumann für die Schulgottesdienste zuständig. Sie leitet die Katecheten an und schaut zwischendurch beim Seniorenfrühstück oder im Kulturcafé vorbei. Pastoralreferent Vilain kümmert sich unterdessen um die Pastoral in den Kindergärten, die Jugendarbeit und die Arbeit mit einer Vater-Kind-Gruppe. Auch die Planung für das Familienzentrum liegt in seiner Hand.
Die Aufgabenfelder der pastoralen Berufe sind Sache der jeweiligen Diözese. Stärker abgegrenzt ist es zum Beispiel im Bistum Trier. Dort arbeiten Gemeindereferenten an der Basis und Pastoralreferenten in der kategorialen Seelsorge, also in Krankenhäusern, in der Hochschulpastoral oder in Altenheimen. In der Regel aber, unterscheiden sich die beiden Berufsbilder kaum. Da Pastoralreferenten wegen ihrer universitären Ausbildung ein höheres Gehalt bekommen, kann das auch zu Konflikten führen.
Was man für beide Berufe mitbringen sollte? "Man muss Menschen mögen. Und zwar alle!", lacht Graumann. "Diese vergeistigte Zugewandheit zum Herren geht in diesem Beruf nicht mehr." Stattdessen seien Kommunikationsfähigkeit gefragt, Empathie und Einfühlungsvermögen. "Man muss sich auch auf Menschen einlassen können, mit denen man im Privaten vielleicht nichts zu tun hätte. Das ist gelebte Nächstenliebe." Durch die Residenzpflicht in der Gemeinde falle es manchmal schwer, sich abzugrenzen, so ihre Erfahrung. "Man muss Prioritäten setzen", sagt Vilain. "Das geht gar nicht anders, wenn man Familie hat." Aber auch der Vater von zwei Kindern kennt die Situationen, in denen sich Privates und Berufliches vermischen. "Wenn ich hier am Rhein Rennrad fahre, bleibe ich nie lang alleine", lacht er.
Im Umgang mit Mitarbeitern in der Gemeinde sind Teamfähigkeit und Loyalität wichtig. "Wenn sich dienstags das Team zum Mittagsessen trifft, sind wir 35 Leute. Und zwar ganz unterschiedliche", so Vilain. Dass verschiedene Denkweisen in einer Gemeinde funktionieren können, zeigen der Pastoralreferent und die Gemeindereferentin auch im Gespräch über Priestermangel und die Zukunft der Laienpastoral. "Vielleicht werden Laien künftig mehr in der Kirchenleitung eingesetzt, so wie es in der Schweiz schon Gang und Gäbe ist. Es ist unübersehbar, dass der Besuch der Eucharistiefeiern dramatisch abgenommen hat. Als Kirche kommen wir gar nicht umhin auch neue Wege zu beschreiten, in der Liturgie auch innovative Akzente zu setzen, sowie kirchliches Leben außerhalb der Kirchenmauern als solches zu verstehen", findet Graumann und zitiert Albert Schweizer: "Wer glaubt, ein Christ zu sein, weil er die Kirche besucht, irrt sich. Man wird ja auch kein Auto, wenn man in einer Garage steht."
"Das Auto könnte aber auch rosten, wenn man keine Garage hat und immer draußen parkt …", gibt Vilain zu bedenken. Für den Theologen ist die Eucharistie nach wie unabdingbar. Er kümmert sich um den Nachwuchs und macht dabei gute Erfahrungen mit Kindermessen. Die Zukunft der Pastoral- und Gemeindereferenten sieht er weniger in der Leitung, sondern in der Caritas: "Die gutbürgerliche Volkskirche hat ausgedient. Wir müssen an die Ränder der Gesellschaft gehen. Daran werden wir in Zukunft gemessen". Seine Kollegin stimmt zu: "Kirche ist da, wo die Menschen sind. Dort müssen wir sinnstiftende Angebote machen." Die Palette dieser Angebote wird sich verändern, glaubt Vilain. "Was eine Gemeinde anbieten kann, wird sich an den Gegebenheiten vor Ort und den Charismen der Freiwilligen, die sich in Gemeinde engagieren orientieren. Kirchliche Mitarbeiter werden mehr und mehr zu Ermöglichern von Engagement werden müssen."
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